Chemnitz | Geschichte des Chemnitzer Opernhauses |
Anlass zum Neubau war der 70. Geburtstag des damaligem Königs am 23. April 1898, mit dem gleichzeitig die 25-jährige Regentschaft gefeiert werden sollte!
Ein neues Theater für Chemnitz: Für die Theaterfreunde und insbesondere für Liebhaber der Opernkunst hatte das 19. Jahrhundert eine stürmische Entwicklung mit sich gebracht: Wagners und Verdis Musikdramen sprengten die traditionellen Stadttheaterbühnen durch ihre szenischen wie orchestralen Anforderungen, Pfitzner und Strauss standen vor der Tür, Puccini und Schönberg sollten ihre Podien finden. Den Chemnitzern stand dafür nur das alte, 1838 errichtete und 1865 umgebaute ehemalige Actientheater auf der Theaterstraße zur Verfügung. (Das Thalia-Theater diente nur der Sommerbespielung.) Wagners Oper Die Meistersinger von Nürnberg mit fünf ersten Violinen und entsprechend reduziertem Orchesterklang entsprach nicht den klanglichen Anforderungen dieser Komposition und ließ den Ruf nach einer angemessenen Spielstätte lauter werden. Schon länger gab es den Plan, wie es Dr. Heinrich Beck, der damalige Oberbürgermeister der 200.000-Einwohner-Stadt Chemnitz formulierte, „ein König-Albert-Museum zu errichten und darin die Städtischen naturwissenschaftlichen Sammlungen, die Sammlungen der Kunsthütte, das Museum des Vereins für Chemnitzer Geschichte, das Museum des Handwerkervereins sowie eine hier neu zu begründende ständige Vorbildersammlung aufzunehmen“.
Chemnitzer Opernhaus
Anlass war der 70. Geburtstag des Königs am 23. April 1898, mit dem gleichzeitig die 25-jährige Regentschaft gefeiert werden sollte. Diese Idee reifte in den folgenden Jahren immer weiter und wurde schließlich durch den Plan ergänzt, den Bau des Museum mit dem Bau eines neuen Theaters zu verbinden. So favorisierte das im Jahr 1900 gegründete Hochbauamt die Absenkung des von der Königstraße (heute Straße der Nationen) zur St. Petrikirche abfallenden Geländes als zentralen Platz und einer seitlichen Aufstellung der Schillingschen Figurengruppe. Im Juni 1902 setzte sich dieser Plan zur weiteren Verfolgung durch, doch zwei weitere Jahre brauchte es bis zur Bestätigung durch die Gremien, und erst 1906 erfolgte der Baubeginn. Nach all dem Hin und Her um den Bau des Ensembles kann man den Stoßseufzer von Stadtbaurat Richard Möbius im August 1909 wohl nachfühlen, „dass ein Wandel der Anschauungen hoffentlich in Zukunft das Werk freundlicher betrachten lässt, als es beim Werden anzunehmen war.“ (Dass es in privater Unternehmerschaft auch schneller gehen kann, bewies das innerhalb Jahresfrist 1902 erbaute und eröffnete Centraltheater, das allerdings vornehmlich der kommerziellen Unterhaltung und weniger dem Kunstanspruch dienen sollte.)
Am 1. September 1909 konnte Richard Möbius sein Werk mit der Eröffnung des Neuen Theaters krönen, das 1.287 Personen einen Sitzplatz bot. Nach wie vor gehören seine Chemnitzer Bauten zu den die Stadt prägenden und sind von ihren Einwohnern, gleich ob es sich um Kulturbauten, Schulen oder das Neue Rathaus handelt, trotz vieler widriger Umstände durch historische Zeitläufe angenommen. Die feierliche Einweihung von Neuem Theater und König-Albert-Museum in Anwesenheit Friedrich Augusts III., der 1904 das Erbe seines Onkels Albert und seines Vaters Georg angetreten hatte, erfolgte unter lebhafter Teilnahme der Chemnitzer Bürgerschaft. Eingeleitet von Wagners Kaisermarsch und einem für diesen Anlass verfassten Prolog Emil Walthers mit Wallensteins Lager und der Festwiese aus Die Meistersinger von Nürnberg hatte Theaterleiter Richard Jesse gemeinsam mit seinem Team, zu dem u. a. der Dirigent Oscar Malata und der Regisseur Fritz Diener gehörten, ein Programm ausgewählt, das allen Spielarten gerecht werden sollte und zunächst keine Spezialisierung vorsah.
