Neapel | Wiege der Pasta |
Der Geschmack Süditaliens ist in der Region Kampanien zu finden
Bella Italia: Der Süden Italiens ist zu jeder Jahreszeit eine Reise wert, denn der Besucher kann sich auf kulinarische Entdeckungsfahrten machen. So präsentiert sich auch das bei deutschen Touristen wenig bekannte Hinterland von Neapel, die Region Kampanien.
Teigspeise für Arme und Könige: Am Beginn einer kleinen Entdeckungs-Reise, um den Geschmack der Region Kampanien im Süden Italiens kennenzulernen, muss ihre Hauptstadt Neapel stehen. Hier wurde vor mehr als einhundert Jahren die Pizza erfunden, so steht es auf einem Schild am Restaurant-Eingang geschrieben, in der Pizzeria Brandi des Bäckers Esposito. Die Pizza, einst die Speise der einfachen armen Leute, erhielt seinen aristokratischen Ritterschlag durch die Königin Margherita, ein eingerahmter Dankesbrief der Hochwohlgeborenen schmückt das Lokal. Die Pizza schmeckte und passte mit ihren drei Farben der italienischen Fahne (rote Tomaten, weißer Mozzarella, grüne Basilikumblätter) auch in die Gefühlswelt der Italiener. Doch die italienischen Gastgeber räumen auf Nachfrage gerne ein, dass wohl schon bei den Griechen etwas der Pizza sehr Ähnliches auf den Tisch kam. Und selbst in Süditalien war sie schon früher verbreitet, allerdings hatte der schlaue Bäcker Esposito dieses hochwohlgeborene Dankschreiben sorgsam aufbewahrt.
Dreieinigkeit Öl, Wein und Brot: In der Pizzeria Salvo treffe ich mit dem Generalsekretär der italienischen Handelskammer der Provinz Avellino, Luca Perozzi, zusammen, natürlich zum gemeinsamen Pizza-Essen. Er erzählt von der Dreieinigkeit, die es nicht nur in der Religion seines Landes, sondern in der italienischen Küche gibt. In der Küche besteht sie aus dem Öl, natürlich kalt gepresst, dem Wein sowie dem Brot und all dem, was aus Weizen entsteht wie die Pasta. Die Pasta verbindet trotz ihrer Unterschiede in den Regionen alle Teile Italien. Die Wiege dafür lag im Süden, in Sizilien und Kampanien, den früheren Kornlagern Italiens. Gerade auch der Süden Italiens wurde über die Jahrhunderte durch eine Mischung der Kulturen geprägt, seine Köche waren immer offen gegenüber neuen Einflüssen und aus diesem Mix erwuchs diese ursprüngliche und exzellente Gastronomie. Luca Perozzi empfiehlt allen Touristen, nicht nur Neapel mit seiner malerischen Bucht und die berühmten Inseln Capri und Ischia zu besuchen, sondern auch neugierig auf ganz Kampanien zu sein.
Der Sommelier Petrillo im Wein-Bus: „Dort drüben auf den Hügeln liegt Montemiletto, der schönste Ort Italiens“, rief Gaetano Petrillo und bekräftigte sein Urteil mit einem Lachen. Gaetano sitzt am Steuer des Kleinbusses auf der Straße von Neapel nach Bari. Eigentlich ist er Sommelier der umliegenden Weingüter. Aber vor fünf Jahren startete er mit drei Freunden ein Unternehmen, das Touristen zu den Weinbergen und Weinkellern der Gebirgslandschaft Irpinia östlich von Avellino bringt. Seinen Van benannte er um in „The Wine-Bus“ und seine ersten Gäste aus Europa, aber auch den USA, Australien und Japan machte er zu seinen Botschaftern, um neue Kunden anzulocken. Auf seinem Programm stehen auch Landgasthöfe mit dem Qualitäts-Siegel von Agriturismo, wo den Touristen frische Zutaten und viel Hausgemachtes aufgetischt werden wie Carbonara, die klassische Pastasauce aus Knoblauch, Eigelb, Speck und Pecorinokäse oder die Spaghetti al Pomodore. Ein Markenzeichen der Region ist die Büffel-Mozzarella (La Mozzarella di Bufala) und nächste Station der Geschmacksreise.
