Skopje | Mazedonien kulinarisch |
Reisen und Speisen mit Landesküche voller Genuss in Mazedonien
Unterwegs in Mazedonien: Ganz schön anstrengend, den Berg hinauf zu laufen, aber wir lassen es ruhig angehen, genießen die Aussicht auf Berge, Täler und Wälder. Auf dem zerfahrenen Feldweg überholt uns ein Geländewagen, etwas anderes käme auch hier nicht rauf nach Maleshevo oberhalb von Berovo weit im Osten von Mazedonien. Nachgewiesenermaßen gibt es hier die sauerstoffreichste Luft des ganzen Balkans.
Wir besuchen den Bauernhof der Familie Klepal, die haben viele Schafe, einige Kühe, Geflügel, Hunde und hier wollen wir später ein typisches mazedonisches Landessen genießen und dann zuschauen bei der Herstellung von einem feinen Frischkäse der Feta-Art, dem Kaymak oder Kaschkaval, wie er drüben in Bulgarien heißt. Da wir noch Zeit haben, gehen wir auch genau dahin, passieren den alten Grenzstein und sind in Bulgarien. Einfach so, eine Außengrenze der EU habe ich mir anders vorgestellt. Wir wandern durch die lichten Laubwälder, mal in Mazedonien, mal in Bulgarien, bis sich dann der Hunger meldet.
Skopje Hauptstadt von Mazedonien und Ausgangspunkt der Reise
Zurück auf dem Hof, begrüßen wir aber erst mal den 91jährigen Altbauer, der mit dem Auto von vorhin zu Besuch aus Berovo gekommen ist. Zusammen trinken wir einen starken und süßen Kaffee und unterhalten uns, faszinierend, wie er sich an ganz alte Zeiten erinnert, gut, dass unser Begleiter übersetzen kann. Dann tischt die Bauersfrau auf, alles Produkte eigener Herstellung. Es beginnt mit einer fetten Hühner-Nudelsuppe, sehr delikat mit Kräutern verfeinert. Vorher haben wir noch einen Rakija, einem süffigen 40%igen Obstbrand getrunken. Ein großer Teller Shopska-Salat aus Tomate, Gurke, Zwiebel, Blattpetersilie und grüner Paprika kommt dazu, wie üblich im ganzen Balkan, eine perfekte Mischung aus frischem Gemüse, mit weißem Käse überstreut, auch „Meze“ genannt. Es folgen das Bohnen-Gericht „Tavce Gravce“ im Tontopf, dazu gekochtes Lamm- und Rindfleisch mit knusprig braun gebratenen Kartoffeln und eine besondere Spezialität: Zelnik, ein großes rundes Flachgebäck mit Käse-, Lauch-, Spinat- und Kartoffelfüllung, mit Anissamen gewürzt.
Dazu stehen selbstverständlich zwei Pasten auf dem Tisch, Pindjur aus gegrillten Paprika und Tomaten zusammen mit Salz, Pflanzenöl und Gewürzen und Ajvar aus rotem Paprika ohne Tomaten, mit Essig/Zitronensaft und Knoblauch nach traditionellen Rezepten die von Generation zu Generation vererbt werden, jede Familie macht es anders, jede hat die beste Mischung. Zum Abschluss gibt es sehr süßen Kuchen, aber den bringe ich kaum noch runter, ein Rakija muss helfen. Auf die kongeniale Begleitung, den hervorragenden mazedonischen Rot- oder Weißwein verzichtete ich, schließlich geht es wieder den steilen Berg runter, gutes reines Wasser von der Quelle nebenan oder ein Glas Fruchtsaft passt auch zum vorzüglichem Essen, das wunderbar geschmeckt hat, Landküche vom Feinsten.
Die traditionelle mazedonische Küche vereint Balkan und Mittelmeerraum, den Nachbar Griechenland, den nahen Osten und hat Einflüsse der italienischen und österreichischen Küche, ist aber weitgehend dominiert vom türkischen Geschmack, herkommend aus den langen Jahrhunderten der osmanischen Herrschaft. Mazedonien, das Land der Sonne, ist das Land des Geschmacks für Feinschmecker und echte Fans guter Mahlzeiten. Lebensmittelzusätze, Kunstdünger und all die unnötigen Manipulationen kennt man hier nicht, alles pure Natur, unverfälscht und rein und das schmeckt man überall, ob in der Bauernfamilie oder den Restaurants.