Im Jahr 1912 übernahm dann Anton Richard Tauber von Jesse den Posten als Pächter der Städtischen Bühnen, der erst 1918 in einen Anstellungsvertrag für einen Intendanten der Chemnitzer Stadttheater umgewandelt wurde. In seine bis 1930 dauernde Amtszeit fallen bedeutende künstlerische Ereignisse. Gleich zu Beginn ermöglichte er das Debüt seines Sohnes C. Richard Tauber als Tamino, der bereits ein Engagement an der Königlichen Hofoper Dresden in der Tasche hatte und von dort aus seine Weltkarriere startete.
Ein historischer Coup gelang dem Theaterleiter, als er die Stadtväter bereits Anfang 1913 dafür gewinnen konnte, die im folgenden Jahr ablaufende 30-jährige Schutzfrist des Bühnenweihfestspiels Parsifal – über deren von Bayreuth angestrebte Verlängerung noch nicht entschieden war – als endgültig anzusehen und Mittel für eine Sächsische Erstaufführung bereitzustellen. Die Stadt kam seiner Bitte mit einem Zuschuss von 30.000 Mark nach, die Dekoration wurde durch die Königlich Preußischen Hoflieferanten Kautsky und Rottonaro in Wien angefertigt, Chorverstärkung erhielt man durch den Lehrergesangsverein und den Chor der Jakobikirche, und so ging man denn zuversichtlich an die Verwirklichung eines Vorhabens, das die Chemnitzer Bühne zweifellos in den Vordergrund der deutschen Theaterlandschaft rücken sollte.
Die Aufführung am 13. Februar 1914 zur Gedenkfeier des Todestages Wagners bestätigte Tauber glänzend und verschaffte ihm den Rückhalt für die bevorstehenden Jahre, die, von kleineren Beschränkungen abgesehen, das Bestehen der Chemnitzer Theater trotz der Kriegswirren nicht ernsthaft in Gefahr bringen sollten. Neben der Anerkennung, die Richard Tauber seitens des Stadtrates als Intendant erhielt, würdigte man auch die Arbeit Oscar Malatas, indem er 1919 zum ersten Städtischen Generalmusikdirektor ernannt wurde. Das Repertoire, das Tauber im Neuen und Alten Theater aufbaute bzw. erweiterte, trug durchaus dem Geschmack der Chemnitzer Rechnung, beschränkte sich nicht allein auf Wagner, Strauss, Verdi und Bizet, sondern gab daneben Mozart und der Spieloper entsprechenden Raum. Tauber bemühte sich auch stets, Novitäten auf der Spur zu bleiben und sie in möglichst kurzem Abstand zur Uraufführung vorzustellen.
Zusätzliche Attraktivität gewann er für sein Haus durch die Einführung alljährlich wiederkehrender Festspiele mit Gesamtgastspielen der namhaftesten deutschen Bühnen aus Berlin, Wien und Dresden sowie mit Einladungen an die angesehensten zeitgenössischen Komponisten zu Dirigaten eigener Werke. Mehrfach waren so Richard Strauss, Eugen d'Albert, Siegfried Wagner und Hans Pfitzner in Chemnitz zu Gast.
1925 wurde das bis dahin als Neues Theater bezeichnete Haus in Opernhaus umbenannt. Als Richard Tauber aufgrund anhaltender Querelen mit dem Rat der Stadt 1930 den Intendantenstuhl räumte, begann eine Zeit, in der, bedingt durch die politische Entwicklung in Deutschland, auch die Leitung des Chemnitzer Theaters mehrfache Umstrukturierungen erlebte. In den Kriegsjahren war es vor allem Hermann Schaffner, der die Geschicke der Bühne durch die schwierigen Zeiten steuerte.
