Heidrun Lange | Albtraum Betreuung – LangenMüller Verlag |
Was passieren kann, wenn man zum Betreuungsfall wird: Ein aufrüttelnder Erfahrungsbericht und Aufklärungsbuch in einem.
Autonomie bis ins hohe Alter ist in unserer Gesellschaft ein wertvolles Gut. Doch was ist, wenn man durch Krankheit, Unfall oder Demenz nicht mehr Herr seiner Sinne ist? Für diesen Fall haben die meisten nicht vorgesorgt.
Welche Folgen das haben kann, hat Heidrun Lange selbst erlebt: Für ihre Eltern wurde ein externer Betreuer vom Gericht bestellt, der fortan auch über deren Aufenthalt und die Familienfinanzen verfügte. Ihre Erfahrungen, vor allem wie Betroffene und Angehörige dem „System Betreuung“ ausgesetzt sind, hat sie in Tagebuchform festgehalten. Ihr Buch ist ein persönlicher Erfahrungsbericht, aber auch ein Aufklärungsbuch, das die Rechtslage in Deutschland erklärt. Ein eindringlicher Appell, sich mit dieser existenziell wichtigen Thematik auseinanderzusetzen.
Nicht nur für das Begräbnis vorsorgen: Denn Heidrun Lange hätte nie geahnt, dass ihre Eltern ohne eigenes Verschulden eine rechtliche Betreuung erhalten würden. Ihre Eltern hatten nicht vorgesorgt, sie hatten keine Vorsorgevollmacht und keine Betreuungsverfügung ausgefüllt. „Wir werden sicher innerhalb der Familie klären, was mit uns im Alter passiert“, so die Antwort ihres Vaters, als wir sie nach diesen wichtigen Dokumenten fragten. „...und außerdem lassen wir uns nicht entmündigen!“ Mit einem Vertrag für das Begräbnis für war Heidrun Langes Vater alles geregelt. Unter den Geschwistern gab es Streit wegen der Pflege und Finanzen. Deshalb beantragte der Bruder beim Amtsgericht eine rechtliche Betreuung. Ein Gutachter schätzte die Gesundheit des Vaters ein, es folgte die Anhörung durch die Amtsrichterin. Das Gespräch dauerte nur 20 Minuten. Ohne zu ahnen, was das bedeutet, stimmte ihr Vater einer Betreuung zu. Er wusste nicht, dass ab dem Zeitpunkt eine fremde Person über seine Unterbringung, über Gesundheitsmaßnahmen und seine Geldangelegenheiten entscheidet. Er dachte, da geht jemand mit ihm spazieren und unterhält sich mit ihm. Später wurde auch die Mutter unter rechtliche Betreuung gestellt. Die Eltern wurden für Monate im Pflegeheim getrennt. Dem Vater war vom Heimpersonal vorgeworfen worden seine Frau geschlagen zu haben. Die Polizei, die der Heimleiter gerufen hatte, hat diesen Vorwurf entkräftet. Dennoch blieb das Paar, das seit über 60 Jahren verheiratet war, getrennt. Besuche oder gemeinsame Ausflüge wurden untersagt. „Es tat mir jedes Mal sehr weh, wenn ich zusehen musste, wie sie sich gegenseitig suchten", sagt Heidrun Lange. Ihre Familie schaffte es nach zähem Kampf mit den Behörden, dass die Eltern einen neuen Betreuer bekamen und in ein neues Heim durften. Nach zwei glücklichen Monaten verstarben sie kurz hintereinander.
Experten empfehlen: Alle Personen ab 18 Jahre sollten eine Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung anfertigen. Denn mit der Volljährigkeit erlischt das Bestimmungsrecht der Eltern. Was viele nicht wissen: Selbst Eheleute können nicht automatisch für den anderen entscheiden. Auch hier ist die Erteilung einer Vollmacht erforderlich. „Im Betreuungsrecht ist der Schutz der Familie außer Kraft gesetzt“, warnt Professor Volker Thieler, der sich als Anwalt auf Betreuungsrecht spezialisiert hat, in Heidrun Langes Buch „Albtraum Betreuung“. „Der Richter muss die Angehörigen nicht fragen, welche Entscheidungen er vorhat, zu treffen.“ Und: „Diese haben kein Mitspracherecht, wenn sie nicht vorher versucht haben, dem Verfahren beizutreten.“
ReiseTravel Fazit: Jeder kann durch Unfall, Krankheit oder Alter in die Lage kommen, wichtige Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln zu können. Ist eine Vorsorgevollmacht ausgefüllt, kann diese Person für den Verfasser handeln. Der Umfang der Vollmacht kann im Detail festgelegt werden. Eine gesetzliche Betreuung kann so ausgeschlossen werden. Mit der Betreuungsverfügung legt man indes fest, wer im Vorsorgefall Betreuer werden soll. Liegen diese Dokumente nicht vor, bestellt das Gericht einen Betreuer. Vorsorgemappen gibt es im Buchhandel, bei den Gleichstellungsbeauftragten der Gemeinden, bei Verbänden und im Internet. Formulare gibt es zum Beispiel auf der Internetseite des Bundesjustizministeriums. Von Gabi Dräger.
Albtraum Betreuung von Heidrun Lange, LangenMüller Verlag, Sachbuch, 208 Seiten, Hardcover, ISBN 978-3-7844-351-90, www.herbig.net
Das Buch kostet im Buchhandel 18,00 Euro.
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