Potsdam

Die künstlerische Entwicklung des niederländischen Malers Vincent van Gogh (1853-1890) zeigt das Potsdamer Museum Barberini in seiner neuen Ausstellung anhand seiner Stillleben.

Van Gogh. Stillleben: 27 Gemälde, aus der Zeit von 1881 bis zu seinem Tod 1890, werden in Potsdam ausgestellt. „Es ist die erste Ausstellung, die sich ganz auf die Stillleben van Goghs fokussiert", sagte Museumsdirektorin Ortrud Westheider, zur Eröffnung.

„Stillleben waren für van Gogh das Experimentierfeld, auf dem er seine künstlerische Entwicklung vorbereitet und vorgedacht hat", erläuterte Kurator Michael Philipp. Stillleben waren für van Gogh ein durchgehendes Motiv und ein durchgehender Moment der Selbstvergewisserung.

Museum Barberini Potsdam: Stillleben Vincent van Gogh

Van Gogh. Stillleben, Ortrud Westheider, Lisette Pelsers, Michael Philipp, by ReiseTravel.eu

Museumsdirektorin Ortrud Westheider, Lisette Pelsers, Direktorin, Kröller-Müller Museum, Otterlo, Michael Philipp, Kurator der Ausstellung (v.l.n.r.)

Die Ausstellung Van Gogh. Stillleben untersucht den experimentellen und wegweisenden Charakter, den Vincent van Gogh (1853­–1890) seinen Stillleben beimaß. Jetzt wird erstmals die Bedeutung dieses Genres in seinem Werk gewürdigt.

In Stillleben hat der Künstler Singularität errungen: Sie waren das geeignete Medium für sein Ringen um die Ausdruckskraft der Farbe. Van Goghs künstlerische Entwicklung zeigt sich im andauernden Experimentieren in den Stillleben. Hier hat er die Moderne vorgedacht, ohne auf die Bedeutung zu verzichten, die sie in der niederländischen Kunst seit dem 17. Jahrhundert hatten. So entstand eine emblematisch-existenzielle Malerei, deren Energie bis heute ausstrahlt.

Über 170 Stillleben hat Van Gogh in dem einen Jahrzehnt seines künstlerischen Schaffens von 1881 bis zu seinem Tod 1890 gemalt.

Das Genre Stillleben bot ihm einen dankbaren Einstieg in die Malerei und wurde zu seinem Experimentierfeld zur Erprobung malerischer Mittel und Möglichkeiten. Seine Reaktion auf den Impressionismus, den Van Gogh in Paris zwischen 1886 und 1888 kennenlernte, zeigt sich in den Stillleben ebenso wie seine Verarbeitung von Einflüssen japanischer Farbholzschnitte. Gerade die Entwicklung zu einem immer freieren, intensiveren Umgang mit Farbe lässt sich anhand der Stillleben nachvollziehen.
Museumsdirektorin Ortrud Westheider

Van Gogh. Stillleben, Ortrud Westheider, by ReiseTravel.eu
„Die von Dr. Michael Philipp, Chefkurator des Museums Barberini, verantwortete Ausstellung Van Gogh. Stillleben zeigt die künstlerische Entwicklung des Malers anhand einer repräsentativen Auswahl von 27 Gemälden. Sie durchmisst das gesamte Spektrum des Künstlers von den in dunklen Erdtönen gehaltenen Studien des Frühwerks der Jahre 1881 bis 1885 bis zu den in leuchtenden Farben gemalten Obst- und Blumenstillleben, die in den letzten Lebensjahren in Arles, Saint-Rémy und Auvers entstanden sind“.
Kapitel der Ausstellung
Die Ausstellung Van Gogh. Stillleben zeichnet die entscheidenden werkgeschichtlichen und biografischen Etappen des Malers nach und veranschaulicht anhand einer repräsentativen Auswahl von 27 Gemälden die Bedeutung, die die Stillleben für seinen künstlerischen Werdegang hatten.

Den Haag und Nuenen, 1881–1885: Vincent van Gogh war bereits 27 Jahre alt, als er sich im August 1880 der Kunst zuwandte. Nachdem er ein Jahr mit Zeichenübungen im Selbststudium verbracht hatte, begann er im Winter 1881 mit Ölmalerei. Unterricht erhielt er in Den Haag von seinem angeheirateten Cousin Anton Mauve, einem angesehenen Maler der Haager Schule. „Mauve hat mich gleich vor ein Stillleben aus einem Paar alter Klompen und anderen Gegenständen gesetzt, und so konnte ich mich an die Arbeit machen“, schrieb Van Gogh Anfang Dezember 1881 an seinen Bruder Theo.