Zerstörung und Neubeginn
Am Ende der Spielzeit 1943/1944 stand Beethovens Fidelio auf dem Plan des Opernhauses. Reichspropagandaminister Goebbels proklamierte den „totalen Krieg“ und verfügte die Schließung aller Theater, die Zuführung der Künstler zur „kämpfenden Truppe“ (was zu diesem Zeitpunkt meistens Volkssturm bedeutete) oder ihren Einsatz in der Waffenproduktion. Rudolf Kempe, der seit kurzem als 1. Kapellmeister in Chemnitz engagiert war, dirigierte am 28. August 1944 noch ein Konzert, und am 31. August gab es einen Deutschen Opernabend. Danach blieben die Türen des Opernhauses geschlossen.
Die schwersten Bombenangriffe erlebte die Stadt in den Februar- und Märztagen 1945. Hatte das Opernhaus bereits am 6. Februar Schäden davongetragen, so machten die Angriffe am 14. Februar, 2. März und schließlich am 5. März, als 683 Flugzeuge der Typen Lancaster und Halifax zum finalen Schlag gegen Chemnitz ausholten, alle Hoffnungen auf Erhalt wenigstens einer Spielstätte zunichte. Das Opernhaus brannte völlig aus, ein schier unentwirrbares Durcheinander von Eisenträgern, Drähten und Balken hinterlassend. Lediglich einige Kellerräume und später notdürftig herzurichtende Teile der Seitenbühne boten einer neu aufzubauenden Theaterleitung primitive Möglichkeiten der Arbeitsaufnahme.
Von hier aus sollten nach Kriegsende die Maßnahmen erfolgen, die einen Spielbetrieb wieder auf die Beine stellten: Das Opernhaus blieb auch im zerstörten Zustand das Herz der Chemnitzer Theater.
Schon nach kurzer Zeit wurden fünf Ausweichspielstätten gefunden: das Realgymnasium, der Festsaal bei Böhme-Fettchemie, der Gemeindesaal des Adventhauses in der Hans-Sachs-Straße, der Festsaal im Altersheim und schließlich der Marmorpalast in Altendorf.
Am 16. Juni 1945 fand die Erste künstlerische Veranstaltung statt, an die sich der beteiligte Dirigent Rudolf Kempe erinnerte: „Sie begann mit Beethovens Egmont-Ouvertüre und umfasste vom Gebet bis zum Stepptanz, von Gluck bis Johann Strauß über Schiller und Goethe, gesprochen, gesungen, getanzt, so ziemlich alles, was dieses Häuflein Künstler seiner ungewissen Zukunft an Hoffnungen entgegenzubringen wagte ...“
Relativ frühzeitig hatte sich die Städtische Kapelle, soweit ihre Mitglieder nicht in Gefangenschaft geraten waren, wieder zusammengefunden und ermöglichte gemeinsam mit Schauspielern, Sängern und Tänzern dem Chemnitzer Theater als erster Bühne in der Sowjetischen Besatzungszone die Aufnahme eines regulären Spielbetriebes.
Der Wille, das zerstörte Opernhaus von Trümmern zu befreien und als Spielstätte zurückzugewinnen, war von Anfang an gegeben. Seit dem Frühjahr 1946 liefen die Aufräumungsarbeiten. Die im Bombenangriff erlittenen Zerstörungen des Opernhauses betrafen in erster Linie Bühnenhaus und Zuschauerhaus. Die Außenmauern hatten dem Brand standgehalten, und so war man sich bald einig, nach Möglichkeit das äußere Bild mit geringen Abweichungen, die vor allem den figürlichen Zierrat betrafen, zu erhalten. Bei allem guten Willen, ein modernen Anforderungen standhaltendes Haus zu schaffen, war man doch zu äußerster Sparsamkeit verpflichtet.
Für den Besucher ergaben sich mit der Umgestaltung des Zuschauerhauses wesentliche Änderungen zum alten Innenraum, unter denen die einheitliche Bestuhlung in allen Platzgruppen mit nunmehr 1.073 Sitzplätzen, der Wegfall der Logen zugunsten technischer Steuerungsanlagen und die Beleuchtung mit Kronleuchter und Wandleuchtern sowie die beiden muschelartigen Seitenwände besonders ins Auge fielen. Auch die Foyers erfuhren Veränderungen.
Der 26. Mai 1951 war für viele Chemnitzer Theaterfreunde ein wichtiger Tag: Das Opernhaus konnte zum ersten Mal wieder Besucher empfangen. Nach einem Festakt am Vormittag öffnete sich am Abend der Vorhang für Beethovens Fidelio.
