Berlin | Pille danach |
Je eher, umso besser lässt sich eine ungewollte Schwangerschaft verhindern
Verhütungspanne verhindern und die „Pille danach“ einnehmen: Die bislang noch geltende Rezeptpflicht für die zwei Präparate auf dem deutschen Markt – Ellaone und PiDaNa – wird fallen. Die Arzneimittelexperten der Stiftung Warentest haben beide Wirkstoffe bewertet.
Die „Pille danach“ kann in Deutschland bald ohne Rezept in der Apotheke gekauft werden. Die Europäische Kommission hat europaweit die Rezeptpflicht für das Präparat Ellaone mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat aufgehoben. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gab daraufhin bekannt, dass es der Entscheidung der Kommission folgen werde. Auch das Präparat PiDaNa mit dem Wirkstoff Levonorgestrel soll von der Rezeptpflicht befreit werden, wie das Ministerium auf Anfrage von test.de erklärt. So werde das BMG „das deutsche Recht für beide Präparate, die derzeit auf dem Markt sind, schnellstmöglich anpassen“. Frauen haben so bei der rezeptfreien „Pille danach“ die Wahlmöglichkeit. Die Stiftung Warentest bewertet das Präparat PiDaNa als geeignet, Ellaone nur als mit Einschränkung geeignet. Da die Beratung für die „Pille danach“ zukünftig nicht mehr durch einen Arzt erfolgen muss, setzt das BMG auf gute Beratung in den Apotheken. Das Ministerium werde jetzt „die Frauenärzte, die Apotheken und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte dazu einladen, gemeinsam Kriterien für eine qualitativ hochwertige Beratung zu entwickeln“.
Wirkung in den ersten 24 Stunden am besten
Kondom gerissen, Anti-Baby-Pille vergessen oder Sex ohne Verhütungsmittel riskiert – durch Verhütungspannen in der fruchtbaren Phase des Zyklus können Frauen ungewollt schwanger werden. Seit Jahren haben sie die Möglichkeit, in dieser Situation mithilfe der „Pille danach“ die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft deutlich zu verringern. Allerdings ist die Beschaffung aufwendig: Die Frauen müssen sich möglichst rasch nach dem Sex ein Rezept von einem Arzt ausstellen lassen, der nicht unbedingt ein Gynäkologe sein muss. Am Wochenende sind Bereitschaftsärzte und Krankenhäuser die Ansprechpartner – das bedeutet oft lange Anfahrtwege und Wartezeiten.
Entscheidender Faktor: Je früher eine Frau die Pille danach einnimmt, desto geringer ist das Risiko einer ungewollten Schwangerschaft – am sichersten Wirken die Mittel bis zu 24 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr. Später liegen die Erfolgschancen deutlich niedriger. Je nach Präparat kann die Pille danach insgesamt nicht länger als 72 oder 120 Stunden zuverlässig eine Schwangerschaft verhindern. Die Wahrscheinlichkeit einer Befruchtung ist an den zwei Tagen vor dem Eisprung am höchsten. Ab Beginn der letzten Periode findet er im Durchschnitt am 14. Tag statt.
13 Prozent der Frauen haben die Pille danach schon genutzt
Laut einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gaben 13 Prozent der befragten Frauen an, die Pille danach schon einmal in ihrem Leben genommen zu haben. Besonders häufig nutzen sie junge Frauen. Der deutsche Markt bietet zwei verschreibungspflichtige Präparate mit verschiedenen Wirkstoffen: Beim ersten handelt es sich um das etablierte und gut erforschte PiDaNa mit dem Wirkstoff Levonorgestrel 1,5 mg, das die Arzneimittelexperten der Stiftung Warentest als geeignet bewerten.
