Uckermark | Brandenburger Milch & Käsestraße |
In Deutschland erzeugen und verarbeiten etwa 700 Landwirte, die naturbelassene Milch von Kühen, Schafen, Ziegen oder Büffeln. Mehr als 550 von ihnen bieten ihre regionalen Bio-Produkte zumeist in eigenen Hofläden, auf Wochenmärkten oder über den lokalen E
Neu entdeckt: In einigen Bundesländern haben sie „Milch- und Käsestraßen“ gegründet, so auch in Brandenburg.
Teilstrecke 1: Von Berlin bis Uckerland
Brandenburger Milch & Käsestraße
Für zwei Tage aufs Land haben wir uns bei 7 Höfen im Barnim und der Uckermark angemeldet. Nördlich von Berlin, gleich hinter Bernau, liegt das Dorf Rüdnitz, in dem Franziska Linnemann mit Partner Andreas Worm ihre Hofkäserei „Die Waldziegen“ betreibt.
Wir treffen die Züchterin und ihre Herde auf einer sattgrünen Wiese. Eine Augenweide zugleich. Die 20 Ziegen geben jeden Tag bis zu 15 Liter Milch aus der Frischkäse, Feta und Joghurt produziert werden. Für die handwerklich hergestellten köstlichen Hofkäse-Delikatessen aus bester Ziegenmilch gibt es feste Abnehmer aber auch Angebote im Bio-Hofladen. Franziska erläutert uns die Lage: „Trotz Corona haben wir keine allzu großen Verluste gehabt. Die Waldziegen als robuste Rasse stammen eigentlich aus Thüringen. Gegenwärtig planen wir, unsere Käserei zu vergrößern. Der Umbau hat bereits begonnen“.
Zweites Ziel auf unserer Käseroute ist das 1991 entstandene Ökodorf Brodowin, inzwischen überregional bekannt (www.oekodorf.de). Heute ein Erfolgsmodell inmitten des Bio-Booms.
Erste Anlaufstelle für uns ist der prall gefüllte Hofladen, direkt neben der modernen Schaumolkerei. Von hier aus können die vielen Gäste den Demeter-Betrieb und das Dorf Brodowin entdecken. Uns begrüßt Katja von Maltzan, die Frau des Geschäftsführers Ludolf von Maltzan.
Sie gibt einen Kurzüberblick: „Insgesamt arbeiten im Landwirtschaftsbetrieb Ökodorf Brodowin über 170 fest angestellte Mitarbeiter. 200 Milchkühe, 300 Milchziegen und mehr als 2000 Hühner wollen versorgt und behütet sein. Direkt neben den Weideflächen liegt die hofeigene Meierei, in der täglich die frisch gemolkene Demeter-Milch eigener Tiere und von Partner-Höfen verarbeitet wird. Durch eine große Glasfassade können sie dabei zuschauen und miterleben, wie z. B. Quark und Käse hergestellt werden. Unser Hofladen platzt inzwischen aus allen Nähten. Wir werden im Herbst mit einer Erweiterung beginnen und auch Plätze schaffen für Bio-Gastronomie“. Die Brodowiner Landwirte nutzen zudem mit ihrer Idee Lebensmittel-Lieferservices den Nerv der Zeit für Kunden in Berlin und Brandenburg. Online bestellbar ist eine Auswahl von 2.500 Artikeln, darunter fertige Kisten mit Obst und Gemüse, wie Regionalkiste, Schonkostkiste oder Singlekiste. Der Renner von allen: die Brodowiner Schatzkiste unter shop.brodowin.de.
Viele Nummern kleiner gestaltet sich das Landleben auf dem Demeter-Hof Schwalbennest von Martina und Ullrich Bressel in Pehlitz am Parsteinsee. Als unmittelbare Nachbarn von Brodowin bauen sie Obst und Gemüse an, halten fünf Kühe, 60 Milchschafe, 66 Lämmer und 50 Küken. Der Hof hat zur Zeit 23 ha landwirtschaftliche Nutzfläche. Davon sind etwa 10 ha Ackerland, der Rest Wiesen und Weiden. Allein ist es aber nicht zu schaffen, den Hof zu bewirtschaften. Hilfe kommt von Auszubildenden, Jugendlichen, die ihr Freiwilliges Ökologisches Jahr absolvieren und interessierten Schülern.