Unter der Leitung von Martin Egelkraut, in der Inszenierung Alfred Eichhorns und dem Bühnenbild Paul Meinigs sangen Elly Doerrer die Leonore und Rudolf Wedel den Florestan. Der Städtische Opernchor wurde durch Mitglieder des Volkschores verstärkt. Auch der drauffolgende Tag stand noch ganz im Zeichen der Wiedereröffnung: Während vormittags bei einem Festkonzert Webers Ouvertüre zum Freischütz und Tschaikowskys 5. Sinfonie erklangen, präsentierte das Schauspielensemble abends Friedrich Wolfs Der arme Konrad mit der Musik von Paul Dessau. Die Aufführung fand in Anwesenheit der Autoren statt und weist auf dem Besetzungszettel mit Otto Steinmann, Camillo Triembacher, Helmut Schreiber, Fred Mahr, Horst Richter und Wolfgang Lohse eine Reihe auch später andernorts bei Film und Fernsehen erfolgreicher Schauspieler auf. Regie führte Oskar Kaesler, das Bühnenbild stammte von Willi Eylitz.
Zählte das Ballett Chemnitz zur Zeit der Eröffnung des Opernhauses 1909 nur wenige Mitglieder und tauchte vorwiegend in Einlagen bei Bühnenwerken auf, entwickelte es sich in den zwanziger Jahren zu einer eigenständigen Sparte, die mit wichtigen Erstaufführungen sowie mit Gastspielen von Mary Wigman und Gret Palucca von sich reden machte. Nachdem das Ensemble im Zweiten Weltkrieg in die Rüstungsproduktion abgezogen worden war, bauten die Wigman-Schülerin Thea Maaß und Jean Weidt das Ballett anschließend wieder auf und führten es zu überregionalem Ansehen. Für die musikalische Leitung waren in den Jahren nach der Wiedereröffnung des Opernhauses neben Martin Egelkraut Dirigenten wie Klaus Tennstedt, Robert Satanowski, Gert Bahner und Gerhard Rolf Bauer in Chemnitz engagiert.
1957 übergab Oskar Kaesler das Amt des Generalintendanten an seinen Nachfolger Paul Herbert Freyer. Als Oberspielleiter für Oper und Operette wurde, aus der Schule Walter Felsensteins an der Komischen Oper Berlin kommend, Carl Riha engagiert. Er hatte bei Felsenstein die Methoden des realistischen Musiktheaters kennengelernt, die damals aufregend neue Erkenntnisse brachten, und nutzte sie nun für die Arbeit in Chemnitz. Im Spielplan widmete er sich Oper und Operette mit gleicher Sorgfalt, verhalf einer Reihe von zeitgenössischen Opern in Erstaufführungen, oft in eigener deutscher Fassung, zu Aufmerksamkeit beim Publikum. Unterstützung erhielt er dabei von 1962 bis 1965 durch Generalintendant Hans Dieter Mäde sowie in den Jahren danach durch Generalintendant Gerhard Meyer, der die Geschicke des Theaters über 24 Jahre lang erfolgreich lenkte.
Zum künstlerischen Leitungsteam gehörten der Ausstattungsleiter Ralf Winkler, der Musikdramaturg Volkmar Leimert, der Chefchoreograf Hermann Rudolph (später unterstützt durch den Ballettdirektor Gottfried Messenbrink) sowie ab 1970 der Bühnenbildner Wolfgang Bellach. Die musikalische Partnerschaft übernahm nach Bauers Weggang ein junger Kapellmeister, der 1970 in Chemnitz Korrepetitor wurde und mit den Meistersingern 1974 seine Befähigung als Musikalischer Oberleiter nachweisen konnte: Christian Kluttig. Mit dieser wieder eingeführten Position war zugleich eine Teilung der Leitungsaufgaben zwischen Musiktheater und Konzert vorgenommen worden, deren anderen Teil als Chefdirigent Dieter-Gerhardt Worm übernahm. 1981 erhielt Worm den seit sechs Jahren verwaisten Titel Generalmusikdirektor zuerkannt; das Orchester wurde 1983 anlässlich seines 150-jährigen Bestehens in Robert-Schumann-Philharmonie umbenannt. Als Nachfolger von Christian Kluttig kam 1981 Alexander von Brück nach Karl-Marx-Stadt.
