München | Der Viktualienmarkt in München |
Der Viktualienmarkt in München
Wo München noch bayrisch ist: Der Duft von frischem Kaffee und gebackenen Brezn steigt in die Nase. Es ist fünf Uhr morgens, die meisten Münchner noch schlafen, da geht es bei Karnoll’s am Viktualienmarkt schon geschäftig zu. Hildegard oder „Tante Hilde“ wie sie von vielen genannt wird, arbeitet seit 46 Jahren auf dem Markt. Vor 36 Jahren hat sie endlich einen eigenen Stand bekommen. Sie redet grad so, wie ihr der Schnabel gewachsen ist, schneidet dabei Kuchen auf dem Backblech und stapelt die Stücke in der Vitrine. Bei uns geht es meistens schon um vier Uhr los. „Die Brezen sind der Schlager. Weils nirgends so gute kriegen wie bei uns, denn die werden ganz frisch gebacken“, sagt sie ganz stolz. Wer kann da schon widerstehen. Ein Plakatmaler, ein Mann von der Müllabfuhr und ein paar Handwerker frühstücken bereits. Es kommen immer die gleichen Stammgäste. Der erste Kunde im Anzug erscheint, er arbeitet in einem Büro in der Maximilianstraße und ist Frühaufsteher. Er genießt es, den Kaffee in der frischen Luft zu trinken. Das Publikum ist wie aus der Fernsehserie „Münchner G’schichten“ entsprungen. „Wenn man nicht da ist, wird man vermisst“, sagt Hilde, „ist das nicht schön?“
Auf dem Viktualienmarkt findet man alles, was das Feinschmeckerherz begehrt. Es gibt nichts, was es nicht gibt: Obst und Gemüse, Fleisch und Wurstwaren, Käse und Milchprodukte, Brot und Backwaren, Geflügel und Fisch, Feinkost aus aller Welt, Wein und Spirituosen, Blumen und Pflanzen, Honig, Säfte, Gewürze und Kräuter und sogar Geschenke und das schon seit über 200 Jahren. Auf einer Fläche von 22.000 qm bieten 140 Händler ihre Waren feil.
Margarete und Johannes Ecker fangen an ihrem Obststand jeden Tag um fünf Uhr mit der Arbeit an. Johannes ist noch im Kühlhaus und holt die Ware. Unter dem Viktualienmarkt gibt es einen großen Keller mit Kühlung. „Wenn wir mit dem Einräumen fertig sind, dann fährt Johannes zur Großmarkthalle, um einzukaufen“. Der Stand mit bayrischen Brotspezialitäten hat bereits geöffnet. Elisabeth Forster ist schon seit 1950 auf dem Markt. Ab halb sieben geht es los, da kommen die Lieferanten und auch schon die ersten Kunden. Die Bäckerliesl, so wird sie von allen genannt, ist wohl die älteste Marktfrau. „Ich war die Kleinste, Jüngste und Frechste“, erzählt sie. Damals gab es kein fließendes Wasser, da ist oft im Winter das Wasser im Eimer gefroren. Sie ist klein und braucht ein Podest, um über die Theke zu schauen. Ihr Mann ist gestorben, in zweiter Ehe ist sie mit dem 54-Jährigen Neffen ihres verstorbenen Mannes verheiratet. „Ich mag das Marktleben“, sagt der zweite Ehemann. „Mein junger Mann und die frische Luft halten mich jung“, sagt sie verschmitzt lachend. Ein Jogger zieht seine Runden über den Markt. Lieferanten verteilen Waren. Ein Stand nach dem anderen macht auf und geschäftiges Treiben herrscht überall.
Beim Obststand Tretter, rollt Hans noch müde die Planen hoch. Dann räumt er nach und nach das Obst, Gemüse und Südfrüchte in die Auslagen. Ein Obdachloser hat die Erlaubnis der Standlleute, am Markt zu schlafen, denn er sorgt nachts für Ordnung. Er trollt sich bis zum Abend davon. Er wird auch von der Marktaufsicht toleriert. Reinhard Brandl, der Marktaufseher, liebt seinen Job, denn auf dem Markt ist es noch so richtig griabig. Er kennt alle samt ihren Familiengeschichten. Er scheucht Autos vom Markt und achtet darauf, dass die Stände nicht zu groß werden.