Stillleben boten einen dankbaren Einstieg in die Malerei. Zu den ersten Gemälden Van Goghs gehört Stillleben mit Kohl und Klompen. Anders als in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts, als Stillleben häufig der Darstellung von Pracht und Exotik oder der Vermittlung einer bestimmten Aussage durch Symbole dienten, verwendete Van Gogh einfache und alltägliche Dinge sowie ländliches Obst und Gemüse. Er beschränkte seine Palette auf wenige gedämpfte Farben, hauptsächlich unterschiedliche Brauntöne, teilweise mit Rot oder Grün gemischt.

Ging es ihm zunächst um das räumliche Verhältnis der Dinge zueinander, um Form und Perspektive, so beschäftigte ihn bald der Einsatz von Farbe: Unter dem Eindruck der Bücher Les artistes de mon temps (1876) von Charles Blanc und Du dessin et de la couleur (1883) von Félix Bracquemond, das er mehrmals las, begann Van Gogh im Herbst 1885 mit Farbkontrasten und -nuancen als Gestaltungsmitteln zu experimentieren. Studien wie Stillleben mit Äpfeln und Kürbissen dienten, wie Van Gogh Ende September 1885 an seinen Bruder schrieb, dem „Modellieren mit verschiedenen Farben“.

Auch die Naturliebe des Malers fand Ausdruck in seinen Stillleben.

Van Gogh besaß eine Sammlung von Nestern zahlreicher Vogelarten, die er – ebenso wie ausgestopfte Vögel – in seinem Atelier in Nuenen aufbewahrte. Das Motiv, zumeist mit Gelege, war in den niederländischen Stillleben des 17. und 18. Jahrhunderts weit verbreitet. Allerdings war es immer Teil eines größeren Arrangements aus Blumen in einer Vase, häufig auch mit unterschiedlichen Tieren. Erst Van Gogh zeigte ein Vogelnest als einzigen Gegenstand eines Gemäldes. Diese Bilder haben eine sinnbildliche Bedeutung. Wenige andere Motive könnten nachdrücklicher Nachkommenschaft und Geborgenheit symbolisieren. Dass zumindest letzterer Gedanke auch Van Gogh bei seinen Darstellungen der Vogelnester bewegte, zeigt ein Brief an seinen Bruder. Auf einer beigefügten Skizze eines einzelnen Vogelnests in einem Baum notierte er: „la nichée et les nids [die Brut und die Nester], die liegen mir am Herzen – vor allem die Menschennester, diese Hütten auf der Heide und ihre Bewohner“.

Paris, 1886–1888
Mit seinem Umzug nach Paris Ende Februar 1886 ließ Van Gogh die Niederlande und damit auch das von erdigen, dunklen Tönen bestimmte Kolorit und die Themen aus der bäuerlichen Lebenswelt hinter sich. Innerhalb der zwei Jahre seines Aufenthaltes in der französischen Hauptstadt gelangte er zu einer helleren, reicheren Palette und einem individuellen Stil. Dieser künstlerische Durchbruch bereitete sich in seinen Blumenstillleben vor. Mehr als 30 davon schuf Van Gogh in seinem ersten Pariser Sommer. Diese Motive gaben ihm auch die Möglichkeit, im großstädtischen Umfeld seine Verbundenheit mit der Natur aufrechtzuerhalten. Anregungen erhielt Van Gogh von den Blumenstillleben zeitgenössischer Maler, deren Werke er in Paris erstmals sah. Der von ihm am Meisten bewunderte war Adolphe Monticelli. Von ihm inspiriert experimentierte Van Gogh mit dunklen, farbigen Hintergründen und pastosem Farbauftrag.

Paris war nicht nur das Zentrum des europäischen Kulturschaffens, sondern auch eine Metropole der Gartenkultur, in der sich die Leidenschaft für Blumen auf alle gesellschaftlichen Kreise erstreckte. Öffentliche Parks wie der Jardin du Luxembourg oder der Voyer d’Argenson im nahegelegenen Asnières waren bei den Parisern beliebt, und Van Gogh malte dort ebenso Ansichten wie von den damals noch bestehenden Gärten in Montmartre. Das Stillleben Rosen und Pfingstrosen könnte auf einen Impuls durch ein Blumenstillleben von Édouard Manet zurückgehen. Es entstand im Juni 1886, im selben Monat als Van Gogh Manets Pfingstrosen in einer Vase von 1864 sah. Noch zwei Jahre später schwärmte Van Gogh in einem Brief an seinen Bruder Theo von der freien Malweise „in vollem, solidem Impasto“ dieses Bildes.