Intermezzo im Luxor-Palast
Die Jahre intensiven Spielbetriebs hinterließen Spuren an Bausubstanz und Einrichtung des Opernhauses. Bereits 1975 stellte die Gutachterstelle beim ehemaligen Kulturministerium der DDR Verschleißerscheinungen fest – u. a. in den Stahlkonstruktionen des Zuschauerhauses – und konstatierte, „dass der vorgefundene technische Zustand des Opernhauses den weiteren Anforderungen der Bezirkshauptstadt nicht mehr gerecht werden kann“. Doch es sollten noch zehn Jahre ins Land gehen, ehe auf Drängen von Meyer und Riha 1985 endlich der Auftrag zur Planung und Realisation für die Rekonstruktion des Opernhauses Karl-Marx-Stadt an das Städtische Wohnungsbaukombinat erging.
Für die auf fünf Jahre veranschlagte Rekonstruktionszeit hieß es für das Musiktheater, eine Spielstätte mit genügend großem Orchester- und Bühnenraum zu finden bzw. herzurichten. Die Wahl fiel auf das Filmtheater Luxor-Palast in der Hartmannstraße.
Nachdem am 1. Januar 1988 die letzte Vorstellung von Lehárs Operette Die lustige Witwe im Opernhaus stattgefunden hatte, begrüßte das Ensemble am 30. April 1988 mit Richard Strauss‘ Oper Der Rosenkavalier in der Inszenierung von Carl Riha das Publikum im Luxor-Palast.
Währenddessen schlugen die Bohrhämmer im Opernhaus zu und entkernten das Gebäude bis auf die Grundmauern. Das gemeinsame Konzept der hiesigen Architekten Günter Hauptmann, Jochen Krüger und Karl-Heinz Barth für die Rekonstruktion hieß: Die denkmalgeschützte Hülle bleibt, das Innenleben wird im Hinblick auf Akustik, Beleuchtung, Anordnung der Sitzplätze neu durchdacht. An der Rückseite des Opernhauses plante man eine Erweiterung und den Bau eines Funktionsgebäudes mit Probebühne und theatereigenen Werkstätten. Davon allerdings wurde nur der sogenannte Magazinanbau verwirklicht – der Rest fiel dem Rotstift des Rates des Bezirkes zum Opfer. Doch einer aus Finanznot drohenden, vielleicht noch größeren Streichaktion kamen die politischen Ereignisse des Jahres 1989 zuvor. Die Befürchtung, es könne zu einem Baustopp kommen, erwies sich als unbegründet.
Im Gegenteil: Nach der Einführung der D-Mark konnten einige der üblichen Improvisationen im Baubereich vermieden und das Material in der gewünschten Weise besorgt und verwendet werden.
Für die künstlerische Leitung der Städtischen Theater allerdings wurde die Frage nach der Neuorientierung auf ihren Positionen zu einer Kräftefrage. Gerhard Meyer und Carl Riha – obwohl der Eröffnung des Opernhauses hoffnungsvoll entgegensehend – entschieden sich, ihr Amt freizugeben. Rolf Stiska, der zunächst als Verwaltungsdirektor zu den Chemnitzern gestoßen war, wurde als Intendant vorgeschlagen und 1992 bestätigt. Mit der symbolischen Schlüsselübergabe am 30. Juni 1992 durch Oberbauleiter Frank Schmidt an den neuen Operndirektor Michael Heinicke konnte der Probebetrieb im rekonstruierten Opernhaus starten.
Wiedereröffnung 1992
Als sich am 19. Dezember 1992 der Vorhang für Richard Wagners Bühnenweihfestspiel Parsifal öffnete, gehörten Politiker wie Angela Merkel, Kurt Biedenkopf, Norbert Blüm und Wolfgang Thierse zu den ersten Gästen.
