Moskau

Der Kremlflieger

Vor 25 Jahren platzte der Traum der sowjetischen Luftabwehr, welche sich bis dato für unüberwindbar hielt. Ein gerade einmal 19jähriger aus Wedel bei Hamburg landete mit seiner einmotorigen Cessna nach mehrstündigem Flug unerlaubt auf dem Roten Platz in Moskau. Allen modernen Radaranlagen und Flugabwehrsystemen zum Trotz.

Eine Blamage für das Militär der Sowjetunion. Für den Teufelsflieger (Washington Post) und Luftraumverletzer (Neues Deutschland) Mathias Rust, der damit weltweit für Schlagzeilen sorgte, war es eine Protestaktion für den Weltfrieden. Sie bescherte ihm Berühmtheit und eine Freiheitsstrafe in Moskau.

Im Mai 1987 trauten die Moskauer ihren Augen nicht, als ein Sportflugzeug über dem Roten Platz kreiste. „Wenn ich gewusst hätte, was sich daraus entwickelt – ich würde es nicht noch mal machen“, erklärt der damals 19jährige Kremlflieger heute. In seinem jugendlichen Leichtsinn wollte er als Einzelkämpfer eine Tür aufstoßen in eine bessere, friedlichere Welt. Wo sonst hätte man da ansetzen sollen, als direkt in Moskau.

Die Menschheit sollte vor einer Atomkatastrophe und einem dritten Weltkrieg gerettet werden – von Mathias Rust. Offiziell wollte er nach Skandinavien – an den Ort, an dem die Friedensverhandlungen zwischen Gorbatschow und Reagan ergebnislos beendet worden waren. Von Finnland aus flog er dann über den angeblich am besten überwachten Luftraum der Welt – über die Grenze in die Sowjetunion.

Einer Kette von unglücklichen Zufällen verdankte Rust das unbemerkte Eindringen in den Luftraum angeblich - nach dem Absturz einer Transportmaschine waren jede Menge Rettungskräfte unterwegs. Zwischen all diesen Punkten auf dem Radar verlor man Rust aus den Augen, so wurde später von russischer Seite erklärt. Allerdings wurden auch Stimmen laut, die auf eine Verschwörung hinwiesen.

Den roten Platz zu finden, habe er sich leichter vorgestellt, sagte Rust später. Und dann waren da noch unglaublich viele Leute, denen er signalisieren musste: „Ihr müsst weg, ich will da runter“. Schließlich landete er auf einem Parkplatz vor der Basilius-Kathedrale. Allerdings - einen Plan, wie es nach der Landung weitergehen sollte, hatte er nicht.

Zunächst wollte er einfach wieder abfliegen, dann kamen die Leute und wollten Autogramme haben. Schließlich kam der Moskauer Polizeichef auf ihn zu. Der fand die Idee des Friedens zwar gut, verbrachte Rust aber dennoch zunächst einmal in die nächstgelegene Polizeidienststelle. Drei Monate nach seiner Landung begann der Prozess mit der Verlautbarung der Strafe: Vier Jahre Arbeitslager! Wohin man ihn aber nicht bringen konnte – aus Sicherheitsgründen. Ca. 2000 Männer wurden wegen ihm aus dem Militärdienst entlassen, Racheaktionen waren da nicht ausgeschlossen. Nach vierzehn Monaten Haftanstalt wurde Rust begnadigt und reist heute als Finanzberater um die ganze Welt. Allerdings nicht mit seiner Cessna, welche mittlerweile zum Museumsstück geworden ist.

Kurz nach dem Kremlflug wurde der Vertrag zur Beseitigung aller atomaren Mittelstreckenwaffen zwischen Gorbatschow und Reagan unterzeichnet. Vielleicht war Rust doch ein wichtiges Rädchen im Hinblick auf die Perestroika.