Später schauen wir noch der Käseherstellung zu, das geht ganz einfach, die Schafsmilch wird erwärmt, durch ein Tuch gegossen, die Käsestückchen kommen in eine längliche Kastenform, werden leicht angedrückt und fertig ist der Frischkäse nach Feta-Art, man kann ihn nach dem Erkalten auch schon essen, besser schmeckt er aber nach einem Monat Ruhezeit oder länger. Technische Hilfsmittel wie Käsethermometer oder Ähnliches sucht man vergeblich, die Bauersfrau macht das jeden Tag, ist ganz erstaunt, dass es so etwas gibt.
In der Gegend von Kumanovo bei Kokino klettern wir recht mühselig zu merkwürdigen Felsen den Berg hinauf, Sommer- und Wintersonnenwende kann man hier genau an den eingekerbten Steinformationen erkennen, vor fast viertausend Jahren wurden die bearbeitet und erst vor Kurzem entdeckt. Nicht weit davon entfernt, in einem kleinen, verwunschenem Tal bei Kuklica, stehen merkwürdige, wie menschliche Gestalten geformte große Monolithe, die sogenannten „Steinpuppen“, um die sich natürlich, wie hier überall, mysteriöse Geschichten ranken. In Berovo übernachten wir, eine recht große Stadt, geschäftig, aber nie hektisch. Wie überhaupt in ganz Mazedonien, Eile, Stress und Ähnliches nicht zu spüren sind, selbst in der Hauptstadt Skopje geht es entspannt zu und das ist angenehm und liebenswert.
Das Abendessen überrascht mit einer weiteren mazedonischen Spezialität, fast ein wenig unauffällig. Ein knuspriges rundes Brot mit Fleisch, Gemüse, Kartoffeln und Kräutern in Soße gefüllt und mit Käse überbacken, Deckel abheben und es kann losgelöffelt werden. Der Geschmack ist grandios, manche schaffen es sogar, die leckere Verpackung mitzuessen, leider habe ich mir aber den mazedonischen Namen für diesen Brot-Eintopf nicht gemerkt. Ein guter und kräftiger Rotwein begleitet und es bleibt nicht bei einem Glas, Rakija hat heute keine Chance.
Eine Weinprobe machen wir am anderen Tag nahe dem Örtchen Demir Kapija, das liegt in einem riesigen Tal voller Felder und Gewächshäuser, hier ist der Gemüsegarten des Landes. Im modernen Weingut Popova Kula probieren wir u.a. Stanushina, eine wiedergefunden alte Weinsorte, dazu gibt es leckeren Schinken, Wurst und Brot. Das Ganze ist sehr touristisch und geschäftsmäßig, es gibt aber ringsum noch mehrere private Weingüter, wo es familiärer zugeht.
Wir fahren weiter zum Ohrid-See, einem der ältesten Seen der Welt, gut vier Millionen Jahre alt und bis zu 300 m tief. Unterwegs halten wir an bei ein paar Frauen, die am Straßenrand Erzeugnisse aus eigener Herstellung verkaufen wie Wein, Schnaps, Honig, getrockneten Paprika, eingemachtes Obst und Gemüse und natürlich Ajvar. Alles sehr billig, wie überhaupt die Preise im ganzen Land sehr niedrig sind. „Zu teuer“, sagt der Fahrer, „in den kleinen Örtchen kostet es die Hälfte weniger“. Sehr selten sind diese Stände am Straßenrand, im Gegensatz zu anderen Balkan-Ländern.