Wie die Impressionisten, deren achte Ausstellung im Mai 1886 er besuchte, las auch Van Gogh das Buch Grammaire des arts du dessin von Charles Blancs über das Gesetz der Simultankontraste. Es besagt, dass sich die Wirkung der auf dem Farbkreis gegenüberliegenden Farben gegenseitig verstärkt, wenn sie unmittelbar nebeneinander platziert sind. Blumen boten mit dem Kolorit ihrer Blüten einen natürlichen Fundus kräftiger Farben, die sich leicht und beliebig kombinieren ließen. Zum Eindruck impressionistischer Flüchtigkeit gesellt sich in Van Goghs Pariser Blumenstillleben bereits auch ein expressives Moment. Mit der Sichtbarkeit des Pinselstrichs ging es ihm auch um die künstlerische Handschrift.

Ungewöhnlich ist das Format des Stilllebens mit Wiesenblumen und Rosen, das im Museum Barberini gezeigt wird: Mit einer Größe von 100 x 80 cm zählt diese Arbeit zu den größten Stillleben Van Goghs überhaupt – größer noch als seine Sonnenblumen. Es ist eine Huldigung an den Sommer und vielleicht auch ein traditionelles Memento mori als Mahnung an die Vergänglichkeit des Lebens, ist doch die üppige Farben- und Blütenpracht der Wiesenblumen nur von kurzer Dauer. Sicher aber dürfte ihn die Signalhaft leuchtende Farbe interessiert haben. Claude Monet hatte dieser Blume in Landschaftsdarstellungen wie Mohnfeld (1873, Musée d’Orsay, Paris) kurz zuvor gehuldigt. Das Gemälde Vase mit Mohnblumen aus dem Wadsworth Atheneum in Hartford wurde erst jetzt nach umfangreichen Untersuchungen im Van Gogh Museum in Amsterdam als authentisches Werk Van Goghs bestimmt. Es wird hier erstmals nach dieser Zuschreibung ausgestellt und kann mit dem motivverwandten Stillleben mit Wiesenblumen und Rosen verglichen werden.

Zu den wichtigsten künstlerischen Entdeckungen Van Goghs in Paris gehörten neben japanischen Farbholzschnitten die Werke der Impressionisten und Neoimpressionisten, die er im Frühsommer 1886 kennenlernte. Auch wenn er sich keiner dieser Richtungen zugehörig fühlte, bezog er wichtige Anregungen aus der Auseinandersetzung mit diesen aktuellen Strömungen. Mit Paul Signac, einem der Begründer des Pointillismus, war er im Frühjahr 1887 in Asnières zum Malen unterwegs, wo das erweiterte Stillleben Restaurant-Interieur entstand. Aus diesen pointillistischen Versuchen entwickelte Van Gogh seine markante, dynamische Pinselschrift aus langen, kräftigen, nebeneinandergesetzten Strichen, die zum Merkmal seines Stils wurde.

Er begann, die Umgebung der Objekte in seinen Stillleben zu beleben. Zunächst nutzte Van Gogh die aufwendige Gestaltung einer Tapete im Hintergrund, um Komplementärkontraste von Rot und Grün, Blau und Orange zu setzen. Die Farbe ist bei Karaffe und Teller mit Zitrusfrüchten an vielen Stellen so dünn aufgetragen, dass die Leinwand noch durchscheint, was den zarten Eindruck des Bildes verstärkt. Das Volumen der Zitronen deutete Van Gogh mit feinen Schraffuren an, anstatt es aus der Farbe heraus zu modellieren. Bei den im Anschluss entstandenen Obst-Stillleben wird der Untergrund, der die locker verstreuten Objekte trägt, durch die gegeneinandergesetzten Schraffuren optisch zum Pulsieren gebracht. In Trauben, Zitronen, Birnen und Äpfel autonomisierte Van Gogh den Bildraum, indem er auf die illusionistische Dreidimensionalität verzichtete.