„Wir bräuchten mehr Fläche“, meint die Landwirtin. Im Hofladen ein Sortiment frischer Käsesorten, Quark und Joghurt. Dazu Apfelsaft und Fruchtmus aus den Früchten ihrer Hochstamm-Obstwiese. Für die begehrten Weihnachtsbraten werden ab Juni 100 Enten und 100 Gänse gehalten mit eigenem Wasserauslauf im Hofteich. https://www.hofschwalbennest-brodowin.de/
Das nächste Etappenziel der Biohöfe liegt ganz im Norden von Brandenburg, in Uckerland: Die Bauernkäserei Wolters in Bandelow.
Einen solch beeindruckenden Hofladen mit Massen von Sorten an Käsedelikatessen, Joghurt, Biofleisch und Wurst und Zutaten hatten wir noch nicht erlebt. Allein Duft und Farben vom Verkaufstresen bringen Vorfreude auf den Speisegenuss. Dahinter wirkt die Familie von Pieter Wolters, denen ihr Hof in Holland zu klein geworden war. Nach vergeblicher Suche von Land in Dänemark, Frankreich und Texas wurde man in Brandenburg fündig. Anfang der 1990er Jahre bot sich die Gelegenheit, in der Uckermark einen größeren Betrieb zu bewirtschaften. „Wir halten unsere 500 Kühe und 500 Jungtiere und Kälber in Offenställen“, so der Züchter. „Unser Ziel ist es, auf dem Hof so viel wie möglich selbst zu erzeugen. So behalten wir alles in einer Hand, vom Grashalm über die Kuh bis zur Käse- und Molkereiproduktion“. Aus der gehaltvollen Milch der „Schwarzbunten“ macht die Hofkäserei die Sorte Gouda, hier „Uckerkaas“ genannt.
Während der Pandemieperiode war der regionale Markt weggebrochen, da die Wolters auch viele Gaststätten beliefern. Heute gibt es wieder neue Zukunftspläne. Die Stallungen sollen erneuert und verbessert werden. Alles für ein angenehmes Umfeld für die Rinder. Ein weiteres Plus in Bandelow gibt es aber schon länger: Die Fahrradroute Berlin-Usedom tangiert direkt die hofeigene Ucker-Eisdiele. www.uckerkaas.de
Züchter Wolters und seine Rinder
Teilstrecke 2: Stolzenhagen – Alt-Tucheband - Buchholz
Von Bandelow reisen wir südwärts zum nächsten Hof in Lunow-Stolzenhagen. Er nennt sich „Stolze Kuh“ und ist seit 2014 in den Händen von Anja und Janusz Hradetzky.
Im bäuerlichen Demeter-Betrieb steht die wesensgemäße, naturnahe Milchviehhaltung mit kuhgebundener Kälberaufzucht, behornten Tieren, Vollweide, Bullen in der Herde und Heu-Fütterung im Winter im Mittelpunkt. 30 Kühe alter Zweinutzungsrassen weiden auf Naturschutzflächen des Nationalparkvereins Unteres Odertal. Die Käseherstellung betreut Käsemeisterin Katharina, die uns gleich ihre aktuellen Kreationen Schnittkäse Bockshornklee, Schwarzkümmel sowie Pfeffer und Natur vorstellte. Eine spezielle Sorte hat sie Crotte de Vache getauft.
Die Besonderheit für alle Käseangebote: Jede Charge hat andere Nuancen. Das kommt daher, dass die Kühe auf großen Weiden ihr Futter selber suchen. Ähnlich ist es mit dem Fleisch mit hoher Nährstoffdichte, weil die Tiere ihr ganzes Leben auf der Weide Gras und Kräuter fressen. Der Hof der Hradetzkys gehört zum Netzwerk der Demonstrationsbetriebe Ökologischer Landbau. Hier kann auch ein Weidebesuch angemeldet oder beim Melken am Weidemelkstand zugeschaut werden. www.stolzekuh.de
Unsere nächste Visite führt uns zum Oderbruch Hof in Alt-Tucheband. Hier dominiert in der Herde die Rasse Weiße Deutsche Edelziege, bekannt für ihre sehr gute und hohe Milchleistung. Auf dem Hof leben 35 bis 45 Ziegen, die alle einen Namen haben. Dazu gesellen sich zwei Hütehunde. Das Ehepaar Nickel hat den Hof im Januar 2011 übernommen und diesen wieder zu einem kleinen Bauernhof ausgebaut. Sie wären schon etwas weiter, wenn nicht die C-Pandemie zu Einbußen geführt hätte. Das Projekt Stallausbau fordert auch viel Kraft und Finanzen. Die Tierhaltung unter einem Blechdach hat zudem viele Tücken. Jedenfalls floriert der Hofladen jetzt wieder mit Ziegenkäse, Fleisch und Wurst von der Ziege, Ziegenfrischkäsepralinen, handgemachten Ziegenmilchseifen und Fellen. Und die Oderbrucher freuen sich schon auf die diesjährige Brandenburger Landpartie am 12.und 13. Juni. www.oderbruch-hof.de
Langsam nähern wir uns der selbstgesetzten Zielmarke auf der Käsestraße: der Fürstenwalder Agrarprodukte GmbH in Buchholz.