Sechs Uhr, bei Fisch Witte wird Eis in die Theken gefüllt um den frischen Fisch auszulegen. Tische und Stühle werden ins Freie gestellt. Der Markt füllt sich langsam. Der Münchner sagt nur, er geht zum „Markt“ und meint damit den Viktualienmarkt. Köche, Hausfrauen, Mütter mit Kindern und Rentner sind die Kunden der ersten Einkaufswelle. „Habe die Ehre“, begrüßen sich die Standl-Leut’. Jetzt ist noch Zeit für ein Schwätzchen zwischen den Standleuten. Der Postbote geht von Stand zu Stand und verteilt die Post.
Der Saftladen von Brigitte Schweiger ist ein Magnet. Schon ab sechs Uhr gibt es frisch gepresste Säfte. Im Sommer werden saure erfrischende Säfte und im Winter heiße Säfte, wie heißer Apfelsaft mit Holunder oder Zimt bevorzugt. Den Saftladen gibt es schon lange, der Vorgänger hat in den fünfziger Jahren mit einer Wäscheschleuder Karottensaft hergestellt. Eine andere Institution und das schon seit 1903 ist das „Saure Eck“ der Familie Freisinger. Saure Delikatessen und Eingelegtes aus aller Herren Länder wie Oliven, Gurken, Sauerkraut und Weinblätter werden neben Kräutern und Fladenbrot angeboten. Der Renner sind die Senf-, Salz und Essiggurken.
Ein paar Schritte weiter sagt Hans Hollweck, der Geschäftsführer der Rottler GmbH: „Wir sind der Stand, mit dem wohl umfangreichsten Angebot am Markt“. Hier gibt es Kräuter, Essige, Gewürze, Chutneys, Gelees, Öle und Trüffel. 60 verschiedene Marmeladen nach Rezepten aus Großmutterszeit, frei von Gelatine und Verdickungsmitteln. Mittwochs ist geschlossen, da produzieren wir unser Hausgemachtes, das kann dann samstags getestet werden.
Auf dem Viktualienmarkt gibt es die einzige Pferdemetzgerei Münchens von Kaspar Wörle. Fleisch, Geräuchertes, Regensburger und heiße Würstchen sind im Angebot. Kaspar erklärt: „Das Fleisch können sich auch normal Sterbliche leisten, denn es ist nicht so teuer“. Nur selten gibt es mal Anfeindungen von jungen Reiterinnen.
Um neun Uhr macht das Honighäusl auf und die ersten Touristen schlendern über den Markt machen Fotos und schnabulieren von allem ein bisschen. Die Suppenküche eine Institution am Markt hat schon auf. Die besten Suppen der Stadt sagt das Schild in Deutsch, Englisch, Italienisch und Japanisch. Tagessuppe „Gemüse Gärtnerin“ und eine Scheibe knuspriges Brot gibt es für 4,30 Euro. Kurz nach neun öffnet schon der Biergarten, der Münchner Spezialitäten anbietet. Viele Tische sind schon belegt. Münchner Spezialitäten wie Leberkäs, Leberknödel, Speckknödel, Weißwürste oder eine zünftige Brotzeit werden angeboten und ein frisches Bier sowieso.
Schluss mit dem morgendlichen Kaffeeklatsch. Marianne hat sich verratscht und eilt zu ihrem Standl. Die Marktweiber galten früher als g’schert, frech oder derb. Heute wird der Kunde mehr umworben, doch hi und da kommt der rustikale Ton doch noch durch. „Ist der Radi holzig?“, fragt der Kunde. „Ja reinschaun kann i net“, antwortet die Standlfrau. Einmal in der Woche proben die Marktfrauen im Winter für den Tanz der Marktfrauen am Faschingsdienstag. Der berühmte Tanz hat Tradition. „Hauptsach’ es wird a Gaudi“, sagt Regine Kölbl, die Umtriebigste. Mittlerweile kommen Fernsehteams sogar von Japan angereist um den Tanz aufzunehmen. Es sind vor allem die Menschen, die den Markt so unvergleichlich machen.