Dann erreichen wir den See, fast unwirklich schön und ganz ruhig liegt er da, umgeben von Bergen, auf denen noch Schnee liegt, weil sie bis auf über 2700 m hinauf reichen. Wir halten an einem Pfahlbauten-Dorf –das Museum auf dem Wasser in Gradiste- an, dass ein paar Meter vom Ufer entfernt im Wasser steht. Überall wuseln Kinder herum, heute ist Tag des Schulausflugs. Noch hören die Kinder den Erklärungen des Lehrpersonals zu, ganz wenige schauen auf ihr Mobiltelefon, welch ein Gegensatz zu unserem Land. Den Kloster-Komplex St. Naum aus dem 9. Jahrhundert schauen wir uns dann an, überall wird heftig gewerkelt und hier finden wir die ersten Souvenir-Stände, die es sonst (außer vereinzelt in den Städten) nicht gibt, ausgerechnet eine Ikone des Klostergründers gibt es seltsamerweise nicht. Essen kann man hier auch, an einigen Ständen wird gegrillt, mehr Gemüse als Fleisch, natürlich finden sich hier die üblichen leckeren Brotvariationen und der unvermeidliche Salat und Käse, alles sehr gesund. Überall laufen Pfaue herum und schreien sich gegenseitig an. Das Kloster liegt am äußersten Ende von Mazedonien, bis nach Albanien ist es nur ein paar Hundert Meter. Das bringt uns auf eine Idee, wir schnappen uns unseren Reisepass, verlassen Mazedonien und laufen am Auto Grenzübergang hinüber nach Albanien. Das macht hier wohl keiner, entsprechend erstaunt sind die Grenzbeamten, nach 5 Minuten gehen wir zurück. Alles geht gut, wir bekommen Stempel in den Pass, waren damit also auch in Albanien.
Es gibt Mittagessen und da steht eine ganz besondere Spezialität auf dem Speiseplan, die berühmte entgrätete Ohrid-Forelle „Tresena Pastrmka“. Erst kommt der unvermeidliche Salat, diesmal mit viel Blattpetersilie, Oliven, Weißkraut und leckeren Käse, dazu gegrilltes Brot mit frittierten Zucchini-Scheiben, natürlich Ajvar, Pindjur und dann der imponierende Auftritt der Forelle. Die ist gegrillt, wiegt weit über ein Kilo (kann sogar schwerer als fünf Kilo werden), hat eine weiße bis rosa Farbe, wird begleitet von einer großen Portion Gartengemüse, vielen Zitronenstücken, schmeckt einfach göttlich und ist kaum zu schaffen. Beim Nachtisch kämpfen wir mit dem süßen Kuchen mit viel Honig und Nüssen, umhüllt von einer Art Früchtemarmelade, doch der starke Kaffee passt noch rein, Rakjia auch.
Zur Erholung machen wir eine kleine Bootsfahrt auf dem See, bestaunen die an die steilen Uferhänge wie angeklebte Stadt, die von einer großen Festungsanlage gekrönt ist und dann wendet das Boot plötzlich, Regen und Wind kommen wie aus dem Nichts und schon verändert sich der stille See, er soll ganz schön zickig und gefährlich sein. Kaum sind wir an Land, ist das Wetter genauso plötzlich wieder schön. Wir spazieren durch die Stadt, entdecken in Geschäften alte Handwerkskunst, nach traditioneller Art werden Papier, schöne kunstvolle Schnitzereien und Perlen aus dem See zu Schmuckstücken hergestellt.
Leider müssen wir den See verlassen, für das Wander-Paradies, den schönen und wildromantischen Nationalpark „Galicia“ mit seinen endlosen Wäldern, großen Seen und der interessanten Tierwelt haben wir diesmal keine Zeit, müssen quer durchs ganze Land zurück in die Hauptstadt Skopje fahren. Die Autobahn-ähnliche Straße ist gut und hat einen Vorteil: Hier geht es mal über längere Strecken
geradeaus und flach zu, ansonsten gibt es im ganzen Land sonst nur Straßen, die auf Hundert Meter zehn Kurven und fünf Steigungen haben, oder viel mehr. Hier im Westen dominiert über große Strecken hin der albanische Teil der Bevölkerung. Das merkt man deutlich, überall Moscheen und albanische Fahnen, die Ansiedlungen sehen sehr türkisch aus.
Kurz schauen wir noch in der Nähe von Skopje ein Naturwunder oberhalb einer Staumauer an, der Canyon Matka, eine enge, wildromantische Schlucht, umgeben von steilen Felsen, die viele Höhlen enthalten, auch unter Wasser. Hier Boot fahren, die Unterwelt entdecken, auf steilen Pfaden wandern muss herrlich sein. Wir heben uns das fürs nächste Mal auf. Auch die Speisekarte des schön am Uferrand gelegenen Restaurants sieht vielversprechend aus.