Mit Parsifal wurde die besondere Beziehung, die das „Sächsische Bayreuth“ zum Schaffen Richard Wagners hatte, neu belebt und sollte in der weiteren Folge zu den wichtigsten Arbeiten Michael Heinickes führen. Am Dirigentenpult stand Heinz Fricke, in den Hauptpartien waren zu erleben: Ruthild Engert als Kundry, James O'Neal als Parsifal, Jürgen Freier als Amfortas und Manfred Schenk als Gurnemanz. Nur drei Tage später hatte die Lieblingsoper der Chemnitzer, Mozarts Zauberflöte, unter der Leitung von Justus Frantz und in der Regie von Steffen Piontek Premiere.
Das Chemnitzer Solistenensemble, allen voran Romelia Assenowa-Lichtenstein und Nancy Gibson alternierend als Pamina, Peter Kessler und Edward Randall als Tamino, wurde ergänzt durch Gäste wie Theo Adam als Alter Priester und Rainer Büsching als Sarastro.
Am 3. Januar 1993 folgte Strauss‘ Salome in der Inszenierung von Michael Heinicke. Die musikalische Leitung lag in den Händen des Engländers John Carewe, der bald darauf das Amt des Generalmusikdirektors in Chemnitz übernahm.
Unvergesslich: Dorit Bohrenfeldt in der Titelpartie und Hans-Joachim Ketelsen als Jochanaan. Auch das Genre Musical sollte seinen Platz im neuen Opernhaus finden, und so erlebte am 9. Januar 1993 Joseph Steins und Jerry Bocks ergreifendes Bühnenwerk Anatevka seine Chemnitzer Erstaufführung, inszeniert von Horst Ludwig, choreografiert von Winfried Schneider, mit Konrad Rupf als Tewje und Monika Straube als Golde. Am Pult der Robert-Schumann-Philharmonie stand mit Robert Hanell einer der angesehensten Dirigenten der damaligen Zeit im Bereich Musical und Operette.
In Erinnerung an die letzte Vorstellung im Opernhaus vor der Rekonstruktion, Lehárs Die lustige Witwe, präsentierte das Ballett am 29. Januar 1993 eine ausschließlich getanzte Version dieser Operette in der Choreografie der Berlinerin Brigitte Preuß und der musikalischen Leitung von Georg Christoph Sandmann. In der Solopartie als Camille glänzte darin ein Mann, der später die Funktion des Chefchoreografen und Ballettdirektors übernehmen sollte: Torsten Händler. Zusammen mit einigen aus dem Luxor-Palast übernommenen Inszenierungen wurde eine Spielplanlinie für die folgenden Jahre vorgezeichnet, die ein breit gefächertes Angebot für alle Alters- und Publikumsschichten bot.
Die Wiedereröffnung eines Opernhauses in einem Deutschland mit offenen Grenzen in alle Welt bedeutete für die Theatermacher eine außerordentliche Erleichterung: Von der Notenbeschaffung über Ausstattung mit Kostümen und Werkstattmaterialien bis zur Gewinnung von Sängern, Dirigenten und Inszenatoren stand ein internationaler Markt zur Verfügung, beschränkt nur durch Eigenverantwortung in der Verwendung finanzieller Mittel.
Rolf Stiska nutzte diesen Spielraum und gewann als Generalmusikdirektoren in John Carewe (1993 bis 1996), Oleg Caetani (1996 bis 2001) und Niksa Bareza (2001 bis 2007) Spitzenkräfte von internationalem Rang, die den Chemnitzern mit dem Ring des Nibelungen sowie Tristan und Isolde auch wieder deutschlandweite Aufmerksamkeit sicherten. Als Gäste schrieben sich u. a. Sir Peter Ustinov und Michail Jurowski mit der Inszenierung bzw. musikalischen Leitung von Tschaikowskys Jolanthe und Rachmaninows Francesca da Rimini ins Opernhaus ein, aus Israel und den USA interessierte man sich für Der Weg der Verheißung – Kurt Weills bis dato noch nicht in deutscher Sprache aufgeführte Oper – und lud die Chemnitzer Inszenierung von Michael Heinicke zu Gastspielen ein.
Die Gesamtverantwortung für Wohl und Wehe der Städtischen Theater lag von 2006 bis 2013 in den Händen von Dr. Bernhard Helmich.