Alle wollen Mozzarella essen: Die kleine Gemeinde Belizzi in der Provinz Salerno ist geprägt durch die Büffel-Mozzarella, das weiße Gold einer Region. Hier treffen wir Domenico Raimondo, den Präsidenten des Konsortiums „Mozzarella di Buffala Campana DOP“ mit Herkunftsgarantie. Mit 116 Molkereien, 1500 Züchtungsbetrieben für Büffel und 15.000 Beschäftigten in neun Provinzen ist rund um diese Käse-Spezialität der viertgrößte landwirtschaftliche Handelsbetrieb Italiens entstanden. Aus der Büffelmilch entsteht Ricotta, Butter und der berühmte Mozzarella. Aufgrund seiner Verderblichkeit wurde der Mozzarella zunächst nur von den Familien verzehrt, die ihn produzierten, und galt mithin als “Arme-Leute-Essen” von geringem Wert. Wenn heute die Touristen den Weichkäse, Zopf oder das Ricotta der frischen Büffel-Mozzarella verspeisen, nur mit Tomaten und Basilikum, auch in der geräucherten Variante, dann ist es für die Mehrzahl genauso wie für die Einheimischen ein Festessen. Wer diesen Käse einmal gegessen hat, will nie mehr etwas anderes zu Tomaten und Basilikum auf seinem Teller haben. Und der Besucher kann vielleicht ein wenig nachempfinden, dass diese Käsesorte zum Bestandteil des Lebens der Süditaliener avancierte.
Doch der Erfolg hat auch seine Schattenseiten. Heute will die ganze Welt Mozzarella essen. Woher aber soll die ganze Büffelmilch kommen? In Italien gibt es nur etwa 600.000 Büffel, das heißt pro Tier etwa 20 Mozzarellas am Tag. Also kann man sich denken, dass ein Teil der Büffelmilch durch Kuhmilch ersetzt wird oder der Käse ganz aus Kuhmilch hergestellt wird.
Will man also sichergehen, dass man einen Mozzarella aus 100% reiner Büffelmilch hat, muss man auf das DOP-Siegel, die geschützte Herkunftsbezeichnung und den Namen Mozzarella di Bufala Campana achten. www.lestradedellamozzarella.it
Der Barolo der Nudeln: Ein weiteres Symbol von Kampanien wie der italienischen Lebensweise insgesamt ist eine knappe Autostunde von Neapel entfernt in dem Ort Gragnano zu finden. Er bezeichnet sich als ältester Ort der Herstellung von Pasta. Bereits zu Zeiten der Römer wurde der Hartweizen in Gragnano gemahlen und dann später die Tradition der getrockneten Pasta verbreitet. Seine Lage zwischen der Lattari Berggruppe und dem Meer sorgte für eine andauernde feuchte Brise, ideal zum Trocknen der Spaghetti, die damals im Freien auf langen Stöcken aufgehängt wurden.
