Heike Bachelier | Ein ganz normaler Feind – Ein Blick in die Vergangenheit |
Ein ganz normaler Feind – Heike Bachelier – Droemer
Berichte, Zeugenbefragungen, Verhörprotokolle: Dies ist das Ergebnis der Beschäftigung des Staatssicherheitsapparates mit einer einzigen Person. Mit Peter Wulkau. Dabei war er weder prominenter Regimekritiker oder gar Staatsfeind Nr.1. Peter Wulkau war einfach nur ein Mann, der im Zuge des Prager Frühlings etwas zu laut über einen Dritten Weg in der DDR nachdachte. Er war einfach nur ein Mann, der sich mit dem real existierenden Sozialismus nicht abfinden wollte. Er las die falschen Bücher und hatte einen Vater auf der falschen Seite des Eisernen Vorhangs. Das reichte, um aufzufallen, um zu einem Operativen Vorgang zu werden. Das reichte, um ihn vom Studium zu suspendieren.
Ein ganz normaler Feind: Als Peter Wulkau versuchte, das Manuskript seines satirischen Romans nach Westdeutschland zu schmuggeln, schlug die Staatsgewalt wieder zu: Viereinhalb Jahre Knast. Nach zwei Jahren wurde er amnestiert und von der Bundesrepublik freigekauft. Soviel zum Leben eines ganz normalen Feindes.
Die Filmemacherin Heike Bachelier erzählt Peter Wulkaus Geschichte aus der Perspektive der 40 IMs. Es ist die Perspektive der Berichte, Verhöre, Protokolle. Die Perspektive der Akten. Heike Bachelier hat die Dokumente neu montiert, zu einer Collage verdichtet, und so dringt der Leser über die Quellen in die Realität eines Staates ein, indem Denunziation und Intrige eben nicht nur von der Geheimpolizei ausging, sondern tief in der Bevölkerung begründet war. Die Geschichte des Peter Wulkau ist nicht nur die Geschichte eines nicht linientreuen Individuums, sondern auch die Geschichte derjenigen, die auf ihn angesetzt waren: Kommilitonen, Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen und sein Zellengenosse. Das Beobachten der Beobachter im Prozess des Lebens öffnet den Blick auf die Psyche und Funktionsmechanismen ganz normaler Spitzel.
Heike Bacheliers ungewöhnliche Textmontage, die ein wenig an Kempowskis „Echolot“ erinnert, ist keine dramatische Ästhetisierung von Zeitgeschichte, sondern eine nüchtern-schmerzhafte Dokumentation von Verrat und Niedertracht eines Systems und ganz normaler Menschen.
ReiseTravel: Hochaktuell und immer noch ein brisantes Thema. Spannend geschrieben, wie ein Krimi. Nur: So war das Leben!
Ein ganz normaler Fall von Heike Bachelier, Droemer, ISBN 978-3-426-27575-7, www.droemer.de
Das Buch kostet im Buchhandel 22.90 Euro.