Auch in Paris dachte Van Gogh an emblematische Deutungsmöglichkeiten und übertrug sie in die Moderne. Die ungewöhnliche Kombination der Gegenstände auf dem Stillleben mit Gipsstatuette, aber auch die deutlich lesbaren Buchtitel weisen darauf hin, dass Van Gogh eine symbolische Aussage treffen wollte. In den Romanen Germinie Lacerteux (1864) der Brüder Edmond und Jules de Goncourt und Bel-Ami (1885) von Guy de Maupassant, Schlüsselwerken des literarischen Naturalismus, geht es um Verderben oder Erfolg bei Liebschaften. Auch die Statuette der Venus und die ihr als Attribut seit der Antike zugeordnete Rose weisen auf das Thema Liebe.

Arles, 1888–1889
Nach seiner Ankunft in Arles im Februar 1888 beschäftigte sich Van Gogh, fasziniert vom südlichen Frühling der Provence, mit Landschaftsdarstellungen. In wenigen Stillleben trieb er seine formalen Experimente mit Farbe und Faktur weiter voran. Sein langjähriges Bestreben, ein Gemälde nur in gelben Farben zu gestalten, verwirklichte er in den Sonnenblumen.

Vincent van Goghs Sonnenblumen sind die berühmtesten Stillleben der Kunstgeschichte. Er malte im August 1888 vier Versionen, im Januar des folgenden Jahres drei weitere. Die erhaltenen Fassungen befinden sich heute im Van Gogh Museum in Amsterdam, in der National Gallery in London, in der Neuen Pinakothek der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München, im Philadelphia Museum of Art, im Sompo Japan Nipponkoa Museum of Art in Tokio sowie in einer Privatsammlung – kein Museum wird diese Ikonen der Malerei jemals auf Reisen schicken.
Die Ausstellung Van Gogh. Stillleben präsentiert mehrere Werke aus dem unmittelbaren Kontext der Stillleben mit Sonnenblumen. Darunter das Stillleben Korb mit Zitronen und Flasche, das als Experiment in monochromer Malerei gilt – ein von Van Gogh lange angestrebtes Verfahren. Die Fläche der Tischdecke, die Struktur des Korbes und der Körper der Zitronen sind mit verschiedenen Gelbabstufungen formuliert. Die Sonnenblumen bereitete auch die gleichzeitig entstandene Vase mit Zinnien vor. Wie in zahlreichen Blumenstillleben aus seinem ersten Sommer in Paris präsentierte Van Gogh den Blumenstrauß vor einem monochromen, tiefdunklen Hintergrund, der die hellen Farben der Blüten zum Leuchten bringt. Die Kompaktheit der Blüten und die unmittelbare Nahsicht verleihen dem Strauß etwas Monumentales. Das Kompositionsschema entspricht dem der Sonnenblumen.

Van Gogh ging es nicht nur um die Wiedergabe der Dinge, sondern darum „der Natur und den Gegenständen Leidenschaft zu verleihen“ (Antonin Artaud). Er wählte mehrfach Objekte aus, die stellvertretend für den Künstler stehen und von seiner Identifikation mit den Bildern zeugen. Auch das Stillleben mit einem Teller Zwiebeln gehört zum Kontext der Stillleben mit Sonnenblumen. In diesem verdeckten Selbstporträt schilderte Van Gogh seine Situation im Januar 1889. Das Gemälde entstand kurz nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus in Arles. Dort hatte er zwei Wochen verbracht, nachdem er sich nach einem Streit mit Paul Gauguin einen Teil seines linken Ohrs abgeschnitten hatte. Das Stillleben ist künstlerische Bestandsaufnahme und Dokument ungebrochenen Arbeitswillens. Sofort nach seiner Rückkehr aus dem Hospital wollte Van Gogh wieder mit der künstlerischen Arbeit anfangen; seinem Bruder schrieb er, mit Stillleben beginnen zu wollen, um sich wieder an das Malen zu gewöhnen. Die brennende Kerze in diesem Stillleben erinnert an Paul Gauguin, dessen drohende Abreise im Dezember 1888 die gemeinsame Zeit und den Traum einer Künstlergemeinschaft nach nur zwei Monaten beendet und Van Gogh in eine schwere psychische Krise gestürzt hatte. In dem Stillleben Gauguins Stuhl (National Gallery, London) hatte Van Gogh im November 1888 auf der Sitzfläche diese brennende Kerze stellvertretend für den befreundeten Maler gezeigt. Pfeife und Tabak stehen für Van Gogh selbst. Auf Van Goghs Stuhl (Van Gogh Museum, Amsterdam), dem Pendant zu Gauguins Stuhl, hatte er diese Pfeife und den offenen Tabak gemalt. Jenes Stillleben zeigte im Hintergrund auch einige Zwiebeln in einer Holzkiste, auf der er seine Signatur angebracht hatte. So dürfte Van Gogh auch mit den Zwiebeln im Mittelpunkt des Gemäldes sich selbst gemeint haben. Zwiebeln werden mit Tränen und Schärfe verbunden werden, dessen hier ausgreifende grüne Triebe können aber auch für Wachstum und Selbstentfaltung stehen.