In der Hauptstadt Skopje beenden wir unsere mazedonische Genussreise, schauen uns die lebendige – und wie schon gesagt - gar nicht hektische Stadt an, die vom Fluss Vardar geteilt wird. Prächtige, repräsentative, meist weiße Gebäude auf der einen Seite, klassizistisch, modern und hübsch. Auf dem Zentralplatz steht ein gewaltiges Denkmal des größten Sohnes des Landes, Alexander der Große, umtost von wechselnden Wasserspielen, überall gibt es Springbrunnen, selbst mitten im Fluss. Gebaut wird allenthalben, nicht alles wird wohl schön werden. Natürlich schauen wir uns das Museum von „Mutter Theresa“ an, hier in Skopje ist sie geboren, bevor sie hinaus in die Welt ging und unendlich viel Gutes tat. Wir kommen noch an einem teils zerstörten Gebäude vorbei, die Uhr dort ist bei siebzehn Minuten nach Fünf stehen geblieben, das große und verheerende Erdbeben 1963 war die Ursache, mehr als Tausend Tote waren zu beklagen, etwa 75 % der Bevölkerung verlor binnen Sekunden ihre Unterkunft, nur 20% der Gebäude blieben frei von starken Schäden.
Über die alte Steinbrücke geht es hinüber in den alten osmanischen Teil, der damals besonders betroffen war. Minarette, verwinkelte Gassen, ein Hamam, kleine Geschäfte, die alles haben, Handwerksstuben wo noch von Hand genäht und anderweitig gewerkelt wird. Restaurants bieten mazedonische Spezialitäten an, gefüllte Tontöpfe mit allerlei Leckereien locken, gebackener süßer Kürbis, Regale biegen sich unter unfassbar süßen Kuchen und Törtchen, gefüllt mit „Molasse“ aus Traubensaft, Honig, Nüssen und Früchten, Eis allerorten, preiswert ist es überall. Internationale Fast-Food-Ketten haben hier zum Glück keinerlei Chancen.
Wir wollen die Stadt von oben sehen, den Besuch mit einem leichten Mittagessen beenden und fahren hinauf zur Klosteranlage St. Panteleimon mit seinen künstlerisch wertvoll bemalten alten Wänden in der Kirche. Ganz frisch dagegen ist der runde gesalzene Blätterteigkuchen „Mlecnik“, gefüllt mit Eiern, Spinat und Käse, umrahmt mit Käsestücken, frittierten Zucchini- und Auberginenscheiben, gebackenen Kartoffelplätzchen, mit Reis und Gemüse gefüllte Weinblätter, die geradezu Suchtcharakter haben, auch „Lukanci“, schwarze, dünne Würstchen aus Hack, Lauch und Paprika kommen, dazu noch Kartoffelsalat, natürlich der schon gewohnte große Salatteller und die unvermeidliche Schüssel Ajvar. www.macedonia-timeless.com - www.tourismmacedonia.gov.mk
ReiseTravel Fact: Leider müssen wir doch Abschied nehmen vom wunderschönen Land der Berge und Seen, das mit seiner unverfälschten Natur und der reinen Umwelt genau alles für naturbewussten Tourismus bietet, von seinen liebenswerten Menschen mit der schier unbegrenzten Gastfreundschaft. Die Hotels, in denen wir unterwegs übernachteten waren durchweg alle gut in Ordnung, sauber, ordentlich, boten Komfort, immer mit guter Küche und das bei sehr niedrigen Preisen. Die uns begleitenden Fremdenführer verstanden ihr Handwerk, sprachen aber meist nur Englisch. Wir haben einen sehr kleinen Ausschnitt von all den Schönheiten des Landes gesehen, das sicher mehr als nur eine Reise wert ist und um mal einen Gemeinplatz zu bemühen, immer noch ein Geheimtipp ist. Dabei beschleicht mich das ambivalente Gefühl, das es auch so bleiben soll, andererseits würde ein verantwortungsvoller Tourismus dem Land Mazedonien sehr gut tun und den Menschen helfen.
Ein Beitrag mit Fotos für ReiseTravel von Wolfgang Grüner.
Unser Autor Wolfgang Grüner ist freier Journalist für Touristik, Kulinarik und Musik und lebt in Köln.
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