Das zweite Präparat heißt Ellaone. Es enthält den Wirkstoff Ulipristalacetat 30 mg und wird erst seit 2010 verschrieben. Laut einer Vergleichsstudie ist Ellaone zwar ähnlich wirksam wie PiDaNa; doch wenn die Frau trotz der Einnahme schwanger wird, ist das Fehlbildungsrisiko beim Kind nach jetziger Studienlage noch nicht abschätzbar. Auch gilt Ellaone insgesamt bei weitem noch nicht als so gut untersucht. Daher lautet das Urteil der Stiftung Warentest für Ellaone nur „mit Einschränkung geeignet“.
Für Minderjährige und junge Frauen bis zum Alter von 20 Jahren, die nicht privat krankenversichert sind, übernehmen die Krankenkassen die Kosten für die Pille danach. Wer älter ist, muss selber zahlen – 18,33 Euro für PiDaNa oder 35,72 Euro für Ellaone.
Rezeptfreiheit könnte Beschaffung erleichtern
Die Rezeptpflicht für die Pille danach besteht in der EU nur noch in Deutschland, Italien und Polen. In den anderen Ländern ist sie frei verkäuflich. Nun fordern auch in Deutschland verschiedene Institutionen und Politiker, das Notfallmedikament aus der Rezeptpflicht zu entlassen – allerdings nur mit dem etablierten Wirkstoff Levonorgestrel 1,5 mg, den auch die Stiftung Warentest als geeignet einstuft.
Die Argumente: die Rezeptfreiheit erleichtere die Beschaffung, entlaste Frauen psychologisch und unterstütze ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Zu den Befürwortern zählen der Sachverständigenausschuss im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), der Bundesrat sowie Politiker der SPD, Grünen und der Linken, aber auch die Weltgesundheitsorganisation WHO. Die fachgerechte Beratung würde bei der Abgabe in der Apotheke nicht aufgegeben, weil wichtige Fragen und Hinweise zur Anwendung dort geklärt werden müssten. Das Bundesgesundheitsministerium, die Unionsfraktion und einige ärztliche Fachverbände wollen an der Rezeptpflicht für die Pille danach festhalten. Sie argumentieren unter anderem, dass eine ärztliche Beratung der Frauen wichtig sei. Die Pille danach greife in den Hormonhaushalt ein und könne in Einzelfällen Nebenwirkungen haben.
Hersteller beantragt EU-weite Rezeptfreiheit
Derweil arbeitet der Hersteller der Pille danach mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat 30 mg an einer europaweiten Entlassung seines Präparats aus der Rezeptpflicht. Dafür ist die Europäische Arzneimittelbehörde EMA zuständig, weil sie diesen Wirkstoff auch zugelassen hat. Im Sommer soll das EU-Parlament darüber entscheiden. Bei einer Zustimmung würde dann auch in Deutschland das Präparat mit dem schlechter untersuchten Wirkstoff frei zugänglich sein.
Nach der Einnahme konsequent verhüten
Mit jeder Pille danach greifen Frauen in ihren Hormonhaushalt ein – mögliche Folgen: Der Zeitpunkt der nächsten Regel und des nächsten Eisprungs kann sich verschieben, der Verhütungsschutz der herkömmlichen Anti-Baby-Pille ist im betroffenen Zyklus nicht mehr gegeben. Wer die Pille danach wegen eines Fehlers bei der Einnahme der herkömmlichen Anti-Baby-Pille geschluckt hat, sollte letztere weiter einnehmen. Sonst kann es zu Blutungen und Zyklusstörungen kommen. Bis zur nächsten Monatsblutung sollten die Frauen mechanische Verhütungsmethoden nutzen wie Kondome oder ein Diaphragma.
Generell gilt: Die Pille danach ist nur eine Verhütungsmethode für den Notfall. Sie schützt nicht dauerhaft, eignet sich nicht als reguläres Verhütungsmittel und ist kein Ersatz für eine regelmäßige und sachgerechte Verhütung (Kondome, herkömmliche Anti-Baby-Pille). Die Arzneimittelexperten der Stiftung Warentest haben geeignete Mittel zur Empfängnisverhütung beurteilt.
Stiftung Warentest www.test.de
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