Das Stillleben mit Orangen, Zitronen und blauen Handschuhen entstand wenige Tage später, unmittelbar vor den Wiederholungen der Sonnenblumen für Paul Gauguin. Vielleicht sind die abgelegten Handschuhe nicht nur ein der kalten Jahreszeit geschuldetes Accessoire, sondern auch Ausdruck von Schutzbedürfnis und Verletzlichkeit. Jedenfalls hat Van Gogh mit seiner deutlich sichtbaren, am Stulpeneingang platzierten Signatur die persönliche Bedeutung dieses Kleidungsstücks herausgestellt. Nur wenige Monate nach Fertigstellung des Gemäldes ließ sich Van Gogh in die psychiatrische Klinik in Saint-Rémy-de-Provence aufnehmen.

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27 Gemälde von Vincent van Gogh, aus der Zeit von 1881 bis zu seinem Tod 1890, werden in Potsdam ausgestellt. „Es ist die erste Ausstellung, die sich ganz auf die Stillleben van Goghs fokussiert", sagte Museumsdirektorin Ortrud Westheider.

Saint-Rémy, 1889/90
Das Stillleben mit Lederpantoffeln entstand in der Abgeschiedenheit der Klinik in Saint-Rémy-de-Provence, in der Van Gogh innerhalb eines Jahres rund 140 Gemälde schuf – darunter fast keine Stillleben. Dieses Gemälde hat daher eine besondere Bedeutung: Dem für ein Stillleben ungewöhnlichen Motiv hatte sich Van Gogh schon 1881 in Den Haag mit landestypischen Klompen gewidmet, um es in Paris in den Jahren 1886/87 mit aufgereihten Stiefeln und im August 1888 in Arles mit dem Stillleben Schuhe (Metropolitan Museum of Art, New York) zu entwickeln. Während des Aufenthalts in der psychiatrischen Klinik Saint-Paul-de-Mausole nahm er das Thema erneut auf. Nun symbolisiert es Aufbruchsstimmung: Die dem Betrachter zugewandte offene Seite lädt dazu ein, in die Schuhe zu schlüpfen und loszulaufen.

Auvers, 1890
Nach einjährigem Klinikaufenthalt in Saint-Rémy zog Van Gogh im Mai 1890 nach Auvers-sur-Oise bei Paris. Dort müssen die blühenden Kastanien, stärkster Ausdruck der Lebenskraft des Frühlings, dem für Natureindrücke empfänglichen Van Gogh ein Gefühl der Vitalität vermittelt haben. Innerhalb von nur zwei Monaten bis zu seinem Tod am 29. Juli schuf er knapp 80 Gemälde, darunter zehn Stillleben. Die Ideen der Impressionisten, die eine Auflösung der Formen angestrebt hatten, hatte Van Gogh in diesen Bildern hinter sich gelassen. Der Maler schrieb am 3. Juni 1890 an seinen Bruder: „Und ich hoffe auch, dass das weitergeht, dass ich mich meines Pinsels viel sicherer fühle als, bevor ich nach Arles ging“. Von diesem Selbstbewusstsein zeugt das Gemälde Blühende Kastanienzweige. Es ist das größte von Van Goghs späten Stillleben und zugleich sein expressivstes überhaupt. Er malte in den leuchtenden Farben weiter, wie er sie im Süden Frankreichs gesteigert hatte. Van Gogh belebte das vermeintlich statische Genre des Stilllebens, als seien die Emotionen des Malers den dargestellten Dingen eingeschrieben.

Von Achim Klapp.

Museum Barberini, Humboldtstr. 5–6 Alter Markt, D-14467 Potsdam. www.museum-barberini.com/van-gogh - prolog.museum-barberini.com/vangogh

Van Gogh. Stillleben vom 26.10.2019-2.2.2020: „Stillleben sind der Anfang von allem“, sagte Van Gogh im Winter 1884/85.

Ein Beitrag für ReiseTravel von Gerald H. Ueberscher

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