Vor sechs Jahren hat sich an dieser traditionellen Stätte das junge Unternehmen Pastificio die Campi angesiedelt. Hier lernt der Besucher, dass die Pasta-Macher die Pasta nur aus Hartweizengries und Wasser, ohne Zugabe von Eiern, herstellen mit einem höheren Anteil an pflanzlichen Proteinen gegenüber herkömmlicher Produktion. Besonderen Wert wird auf die Qualität des Weizens gelegt, der von speziellen Getreidefeldern Apuliens stammt. Der hohe Aufwand, insgesamt werden täglich nur drei Tonnen Weizen verarbeitet, zahlt sich aus. Die „Luxus-Pasta“ aus Gragnano versorgt die Gourmet-Köche in aller Welt und natürlich auch den Touristen, der sich auf die Suche des Geschmacks von Kampanien begibt. Er hat die Wahl zwischen einer Pasta, die kurz, lang und in Form einer Muschel kreiert ist. Ein halbes Kilo der der teuersten Nudeln der Welt kann man schon ab fünf Euro nach Hause mitnehmen. www.pastificiodeicampi.it
Wandern zu den Kastanien-Hainen: Das kleine Dorf Bagnoli Irpino in den Bergen von Avellino befindet sich im Herzen des Picentini Regional Parks. Der 80.000 Hektar große Park präsentiert grüne Tälern und tiefe Schluchten mit Wasserfällen sowie in tausend Meter Höhe Kastanienhaine. In der Bergkommune führt Salvatore Malerba in fünfter Generation einen zertifizierten Betrieb, der Kastanien verarbeitet. Er führt die Touristen mit Stolz durch alte Scheunen, in denen unter dem Feuer von Kastanienholz die Kastanien getrocknet und geröstet werden. In einer neueren Produktionshalle sortieren Frauen aus dem Dorf Kastanien auf dem Fließband. Und wie schon zur Römerzeit löffelt man die Kastaniensuppe, beißt in den Kastanienkuchen „Pancerotto“ und trinkt den Kastanienschnaps. Salvatore glaubt auch zu wissen, was die Touristen mögen und verkündet: „Im neuen Jahr werden wir ein Kastanienbier brauen“. Auf jeden Fall wollen seine Besucher die Kastanien-Haine sehen. Zu den altehrwürdigen Kastanienbäumen führt direkt von Salvatores Fabrik ein Wanderweg in die nahen Berge. www.malerbacastagne.it - www.castagneperrotta.it
Weißwein aus dem Süden: Ohne den Wein ist der Geschmack von Kampanien nicht zu entdecken. Der Weinanbau reicht im Gebiet Kampanien bis ins 12. Jahrhundert vor Christus zurück. Lange Zeit war der Wein dieser Region in Vergessenheit geraten. Hier ist der Weinbus von Gaetano Petrillo unterwegs. Zu seinen Favoriten zählen die Weingüter Antonio Caggiano mit seinem wunderschönen wie ein Kunstmuseum gestaltetem Weinkeller in Taurasi, Mastroberardino, Feudi di san Gregorio und Salvatore Molettieri. Aus Taurasi stammen die besten Rotweine. Sie sind extraktreich mit Aromen von Pflaumen, schwarzen Kirschen, Gewürzen und Nüssen. Der Sommelier Petrillo ist beim Besuch der Weinkeller in seinem Element.
Der meisterzeugte Wein in Kampanien ist allerdings der Weißwein Greco di Tufo, der DOCG Status besitzt. Der Greco di Tufo ist vom Aroma her fruchtig mit Anklängen an Äpfel, Birnen und reife Aprikosen. Ein weiterer DOCG-Weißwein aus Kampanien ist der Fiano di Avellino. Die Trauben für diesen Wein kommen von den höher gelegenen Hügeln rund um das alte Dorf Lapio, im Herzen Irpiniens. Die Aromen sind geprägt von Ananas, Birne, Apfel, Mandeln, Haselnüssen und weiße Blüten. Am Gaumen füllig, saftig, mineralisch, zarte Würze, feinfruchtig, elegant … Können Worte den Geschmack ausreichend beschreiben?
Einladung zum Espresso: „Die beste Jahreszeit für eine Tour mit dem Wein-Bus liegt zwischen April bis Oktober“, meint Gaetano Petrillo. Aber natürlich habe auch die Nachsaison wie der Monat Dezember oder Januar noch seine Reize. Schließlich erlaube auch zu dieser Jahreszeit noch sonniges Wetter, zum Mittagessen im Restaurant an Tischen im Freien zu sitzen und seinen Espresso zu trinken. Unterwegs macht Gaetano gern in einer kleinen Bar eines winzigen Ortes mit seinen Gästen Station. Dann sei es nicht selten, so der Reiseführer, dass die dort versammelten italienischen Pensionäre die weit gereisten Besucher sehr herzlich begrüßen und zu einem Espresso einladen. Nicht selten wohnen die Touristen in sehr teuren Hotels. Aber der Kaffee schmeckt überall gleich gut. Vor allem, wenn sie den Kaffee mitten in Kampanien trinken, dem Ziel ihrer Reise: das unverwechselbare Italien. www.av.camcom.gov.it - www.thewinebus.it
Ein Beitrag für ReiseTravel mit Fotos von Ronald Keusch.
Unser Autor ist freier Journalist mit dem Schwerpunkt Tourismus, er lebt und arbeitet in Berlin.
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