Berlin

Autor und Regisseur aus Tschechien arbeiteten erfolgreich zusammen

Bohumil Hrabal kam im mährischen Brünn 1914 zur Welt und der Schriftsteller ist 1997 verstorben. Aus Anlass seines 100. Geburtstages lud die tschechische Botschaft in Berlin Mitte und das „Festival tschechische Kunst und Kultur Prag Berlin“ zu einer Feier ein. Der 1938 in Prag geborene Schauspieler, Regisseur und Oscar Preisträger Jiri Menzel ließ das Leben seines Landsmannes Revue passieren. Zahlreiche Werke des Autors hat der Regisseur verfilmt. Oft arbeitete Bohumil Hrabal mit Jiri Menzel zusammen. Der Schriftsteller schrieb die Drehbücher der Filme. 1966 schrieben Jiri Menzel und der Autor zusammen das Drehbuch des Films „Liebe nach Fahrplan.“ Menzel war der Regisseur des Films und erhielt in Hollywood den Oscar für dieses Werk als bester ausländischer Film. Mit bewegenden Worten erinnerte der Filmemacher an das Leben des großen Schriftstellers, der im Laufe der Zeit ihm zu einem Freund wurde. Nach dem Abitur 1935 studierte Hrabal Rechtswissenschaften und promovierte sogar. Jiri Menzel wies darauf hin: „Erstaunlicherweise war er Zeit seines Lebens nie als Jurist tätig.“ Im Zweiten Weltkrieg arbeitete er bei der Eisenbahn. Aus diesem Lebensabschnitt verfasste er später die Bücher mit persönlicher Note zu „dieser Arbeit mit den Zügen und Waggons. Seine Werke „Liebe nach Fahrplan“ und „Zuglauf überwacht“ belegen das.“ Nach dem Krieg war er Hilfsarbeiter am Hochofen eines Stahlwerkes. 1953 erlitt er einen schweren Arbeitsunfall und war dann als Packer bei einem Kartonhersteller tätig. Danach verdiente er seinen Lebensunterhalt als Versicherungsagent, später als Reisender. Bereits 1930 verfasste der Künstler seine ersten Gedichte und Kurzgeschichten. Er fand aber niemanden, der seine Werke veröffentlichen wollte. Erstmals 1950 konnte Hrabal in kleinen tschechischen Lokalzeitungen Kurzgeschichten und Gedichte veröffentlichen. Geld erhielt er dafür allerdings nicht. Im Jahre 1963 war er dann so erfolgreich als Autor, dass er hauptberuflich vom Schreiben leben konnte und durfte. In der CSSR wurden die Autoren vom Staat nicht nur überwacht. Die Staatsmacht legte auch fest, wer Schriftsteller von Beruf sein durfte. Bekannte Werke von ihm sind „Schöntrauer“, „Ich habe den englischen König bedient“, „Hochzeiten im Hause“, „Ein Mädchenroman“, „Die Schur“ und „Lerchen am Faden“, für das er 1969 auch das Drehbuch schrieb. Sein Oscar gekröntes Werk war eine Politsatire und kritisierte die Verhältnisse in der CSSR. Im Rahmen des beginnenden politischen Tauwetters in der Tschechoslowakei, dem Prager Frühling, störten sich die Verantwortlichen in der Regierung und im Staatsapparat nicht an diesem Werk. Sie gingen sogar begeistert ins Kino und amüsierten sich über den Streifen. Zudem teilten sie Jiri Menzel mit, dass es sie mit Stolz erfülle, einer ihrer Landsleute habe den Oscar erhalten. Nach dem Einmarsch der Warschauer Pakt Staaten im August 1968 änderte sich alles gravierend für den Autor und den Regisseur. 1970 erhielt der Schriftsteller Berufsverbot. Im selben Jahr erhielt Jiri Menzel Drehverbot und durfte nur noch an Theatern arbeiten. Den gemeinsam angefertigten Film „Lerchen am Faden“ sahen die CSSR Behörden als Angriff auf die kommunistische Partei der CSSR an. Nach dem Sturz von Parteichef Alexander Dubcek ordneten die Hardliner im Politbüro an, der Film „gehöre in den Giftschrank. Dem Volk könne so etwas gar nicht zugemutet werden.