Ein landwirtschaftlicher Großbetrieb mit insgesamt 3.400 Hektar Ackerfläche. Inzwischen in 2. Generation führen die Geschwister Benjamin und Fabian Meise die Geschäfte. Ein ganz wichtiger Pfeiler der Gesellschaft ist Jens Abelt, der Herdenmanager für die insgesamt 740 Kühe.
Unter Verzicht von gentechnisch veränderten Futtermitteln werden täglich ca. 20.000 kg QM-zertifizierte Milch produziert. Die Verarbeitung erfolgt dann zum Großteil gleich in der eigenen Molkerei. Dabei hat sich die Firma mit einem agrarischen Vollprofil ein interessantes Alleinstellungsmerkmal geschaffen: die „MilchQuellen". Das sind öffentliche Milchzapfanlagen, an denen zapffrische Hofmilch bezogen werden kann. Wir haben die Tanksäule im Hofladen nicht bedient, da empfohlen wird, die Frischmilch vor dem Verzehr auf 72 Grad zu erhitzen. Insgesamt werden 22 dieser Automaten im Berliner Umland täglich frisch beliefert. Milch mit Originalgeschmack. www.milchquelle.de
Brandenburger Milch & Käsestraße
Wie alle Milchbauern haben auch die Buchholzer ihre Probleme mit den unterbewerteten Milchpreisen, die eine stabile Entwicklung der Höfe ausbremsen. Als Zukunftsprojekt beteiligen sie sich aktiv am neuen Kooperationsnetzwerk „Klimagerechte Bauernhöfe“. Das sieht unter anderem auch Energieanlagen auf stillgelegten Flächen vor, auf denen das Regendefizit in Brandenburg stetig größer wird. Insgesamt zeigt die Fürstenwalder Agrarprodukte GmbH, wie nachhaltige Landwirtschaft im Einklang mit der Natur funktionieren kann. www.agarfrisch.de
ReiseTravel Fact: Unsere 2-Tage-Käsetour führte durch schattige Alleen, über glatte Straßen und holprige Dorfwege. Allein das Erlebnis Landschaft war diese Reise wert. Mit Stand 2021 haben sich insgesamt 35 Hof- und Dorfkäsereien sowie Käsefachgeschäfte der Brandenburger Milch- & Käsestraße angeschlossen. Interessierte können bei Hofbesuchen Menschen und Tiere kennenlernen, die Käsereien besichtigen sowie die Produkte probieren und kaufen. Zudem gibt es Angebote für Hofkäse-Schulen, in den Besucher selbst Käse herstellen und erfahren können, wie beschwerlich die Käserei ist. Ob in der Uckermark, im Oderbruch, im Spreewald, in der Niederlausitz oder in Potsdam – auf allen Höfen leben und arbeiten engagierte Hofkäserinnen und Hofkäser und verarbeiten feinste, naturbelassene Milch von Kühen, Büffeln, Schafen und Ziegen. Daraus wird würziger Käse, cremiger Joghurt und Quark oder feines Hofeis. Zum Beispiel das berühmte Brandenburger „Fürst-Pückler-Eis“ aus Vanille-, Erdbeere- und Schokoladeneis. Viel Vergnügen beim Schlemmen. www.hofkaese.de
Ein Beitrag mit Fotos für ReiseTravel von Günter Knackfuß.
Freier Journalist in Berlin.
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