An den Spielplänen dieser Jahre lässt sich sein Konzept festmachen: Neues schaffen und Altes aus der Vergessenheit herausholen, Abseitsstehende gewinnen und Medien für das Haus interessieren. Wagnisse waren notwendig, wurden aber nicht um ihrer selbst willen eingegangen und sollten den Zuschauer nicht als Experimentierobjekt missbrauchen. Die Produktion Love and Other Demons von Peter Eötvös in Dietrich Hilsdorfs Regie und Frank Beermanns musikalischer Leitung hat in etwa den Rahmen der Möglichkeiten abgesteckt, mit dem Zeitgenössisches ohne modische Anbiederung erfolgreich sein kann. Pinocchios Abenteuer gewann nicht nur die Herzen der Jüngsten, sondern ließ auch die der Älteren höher schlagen.
Erfreulich auch, dass Deutschlandradio Kultur und der MDR mit Live-Übertragungen von Opern wie Il Templario und Die Heimkehr des Verbannten (Nicolai), Die Rose vom Liebesgarten (Pfitzner) oder Der Schmied von Gent (Schreker) die Leistungsfähigkeit der Chemnitzer Oper weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt machten. Besondere überregionale Aufmerksamkeit erreichte die Erstaufführung der Urfassung von Giacomo Meyerbeers Oper Vasco de Gama.
Nachdem bereits im Herbst 2013 die Branchenzeitschrift Opernwelt die Chemnitzer Inszenierung zur Wiederentdeckung des Jahres kürte, zog die Publikumszeitung Die Welt kurz darauf nach: In der Ausgabe vom 2. Januar 2014 setzte sie die Produktion an die Spitze der besten Operninszenierungen des Jahres 2013. Der Journalist Manuel Brug schrieb dazu: „Es musste wieder mal ein deutsches Provinztheater kommen, um der Opernwelt zu zeigen, wie eine der größten Grand Opéras des 19. Jahrhunderts wirklich beschaffen ist. (...) Unter ihrem Originalnamen Vasco de Gama gab es in Chemnitz eine grandiose, sturmbewegte, blütenduftüppige Musikkreuzfahrt von Lissabon nach Madagaskar, hervorragend besetzt, von Frank Beermann souverän dirigiert und von Jakob Peters-Messer stimmig inszeniert. Die Wiederentdeckung des Jahres.“
2011 erhielt die Oper Chemnitz für beispielhaftes Engagement im Bereich Musiktheater den Preis des Verbandes Deutscher Bühnen- und Medienverlage. Bereits 2007 wurden Regisseur Dietrich Hilsdorf und Choreograf Stefan Thoss für ihre Arbeiten am Chemnitzer Opernhaus (Die Liebe zu den drei Orangen bzw. Giselle M.) mit dem deutschen Theaterpreis FAUST ausgezeichnet.
Unter der Leitung des Ballettdirektors und Chefchoreografen Lode Devos war nicht nur erstmalig seit vielen Jahren wieder einmal Tschaikowskys Ballettklassiker Schwanensee zu sehen, sondern es gelang ihm auch, Arbeiten international renommierter Choreografen wie Anna Karenina von Jochen Ulrich und Walking Mad von Johan Inger nach Chemnitz zu holen. Auch die Produktionen im Genre Musical wie Elton Johns Aida, Leonard Bernsteins West Side Story und Andrew Lloyd Webbers Evita, alle in der Regie von Matthias Winter, sorgten für großes überregionales Interesse.
Die Robert-Schumann-Philharmonie festigte in der Amtszeit von Generalmusikdirektor Frank Beermann 2007 bis 2016 ihren Platz unter den führenden deutschen Orchestern und konnte eine Reihe von zum Teil preisgekrönten CDs herausbringen. So wurde die Einspielung der Klavierkonzerte von Felix Mendelssohn Bartholdy 2009 mit dem ECHO Klassik geehrt.
Seit Beginn der Spielzeit 2013/2014 ist Dr. Christoph Dittrich Generalintendant der Theater Chemnitz. Er führte die bewährte Spielplanlinie mit einem vielfältigen Angebot für alle Alters- und Publikumsschichten von der klassischen bis zur modernen Oper, von der Operette bis hin zum Musical fort. Seine Amtszeit begann im September 2013 mit einem Paukenschlag: Für die Oper Le Grand Macabre von György Ligeti entwarf der noch vom Intendantenvorgänger Dr. Bernhard Helmich auf Vermittlung der Generaldirektorin der Kunstsammlungen Chemnitz, Ingrid Mössinger, engagierte Künstler Georg Baselitz das Bühnenbild.
