Die losen Seiten eines Märchens: „Die Perlenkarawane“ haben Helge Timmerberg in den Bann gezogen. Eigentlich sind Märchen nicht sein Ding, aber von diesem Märchen und der Märchenerzählerin ist er nicht mehr los gekommen.

Seit einer Winternacht in Berlin vor über dreißig Jahren ist Helge Timmerberg von dem Thema – und von seiner Erfinderin, Elsa Sophia von Kamphoevener fasziniert. Sie kam in Hameln zur Welt und ritt, als Mann verkleidet Anfang des 20. Jahrhundert jahrelang durch das Weltreich der Sultane, um an den Feuern der Karawansereien den Märchenerzählern zu lauschen. Die alten türkischen Märchenerzähler waren das „Kino der Nomaden“, das jeden Abend aufgeführt wurde. Später hat sie wiederum als Mann verkleidet sogar als Märchenerzähler in den Karawansereien gearbeitet. Helge Timmerberg ist ihren Spuren nach Ägypten, Marokko, Türkei und an den Chiemsee gefolgt, um über sie ein Drehbuch zu schreiben. Nebenbei wurde er von heftigem Liebeskummer befreit und hat seinen Vater wiedergefunden. Mehrmals hat er Geld von Sponsoren für ein Drehbuch bekommen, dass er dann aber für seine Reisen ausgab, ohne je das Drehbuch zu schreiben. Helge Timmerberg hatte die Schauspieler in Gedanken in seinem neuen Buch schon für den Film über die Märchenerzählerin ausgewählt, obwohl das Drehbuch noch lange nicht fertig ist. Er hat in seinem Buch Sean Connery, Omar Sharif, Anthony Quinn und Armin Müller-Stahl schon vorgeschlagen. Die fremde Welt des Orients mit Derwischen, Dschinns, Geistern, Traumverkäufern, Bazaren und der Schönheit von Sternennächten über Beduinenzelten, entschlüsselt Helge Timmerberg. Das Buch endet mit der „Moral von der Geschicht“: Reichtum ist auch nur ein Sandkasten auf dem Spielplatz unserer Träume, und das Wesen der Träume ist, dass wir sie verlieren, wenn sie in Erfüllung gehen.

Auszug aus dem Buch: „Wisst ihr, wie der Sultan des Osmanischen Reiches seine Palastgärten zu beleuchten pflegte, wenn er ein Fest gab?“ Die Märchenerzählerin spricht. Man sieht sie nicht. Man hört nur ihre warme, tiefe Stimme. „Er ließ auf den Panzern von 2000 Schildkräten Kerzenlämpchen anbringen. Langsamer hat sich ein Licht nie bewegt.“ Vorhang auf. Eine leuchtende Schildkröte schleicht an diamantenbesetzten Türkenpuschen und golddurchwirkten Beinkleidern vorbei.

Helge Timmerberg, geboren 1952 in Dorfitter in Hessen, ist Abenteurer, Journalist und Reiseschriftsteller. Mit siebzehn reiste er zum ersten Mal nach Indien, dort beschloss er Journalist zu werden. Er schreibt Reportagen aus allen Teilen der Welt, unter anderem für "Stern", "Die Zeit", "Merian" und "Playboy". Sibylle Berg, die deutsch-schweizerische Schriftstellerin über ihn: "Den ersten richtig großen und tiefen Neid empfand ich, als ich Helge Timmerberg kennenlernte. Er war in meiner Generation der beste Schreiber Deutschlands und der freieste Mensch, den ich jemals getroffen habe."

Elsa Sophia von Kamphoevener, die Märchenerzählerin wurde am 14. Juni 1878 in Hameln geboren und starb am 27. Juli 1963 in Marquartstein. Sie wuchs in Konstantinopel auf und hat den Erzählungen der Händler und Handwerker im Bazar gelauscht. Nach der Heirat mit Adolph von Elterlein und der Geburt ihres Sohnes verließ sie 1906 für immer die Türkei. Sie heiratete noch drei Mal. 1951 hat sie beim Süddeutschen Rundfunk ihre Märchen vorgelesen und später als Buch veröffentlicht. Elsa Sophias Bruder behauptete, dass sie keine gute Reiterin gewesen ist. Helge Timmerberg schreibt, dass sie Angst vor Pferden hatte. Hat sie die Märchen selbst gesammelt oder ist alles nur in ihrer Fantasie geschehen? Aber was erwartet man von einer Märchenerzählerin? Von Gabi Dräger.

Die Märchentante, der Sultan, mein Harem und ich von Helge Timmerberg, Piper Verlag, www.piper.de  

Das Buch kostet im Buchhandel 19.99 Euro.

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