“ Hrabal ließ sich vom Schreibverbot nicht abhalten. Sein Werk „Ich bediente den englischen König“ schmuggelten Vertraute aus der CSSR heraus. Das Buch veröffentlichte 1978 ein Verlag in Köln. Erst nach dem Einzug von demokratischen Verhältnissen durfte Ende 1989 erstmals der Film „Lerchen am Faden“ wieder gezeigt werden. Die tschechische Filmkommission nominierte dieses Werk zu den Berliner Filmfestspielen, der Berlinale. 1990 gewann dieser Streifen den Goldenen Bären. Von 1991 bis 1997 druckte ein tschechischer Verlag sämtliche Werke des Autors. Dabei kamen 19 Bände heraus. Das Werk „Ich bediente den englischen König“ verfilmte Jiri Menzel 2005. Hilfreich zur Seite stand ihm wieder sein Freund, der Schriftsteller. Er war als Berater am Set. Menzel berichtete: „Mir gefiel, dass er mich mit seinem Werk tun und machen ließ, was ich wollte. Er sagte zu mir: Du bist für den Film verantwortlich, nicht ich. Ich bin für das Buch verantwortlich, nicht Du.“ Der Regisseur erklärte dem Publikum, von Anfang an war beiden Kulturschaffenden klar: „Das ganze Buch bekommen wir nicht in einen Film gepresst.“ Also mussten einige Abschnitte und Kapitel aus dem Buch weggelassen werden in der Filmversion. Beide hatten dafür eine sehr gute Begründung: „Irgendwann tut dem Kinobesucher der Hintern vom vielen Sitzen im Kinosessel weh.“ Ein Film hat nun einmal eine vorgeschriebene Länge, die nicht überschritten werden darf. Der Prager Filmemacher sagte auch: „Der Leser saugt das Werk anders auf als der Zuschauer.“ Es ist eine Tatsache, die heute an Filmhochschulen immer noch gelehrt werde: „Das Buch kann nicht wortwörtlich in einem Film adaptiert werden.“ Oscar – Preisträger Jiri Menzel konnte auch berichten, wie bescheiden sein Freund war. „Er meinte einmal zu mir: Ich bin gar kein Schriftsteller. Diese Ehren stehen ganz anderen Autoren zu. Ich schreibe nur nieder, was mir einfällt. Also bin ich nur ein Niederschreiber.“ Dieser „nur Niederschreiber“ ist jedoch weltweit bekannt und seine Werke wurden in 27 Sprachen übersetzt. www.f-p-b.de

ReiseTravel Fact: Mit sehr viel Emotionen berichtete ein Oscar Preisträger von seiner Zusammenarbeit mit seinem Freund, dem Autor. Jiri Menzel zog mit seinen Ausführungen die Zuhörer in seinen Bann. So manche Begebenheiten beim Filmset, die noch nicht allgemein bekannt waren, konnte er berichten. Für den mittlerweile über ein ¾ Jahrhundert alten Filmemacher steht fest, dass der 1997 verstorbene Autor eine kaum zu schließende Lücke in der tschechischen Literatur hinterlassen hat. Heute ist eben alles anders als früher, so der Regisseur. Kein Autor schreibt seine Werke noch mit Schreibmaschine. Er müsse jetzt mit HD die Filme drehen, das gute alte Zelluloid ist aus der Mode gekommen. Jiri Menzel trauert seinem guten Freund und den damaligen Arbeitsbedingungen nach.

Ein Beitrag für ReiseTravel von Volker T. Neef.  

Volker T. Neef ReiseTravel.euUnser Autor berichtet aus der Bundeshauptstadt und ist in Berlin wohnhaft.

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