Auch die Kostüme des in Berlin lebenden Künstlers John Bock verliehen dieser Inszenierung eine besondere Handschrift und Qualität, sodass der Abend unter der Regie von Walter Sutcliffe und dem Dirigat von Frank Beermann mit großem Publikums- und Presseecho gefeiert werden konnte.
In den folgenden Jahren waren es Inszenierungen wie Bellinis Norma, Rossinis La Cenerentola, Verdis Don Carlos und Otello, Korngolds Die tote Stadt, Eötvös‘ Paradise Reloaded (Lilith) im Opernbereich, Lehárs Operette Der Graf von Luxemburg, die Musicals Funny Girl, Flashdance und My Fair Lady sowie die Uraufführung von Benjamin Schweitzers Operette Südseetulpen, die dem Opernhaus Aufmerksamkeit weit über die Stadtgrenzen hinaus bescherten.
Das Ballett Chemnitz begeisterte unter der Leitung von Reiner Feistel und Sabrina Sadowska mit Produktionen für alle Altersklassen, erschloss sich zum Beispiel mit dem Chemnitzer Stadtbad neue Aufführungsräume und erhielt für den Ballettabend Gesichter der Großstadt von Reiner Feistel und Xu Yiming nach Motiven von Edward Hopper 2017 den Sächsischen Tanzpreis. Besonders hervorzuheben sind auch die BallettBenefizGala und das Internationale Festival für zeitgenössischen Tanz, TANZ ǀ MODERNE ǀ TANZ, die jährlich renommierte Ensembles der Tanzszene nach Sachsen locken.
2016 verabschiedeten sich Frank Beermann und Michael Heinicke mit einer Neuproduktion von Richard Wagners Die Meistersinger von Nürnberg vom Chemnitzer Publikum. Für die Spielzeit 2016/2017 übernahm der 1. Kapellmeister Felix Bender das Amt des kommissarischen Generalmusikdirektors und erntete mit Operndirigaten von Lucia di Lammermoor, Turandot und Rinaldo sowie zahlreichen Konzerten großes Lob bei Besuchern und Presse. Seit Beginn der Spielzeit 2017/2018 ist der Spanier Guillermo García Calvo Generalmusikdirektor. Er widmet sich in gleichem Maße den Konzerten und den Opernproduktionen, wobei die Chemnitzer Neuinszenierung von Wagners Tetralogie Der Ring des Nibelungen 2018 im Mittelpunkt steht.
Dieses Leuchtturmprojekt, das im Jahr des 875. Stadtjubiläums Wagnerianer aus Nah und Fern nach Chemnitz einlädt, bringt Wagners Meisterwerk mit einer speziell weiblichen Sicht auf die Bühne. Die Frauen sind die tonangebenden Figuren im Ring – mit höchst unterschiedlichen Zielen.
So ist es nur folgerichtig, dass nicht eine, sondern vier Regisseurinnen sich der Tetralogie inszenatorisch annehmen: Verena Stoiber, Monique Wagemakers, Sabine Hartmannshenn und Elisabeth Stöppler.
Zukünftige Projekte des Generalintendanten Dr. Christoph Dittrich umfassen neben spannenden Bühnenproduktionen den Um- bzw. Anbau des Opernhauses, um perspektivisch ein neues Kulturquartier mit Oper, Ballett, Schauspiel, Figurentheater, Philharmonie und den dazugehörigen Probebühnen und Werkstätten im Zentrum der Stadt zu schaffen. Außerdem gehört er zu den Initiatoren der Bewerbung von Chemnitz für den Titel Kulturhauptstadt 2025.
Von Volkmar Leimert, Carla Neppl. (Quelle: Volkmar Leimert: Text für den Kalender 100 Jahre Opernhaus, 2009)
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Städtische Theater Chemnitz gGmbH. Käthe-Kollwitz-Straße 7, D-09111 Chemnitz. www.theater-chemnitz.de
Ein Beitrag für ReiseTravel von Uta Thomsen Pressereferentin.
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