Franz Hartl | Brauchen wir eine AUA? |
Überdurchschnittliche Betroffenheit der Tourismusindustrie
Corona COVID-19: An das Jammern und Wehklagen von Branchen im Zusammenhang mit der Corona-Krise haben wir uns ja schon gewöhnt und auch daran, dass wir erleben mussten wie verflochten die Wirtschaftseinheiten untereinander sind und wie gering ausgeprägt ihre Widerstandsfähigkeit.
Was die Betroffenheit der Wirtschaftszweige anlangt, ist die Tourismusindustrie und da wiederum die Fluglinien und die Kongress- und Tagungswirtschaft an erster Stelle. Vor allem Fernreisen sind unter Umständen noch längere Zeit tabu. Das Zusammentreffen vieler Menschen an einem Ort wird wohl auch noch lange nicht erlaubt sein. Ein Branchenvertreter hat es auf den Punkt gebracht: „Der Tourismus ist nicht für Social Distancing gemacht.“ Stellt doch das Zusammentreffen von Menschen eine der wesentlichen Inhalte von Urlaubsreisen und Zusammenkünften jeglicher Art dar.
Zeitgleich mit der Betroffenheit durch den Ausfall der Kunden haben sich jene Unternehmen und Unternehmensvertreter an die Regierung um Hilfe und Unterstützung gewendet, die durch Betriebsschließungen oder Reisebeschränkungen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Aber bislang hat noch kein Unternehmen eine Sonderbehandlung beantragt, weil es mit der Obergrenze von derzeit max. 120 Mio. Euro an Unterstützung nicht das Auslangen finden wird.
AUA fordert Unterstützung in Millionenhöhe
Die Austrian Airlines AG versucht, den leichtesten Weg einzuschlagen, den vor ihr schon eine DDSG oder in lange vergangenen Zeiten eine VOEST eingeschlagen hat, und fordert eine Verlustabdeckung durch den Staat. Hier liegt der Fall jedoch nicht so einfach wie bei einem bislang erfolgreichen Hotelier, der durch die behördliche Betriebsschließung seine Erwerbsmöglichkeiten eingebüßt hat und sich plötzlich an den Rand der Zahlungsfähigkeit gedrängt sieht.
Um die Welt der Fluglinien zu verstehen, muss man die Dinge aus der Vogelperspektive betrachten und da zeigt sich ein ziemlich differenziertes Bild: Mit mehr Flügen und mehr Fluggästen wurden bei den Austrian Airlines 2019 weniger Erlöse nämlich rd. 2,2 Mrd. Euro erzielt. Dabei ist auch das EBIT ziemlich im Tiefflug und mit einer EBIT-Marge von 0,9 % alles andere als üppig.
Das Unternehmen ist dabei in guter Gesellschaft, denn auch die stolze Lufthansa bringt es 2019 bei Erlösen von rund 16 Mrd. Euro auf eine EBIT-Marge von 3,3 %, was wohl auch nur einen verhaltenen Applaus ihrer Aktionäre auslösen wird.
Der Preiswettkampf, am europäischen und internationalen Himmel ausgelöst durch Billigcarrier, sorgt dafür, dass die Bäume keineswegs in den Himmel wachsen. Die günstigen Preise führen zwar dazu, dass immer mehr Passagiere fliegen – die Bilanzergebnisse heben dabei aber nicht ab. Im Gegenteil - notwendige Einsparungsprogramme führen zu Arbeitskämpfen und Unmut unter der Belegschaft, zu Streiks und gestrandeten Passagieren.
Darüber hinaus werden Fluglinien wie die Alitalia schon mehr als ein Jahrzehnt durch Staatszuschüsse künstlich am Leben gehalten. Die Subventionen haben sich seit 2002 schon auf mehr als 10 Mrd. Euro summiert, ohne irgendeinen Sanierungserfolg zu erzielen.
Seit der Corona-Krise ist weltweit der Flugverkehr eingebrochen und besteht in der Hauptsache aus Gütertransport und Bedarfsflügen, weil Reisebeschränkungen und Ansteckungsgefahr das Passagieraufkommen gegen Null gehen lassen.
Experten gehen davon aus, dass sich die Flugreisetätigkeit langsam – zuerst in den Nahmärkten – erholen wird. Für Fernreisen wird eine zögerliche Rückkehr zur Normalität erst mit einer Impfung oder einem Medikament gegen Covid-19 erwartet.
Zumindest für die nächsten drei bis fünf Jahre ist mit einem Überangebot in der europäischen und wahrscheinlich auch globalen Flugindustrie zu rechnen.
Europäische Lösung für alle Fluglinien erforderlich
In diesem Umfeld wäre es kurzsichtig und dem Steuerzahler gegenüber verantwortungslos, einfach den Wünschen des AUA-Managements nach Zuschüssen nachzugeben. Es ist derzeit auch keineswegs abzusehen, ob die eingeforderte Unterstützung in Höhe von 800 Mio. Euro tatsächlich ausreichen wird und nicht ein Dauersubventions-Patient nach dem Muster von Alitalia entsteht. Dieses Thema sollte auf europäischer Ebene gelöst werden, wobei der Ball ohnedies schon in Brüssel liegt. Staatszuschüsse in Millionenhöhe bedürfen einer Einzel-Notifizierung durch die europäische Wettbewerbsbehörde. Sinnvoll und dringend anzuraten wäre natürlich auch eine noch zu beschließende Regelung, die ein einheitliches Vorgehen bei der Sanierung aller Fluglinien in Europa vorsieht.
Das „One-Time – Last-Time“-Prinzip, das im Falle von Alitalia ohnedies schon überstrapaziert wurde, muss strikt eingehalten werden. Es wird auch kaum anders möglich sein, als die Kapazitäten aller Fluglinien zu reduzieren, wenn sie Staatszuschüsse erhalten wollen. Schließlich sind bedarfsangepasste Kapazitäten eine notwendige Voraussetzung für eine dauerhafte finanzielle Gesundung aller.
Unser Autor Mag. Dr. Franz Hartl (geboren 1952) war jahrzehntelang Geschäftsführer der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank Ges.m.b. H. und verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Tourismusfinanzierung in Österreich. Durch Vortragstätigkeit an diversen Lehreinrichtungen wird sie an Studenten weitergegeben.
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