Buchtipp: ReiseTravel empfiehlt – Buch zur TV-Sendung

Der Kreml-Flieger: In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre sehnen sich sehr viele Menschen in Ost und West nach Verständigung und Entspannung, danach, dass die beiden sich scheinbar unversöhnlich gegenüberstehenden Blöcke aufeinander zugehen. Das gegenseitige Bedrohungspotential hat eine neue Dimension erreicht, Raketen mit Atomsprengköpfen sind auf den jeweiligen Feind gerichtet, US-Präsident Reagan droht mit einem „Krieg der Sterne“, und keine Abrüstung in Sicht. Da erscheint völlig überraschend ein Mann auf der politischen Bühne, auf dem schnell die Hoffnungen vieler Menschen ruhen: Michail Gorbatschow. Der neue, junge, dynamische Kremlführer verändert die Welt. Er wird als eine Art Messias gefeiert, ähnlich wie vierundzwanzig Jahre später US-Präsident Barack Obama. Von den USA, von Reagan, erhofft man sich nichts. Das erste Treffen zwischen ihm und Gorbatschow, 1986 in Reykjavik, geht aus wie das Hornberger Schießen.

Der Kreml-Flieger – Ed Stuhler - Ch. Links Verlag 

Im Kreml: Am 28. Mai 1987 landet der 19-jährige Mathias Rust aus Wedel bei Hamburg mit seinem Sportflugzeug auf dem Roten Platz in Moskau. Das gesamte Luftabwehrsystem des östlichen Militärbündnisses erweist sich als handlungsunfähig. Die Weltmacht ist blamiert. Michail Gorbatschow nimmt dies zum Anlass, die Militärführung auszuwechseln. Rusts Aktion trug mit dazu bei, die jahrzehntelange Macht der alten Hardliner zu brechen, den Krieg in Afghanistan zu beenden, die Rüstungskosten zu senken und den Bündnispartnern mehr Freiraum zu gewähren.
25 Jahre nach dem kuriosen Ereignis rekonstruieren eine ARD-Fernsehdokumentation von Gabriele Denecke und das parallel erarbeitete Buch von Ed Stuhler die historischen Folgen des Abenteuerfluges. Dafür befragten sie nicht nur exklusiv Mathias Rust, sondern auch die damaligen Außenminister Eduard Schewardnadse und Hans-Dietrich Genscher, den BND-Chef Hans-Georg Wieck und sowjetische Militärs.

Dokumentation über den Senstationsflug des 19-jährigen Mathias Rusts, der 1987 mit einer Cessna über den Eisernen Vorhang fliegt und damit die Sowjetmacht blamiert, wird im TV ausgestrahlt. Sein tollkühner Flug sorgte weltweit für Aufsehen und förderte die Perestroika - wenn auch anders als gedacht. Exklusiv berichtet Mathias Rust in unserer Dokumentation "Der Kremlflieger - Mathias Rust und die Landung auf dem Roten Platz" erstmals ausführlich über seinen Flug, seine Motive und die anschließende Haft im Moskauer Gefängnis.

Ed Stuhler, Jahrgang 1945, 1965 bis 68 Studium zum Chemieingenieur in Magdeburg, 1973 bis 78 Studium der Kultur- und Literaturwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin, ab 1976 Redakteur im Haus für Kulturarbeit in Berlin, seit 1979 freiberuflicher Autor. Liedtexte, Hörfunkfeatures und Buchveröffentlichungen

ReiseTravel Fact: Spannend und voller Action wie im Film: Aber so war eben, damals, im Kalten Krieg, vor 25 Jahren.

Der Kreml-Flieger Mathias Rust und die Folgen eines Abenteuers von Ed Stuhler, Ch. Links Verlag Berlin, ISBN 978-3-86153-666-6, www.christoph-links-verlag.dewww.edstuhler.de

Das Buch kostet im Buchhandel 16,90 Euro.

Sabine ErlEin Beitrag für ReiseTravel von Sabine Erl.

Redakteurin Sabine Erl zeichnet bei ReiseTravel für die Redaktion Lifestyle verantwortlich.

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