Berlin | Lesen ist Kulturgut |
Zum Vorlesetag liest ein Schauspieler vor Grundschülern vor
Der Vorlesetag statt: Ehrenamtliche Vorleser aus den Bereichen Sport, Politik, Kultur, Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft begeben sich in ausgewählte Schulen und lesen den Schülerinnen und Schülern vor. In den allermeisten Fällen kommt ein für die Kinder altersgerechtes Buch zum Tragen. Kindern und Jugendlichen soll durch den Vorlesetag gezeigt werden, Bücher bereichern das Leben und das Lesen ist ein Teil der Kultur. In diesem Jahr nahmen über 80.000 ehrenamtliche Vorleser an dem Tag teil.
In Berlin Hermsdorf besuchte der Schauspieler Joachim Kelsch eine Schule und las dort vor. Er hatte das Werk „Elßa und der Mondgott“ der Autorin Judith Kohlmeyer ausgewählt. Damit traf der Mime den Geschmack der Kinder. Handelt es sich bei Elßa doch um ein ganz außergewöhnliches Schweinemädchen! „Schweine können nicht fliegen, Elßa....“, mit diesem Satz plagt sich das kleine Ferkelchen ständig herum. Keine Schweinetante und kein Schweineonkel auf dem Bauernhof sehen, dass Elßa Flügel hat. Das kleine Tierchen ist sogar schon dem auf einer Wiese schlafenden Mond begegnet. Er wollte sich die Welt einmal nicht von oben aus begucken, sondern von unten nach oben blicken. Das glauben weder Schweinemama noch die Verwandten des Ferkels. Erst als die Mama eines Tages schwer krank wird und das Ferkel in den Wald fliegt um dort von Wunderbäumen Blätter zu pflücken, die Mama gesund machen können, sieht die Schweinewelt ganz anders aus. Zumal im dunklen, tiefen Wald zahlreiche Elfen Elßa wertvolle Ratschläge geben. Die ganz großen Schweine würden sich niemals alleine nachts in den Wald trauen, Elßa kennt das Wort Angst gar nicht. Joachim Kelsch, der dem Ensemble des Pfefferberg Theaters im Prenzlauer Berg angehört und durch Fernsehauftritte bei „Berlin Tag und Nacht“, „GZSZ“, „Familiengericht“ und beispielsweise „Schwarzwaldklinik“ bekannt ist, las so spannend den Kindern vor, das selbst der Klassenlehrer staunte, wie still die Kinder sein können, so sie es wollen. Es kam auch von den Schülern zum Ausdruck, dass sie den Besuch eines Darstellers als große Ehre und Bereicherung betrachteten. Einen Darsteller, den sie sonst nur aus dem Fernsehen kennen, hatten sie leibhaftig vor sich sitzen. Der Mime wusste natürlich auch, wie er lesen und betonen muss, um das Höchstmaß an Spannung zu bewirken. Auch hier gilt der Spruch. „Gelernt ist gelernt.“ Am Anfang der Begrüßung erfuhren die Schüler, wie hart eine Ausbildung zum Schauspieler sein kann. Da wird der Student mit Unterrichtsfächern wie Theaterjudo, Theaterfechten, Theaterkarate und Theaterboxen auch vertraut gemacht. Allein die Tatsache, ein Mensch kann sprechen und sich bewegen, macht noch lange keinen Schauspieler aus ihm. Da guckten einige kleine Lebewesen doch recht betrübt, als sie dies erfuhren. Hatten sie doch dem Mimen mitgeteilt, auch gerne Schauspieler oder Schauspielerin werden zu wollen. Die kleinen Gesichter wurden noch länger, als sie erfuhren, eine Ausbildung zum Schauspieler ist recht teuer. Joachim Kelsch konnte lustig berichten: „Als Student habe ich meine Brötchen mit Brötchen verdient.“ Er arbeitete in einer Backwarenfabrik als Hilfsarbeiter am Fließband und war für die Kontrolle der Brötchen zuständig. Der Vorlesetag hat dem Mimen sichtlich Freude bereitet. Er teilte mit: „Es geht zu wie bei einer Leiter. Ich lese aus einem Buch vor, die Kids begeistern sich für Bücher und der Grundstein für ein kulturelles Verständnis ist gelegt worden. Die nächste Sprosse auf der Leiter ist, eines Tages sehen meine Kollegen und ich die Kinder und Jugendlichen als Theaterbesucher. Ich finde es erschreckend, wenn vermeldet wird, immer weniger Eltern lesen heutzutage ihren Kindern vor. Es darf in unserer hoch technisierten Welt nicht dazu kommen, man legt als Elternteil eine CD auf und das Vorlesen habe sich erübrigt. Nichts ist für Kinderohren schöner und beeindruckender, Oma, Opa oder Eltern als Vorleser zu sehen und zu hören. Da spreche ich aus Erfahrung. Zu meiner Kindheit gab es zwar noch keine CD, aber Schallplatten waren bekannt. Ich habe es genossen, mir damals vorlesen zu lassen und konnte nie genug bekommen. Mein Ruf lautete nur: „Mehr“ und er ist dankenswerterweise sowohl von den Großeltern als auch den Eltern sehr oft erfüllt worden.“
Welch hohen Stellenwert dieser Besuch und das Vorlesen für die Schule hatte, machte auch die Schulleitung deutlich. „Wir können uns bei dem Schauspieler Herrn Kelsch nur vielmals bedanken für dieses Engagement. Gerne darf er zum nächsten Vorlesetag nochmals wieder zu uns kommen, so er möchte.“ Der Schulleiter kannte den Darsteller und teilte ihm mit: „Sie habe ich kürzlich auf der Bühne bewundert als Kommissar in der Olsenbande. Besonders gefallen hat mir, wie Sie mit einem lauten „Holm“ immer ihren Assistenten Herrn Holm riefen und kommandierten.“ Was er nicht zum Ausdruck brachte: So darf der Herr Direktor mit seinen Mitgliedern des Lehrkörpers natürlich nicht umgehen. Schauspieler dürfen das auch nur, wenn es die Rolle so vorsieht. www.joachim-kelsch.de
ReiseTravel Fact: Erfreulich ist, über 80.000 ehrenamtliche Vorleser lasen Kindern und Jugendlichen vor. Hoffentlich gibt es eine Trendwende in den eigenen 4 Zimmern. Umfragen belegen, immer weniger junge Eltern haben Zeit und Lust, sich als Vorleser zu betätigen. Was hindert sie denn daran? Verbringen diese Eltern lieber mehr Zeit „vor der Glotze“ und dem Computer als sich als Vorleser ihrer eigenen Kinder zu betätigen? Das Vorlesen kostet nichts! Wer keine Bücher kaufen möchte oder wirklich das Geld dazu nicht hat, kann sich in vielen Bibliotheken die Bücher kostenfrei ausleihen.
Ein Beitrag für ReiseTravel von Volker T. Neef.
Unser Autor berichtet aus der Bundeshauptstadt und ist in Berlin wohnhaft.
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