Alexander Willer, der Exotenmüller auf dem Viktualienmarkt versorgt München mit exotischen Früchten, Gemüse und Trockenobst. Tamarinden, thailändische Apfel-Bananen, kolumbianische Babacos, Chirimoyas. Hier werden Köche für die exotische Küche fündig. Es gibt Gemüse für die Thaiküche, wie Okaras und Zitronengras und Koriander. Zweimal in der Woche bekommt er Lieferungen direkt aus Thailand.
Beim Käse Lindner arbeite Gabriela Gerum schon seit mehr als 20 Jahren. Sie hat viel Stammkundschaft vom Vorgänger übernommen und kennt schon die zweite Generation der Kunden. Der Emmentaler ist der einzige Käse in München, der noch vom ganzen Laib verkauft wird. Man darf probieren. Ja, der schmeckt nussig, genauso, wie er sein soll. Kleine Stände mit steirischen oder mediterranen Spezialitäten, Gewürzen und Tees ergänzen das Angebot.
Um Halbzwölf Uhr schwappt die erste Welle der Berufstätigen, die hier zu Mittag essen über den Markt. Bei Fisch Witte ist Hochbetrieb, ohne Reservierung läuft da gar nichts, dafür sind die Fischgerichte zum Niederknien. Hier treffen sich die Feinschmecker und Köche. Es gibt Kulinarisches aus den sieben Weltmeeren, wo neben Fischen, frische Austern, Krustentiere oder Muscheln angeboten werden. Die Speisekarte wechselt täglich.
In der Suppenküche muss man mittags warten, bis man einen Platz bekommt. Weißwürste und Stockwürste gibt es bei Teltschik. Die Würste werden auf Wunsch „nackerd“, ohne Haut serviert. Die Metzgerläden bieten mittags Leberkässemmeln, Schnitzel und Schweinebraten an. Bei Metzger Maier, bestellt gerade ein Kunde aus Holland, Schweinebraten mit perfekt eingeritzter Schwarte, um ihn dann zu Hause im Backrohr zu braten.
Es bleibt nicht jeder an seinem Standl. Wenn die Zeit es erlaubt, herrscht ein reger Austausch. Besonders beim Lokalderby, da scheiden sich die Geister, da trennen sich die Fans, da wird heiß debattiert.
Der Maibaum und Biergarten ist das Herzstück des Marktes. Auf den Brunnen am Viktualienmarkt stehen keine Könige, sondern Volkssänger und Volksschauspieler. Karl Valentin, Liesl Karlstadt, Weiß Ferdl, Ida Schuhmacher, Roider Jackl und Elise Aulinger – aber das sind fr Münchner ja auch fast so was wie kleine Könige. Sie werden heute noch verehrt und es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht Blumen am Denkmal von Karl Valentin oder Liesl Karlstadt stecken.
Die Öffnungszeiten am Markt haben sich nach hinten verschoben, da die Kunden morgens nicht aus den Federn kommen, ist nun abends länger geöffnet. Am späten Nachmittag wird der Markt von Berufstätigen und Singles überflutet, die zum Einkaufen oder Essen kommen. Nach dem Andrang schließen die Standln ab sechs Uhr nach und nach und die Waren werden in die Kühlhäuser unter dem Markt gebracht. Und wieder geht ein Tag auf dem bayerischsten aller Märkte in München zu Ende, bis am nächsten Morgen das Leben mit seiner Farbenpracht und seinen Düften wieder beginnt.
Lage: Der Viktualienmarkt liegt zwischen Rindermarkt, Blumenstraße und Frauenstraße ganz in der Nähe des Marienplatzes in München.
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 8:00 Uhr bis 18:00 Uhr
Samstag von 7:30 Uhr bis 16:00 Uhr.
www.viktualienmarkt-muenchen.de - www.muenchen.de - www.viktualienmarkt.de
Ein Beitrag für ReiseTravel von Gabi Dräger. Sie lebt und arbeitet in München.
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