Gronau: Pralle 304 Seiten stark ist das Lindenberg´sche Nachschlagewerk mit noch nie oder lange nicht mehr veröffentlichten Fotografien. Hp Dickel berichtet von einem Städtchen an der holländischen Grenze, dessen damals boomende Textilindustrie ebenso bekannt war, wie seine Musikszene. Dixie, Jazz und Beat gaben in Kellern, Gaststätten und Sälen den Ton an. „Immer auf heißer Spur“ unterwegs war ein damals noch unbekannter Udo Lindenberg. Wer dieser Sohn eines Klempners wirklich war, wie Stadt und Freunde ihn beeinflusst haben bis Udo mit „Daumen im Wind“ an der Ausfahrtstraße der Provinz stand, und wie aus dem talentierten Trommler schließlich eine prägende Figur der deutschen Rockmusik wurde, lässt der Autor wie einen Kinofilm vor den Augen der Leser Revue passieren. Gut, über Lindenberg sei bereits alles gesagt und geschrieben, räumt Dickel ein. Aber es gebe doch noch etwas zu ergänzen. Dass diese „Ergänzungen“ letztendlich zwei Bände füllen sollen, lassen auf einen satten Fundus schließen. Immer noch steht Hp in engem Kontakt mit dem Deutschrocker und ist fast so etwas wie ein persönlicher Chronist des Wahlhamburgers aus der verblichenen Hochburg der Spinnerei-Fabriken geworden.

Hanspeter Dickel: Der Buchautor wurde 1945 im westfälischen Gronau geboren und war in den 1960er Jahren Mitbegründer und Bassist der Beatband „The Lightnings“, für die auch Lindenberg kurze Zeit die Stöcke schlug. Nach einer Ausbildung zum Sozialarbeiter lebte Dickel von 1970 bis 1986 in Berlin, studierte Geografie, Geologie, Biologie und spielte in Charlottenburg Theater. Ab 1991 war er 15 Jahre Gronaus Stadtarchivar. Dort ist der Musiker seit über 40 Jahren auch als freier Autor tätig, schreibt Bücher zu insbesondere historischen und landeskundlichen Themen, moderiert literarisch-musikalische Veranstaltungen und begleitet jedes Jahr „Panikhistorische Rundgänge“ auf den Spuren von Udo Lindenberg.

ReiseTravel Fact: Wer bisher meinte, nach dem musikalischen Leinwandzauber „Lindenberg! Mach Dein Ding“ alles über den Panik-Präsidenten zu wissen, der war im falschen Film. Eine Turmspringerin war in Gronau nie die Flamme des jungen Udo. Von dessen ersten musikalischen Gehversuchen erfährt der Zuschauer so gut wie nix. Gronau ist kaum im Bild. Und die Darstellung des Bruders? An der Realität gemessen nur ein filmreifer schlechter Witz. Nicht nur, welchen nachhaltigen Einfluss der ältere Bruder Erich auf den kleinen Udo hatte, sondern auch dessen Werdegang als Maler sowie der wahren Geschichte über das Mädchen „Cello“ widmet das Buch ein Kapitel. Ein Tonfall, manchmal liebenswert melancholisch und wehmütig verklärt, swingt in den zu Papier gebrachten musikalischen Jugenderinnerungen mit. Ein bisschen Lokalgeschichte begleitet von einem Sound aus vergangenen Jahren, der nach Aufbruch und Jugend klingt.

In übersichtliche acht Zeitabschnitte gliedert der Autor seinen für Udo-, Beat- und Deutschrockfans unverzichtbaren aktuellen Wälzer. Fast 40 Weggefährten aus frühpanischen Zeiten tauchen „hinterm Horizont“ auf und beteiligen sich mit Anekdoten aus der Beatzelle Gronau am udonalen Bilderbuch der Erinnerungen. Mit Fleiß, Leidenschaft, mit Herz und Liebe zu einer Stadt und dessen Rocklegende hat der Herausgeber ein Werk zur deutschen Musikgeschichte hinzugefügt.

Und wem es noch unbekannt war, der weiß am Ende der Lektüre auch, dass in Gronau Deutschlands erstes und weltweit einziges Rock`n`Popmuseum steht. Untergebracht in der Turbinenhalle einer früheren Textilfabrik. Klar, dass da ne´ Menge Power drin ist, bei dessen Orchestrierung auch Udo Lindenberg mitspielte. „Wie schön, dass auch Band II bereits aus dem lindischen Orbit im Anflug ist“, gibt das Unikat mit Hut zu Protokoll. Bis dahin: Lindenberg-CD oder Knister-LP auflegen und blättern in der „UDO Wunderwelt“, Band 1. Von Manfred Lädtke. Gronau UDO Wunderwelt. Von Hanspeter Dickel, Verlag Hp Dickel, Ten-Brinke-Straße 2, 48599 Gronau/Westfl. Kontakt udobuch@hanspeter-dickel.de. Telefon 02562–5747. 303 Seiten. ISBN 3-928 360-34-5.

Das Buch kostet beim Herausgeber 39,90 Euro.

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