Berlin | Bündnis gegen Homophobie |
Polnische Menschenrechtsaktivistin erhält Respektpreis des Berliner Bündnisses gegen Homophobie
Menschenrechtsaktivistin Elzbieta Szczena: Seit 2009 vergibt das „Berliner Bündnis gegen Homophobie“ den undotierten Respektpreis. Im letzten Jahr ehrte man die türkisch-deutsche Rechtsanwältin Seyran Ates aus Berlin. In diesem Jahr bekam eine Polin den Preis zugesprochen. Am 2. Dezember überreichte Arbeits- und Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) die Ehrung an die polnische Menschenrechtsaktivistin Elzbieta Szczena.
In Warschau schlugen vor 8 Jahre hasserfüllte, schwulenfeindliche Menschen auf den Sohn der Preisträgerin ein und verletzten ihn schwer.
Elzbieta Szczena war geschockt ob des Angriffs auf ihren Sohn. Sie wünsche keiner Mutter auf der Welt, das „eigene Kind so blutüberströmt und zutiefst verstört“ jemals betrachten zu müssen.
Seit dem menschenverachtenden Angriff engagiert sich die Preisträgerin im polnischen Verein „Akceptacja“, einer Vereinigung von Familien und Freunden von transsexuellen, bisexuellen und homosexuellen Menschen. Die Menschenrechtsaktivistin aus Polen ist nicht nur in diesem Verein aktiv, sie leitet ihn auch!
Die Vereinsvorsitzende kämpft mit ihren Mitstreitern unermüdlich gegen die Schwulenfeindlichkeit in Polen. Sie prangert offen und aktiv Diskriminierung und Gewalt an Schwulen an und tritt für gleiche Rechte für Minderheiten in unserem Nachbarland an. Kein leichtes Unterfangen in einem katholisch geprägten Land.
Wie sehr einflussreiche katholische Kreise sich gegen Homosexualität wenden, konnte man zeitgleich im jüngsten Land der EU, in Kroatien, erfahren.
Dort haben bei einer Volksabstimmung, die von katholischer Seite sehr viel Zuspruch und Unterstützung erhielt, sich die Mehrheit der Wähler gegen die „Homo-Ehe“ ausgesprochen.
In Berlin sagte die Preisträgerin in ihrer Dankesrede, es gelte auch „Solidarität zeigen mit denjenigen, die für ihre Liebe diskriminiert werden.“
Auch in Berlin ist nicht alles bestens bestellt in Sachen gleiche Rechte für Minderheiten.
Die Minderheit Homosexuelle ist laut Polizeipräsident Klaus Kandt im Jahre 2012 mit 90 schwulenfeindlichen Gewalttaten angegriffen worden. Nicht mal die Hälfte der Straftaten konnte aufgeklärt werden. Es ist auch ein offenes Geheimnis, dass Schwule Angriffe aus Scham oder anderen Gründen erst gar nicht zur Anzeige bringen. Das liegt sicherlich auch daran, dass Jahrzehnte lang Homosexualität unter Strafe stand.
Noch heute grölen an Stammtischen die Schwulenhasser vom „175 er“, wenn man im Fernsehen einen bekennenden oder geouteten Schwulen sieht oder über ihn redet. Es war der unsägliche Paragraph 175, der bis heute in volksdeutschen Köpfen das schwulenfeindliche Bild der Gesellschaft prägt.
Senatorin Kolat machte das in ihrer Rede auch deutlich. In der Multikulti-Millionenstadt Berlin treffe man in allen sozialen Schichten Homophobie, Menschenrechtsverletzungen und Menschenverachtung an, so die Politikerin.
Jeder Fall von Diskriminierung sei immer ein Fall zu viel. „Wir müssen daher immer genau hinschauen“, so die Senatorin.
Der Lesben - und Schwulenverband Berlin lobte das Engagement der Geehrten als „erhebliche Aufklärungsarbeit“ und teilte mit, man sehe so allmählich einen kleinen Wandel in der polnischen Gesellschaft in Bezug auf die Einstellung zur Homosexualität.
Dass es in Berlin, in Deutschland und Polen sowie anderswo noch reichlicher Überzeugungsarbeit bedarf, um gleiche Rechte für die Homosexuellen zu erreichen, belegen auch die Aussagen unseres Gesprächspartners. ReiseTravel sprach mit dem SPD-Politiker Rainer-Michael Lehmann. Er gehört seit 2001 dem Berliner Abgeordnetenhaus an. In seiner Fraktion ist er Sprecher für Integration. Rainer-Michael Lehmann wies darauf hin, wie schwer es beispielsweise Homosexuelle in Russland haben. „In Moskau kann ein CSD-Tag, wie man ihn in Berlin erleben kann, immer noch nicht stattfinden. Natürlich ist auch bei uns in Berlin, in Deutschland, noch nicht alles so gestaltet worden, wie man es sich gerne wünscht.
Schon vor vielen Jahren habe ich im Parlament einen Aktionsplan gegen Homophobie zusammen mit anderen Kollegen eingebracht. Denken Sie nur an den Berufsfußball. Bis jetzt hat es beispielsweise kein Profifußballer gewagt, sich zu seiner Homosexualität zu bekennen. Da läuft er immer noch Gefahr, in Stadien ausgebuht zu werden nur für sein persönliches, selbstbestimmtes sexuelles Leben. Darum kann man Frau Szczesnas gar nicht genug danken für ihren unermüdlichen Einsatz, was die Gleichberechtigung der Homosexuellen angeht. Eine sehr würdige und beeindruckende Preisträgerin erhält in diesem Jahr diese Ehrung.“
Reisen nach Polen sind immer empfohlen, nicht nur im Berlin Warschau Express
ReiseTravel Fact: In der Multi-Kulti-Stadt Berlin verleiht eine in der Türkei geborene Integrationssenatorin einer polnischen Mutter, deren Sohn aufgrund seiner Homosexualität krankenhausreif geschlagen wurde, einen Preis. Das klingt sehr gut, ist auch sehr gut.
Jeder soll schließlich sexuell so leben und glücklich werden, wie er es wünscht und sein dazugehörender Partner oder die Partnerin.
Unvorstellbar ist und bleibt eine Tatsache, die auch unter Beweis stellt, wie viel Aufklärungsbedarf noch geleistet werden muss: Im menschenverachtenden Dritten Reich der Nazis kamen 6 Millionen Menschen in den Vernichtungslagern um. Zu den Ermordeten zählen Juden, Kommunisten, Homosexuelle, Christen. In Polen befand sich in Oswiecim das größte Vernichtungslager der Nazis. Der deutsche Name Auschwitz-Birkenau bleibt für immer stehen als das planmäßige Töten von Menschen. In dem 1941 gegründeten KZ starben 1,1 Millionen Menschen, darunter auch zahlreiche Homosexuelle. Mittlerweile ist dieser traurige Ort ein UNESCO-Weltkulturerbe.
Jahrzehnte nach dem systematischen Ermorden von Juden und Homosexuellen auf polnischem Boden greifen menschenverachtende Schlägertrupps einen Polen an in der Hauptstadt Warschau und verletzten ihn schwer. Haben diese Schläger so viel Sympathie für das, was braune Elemente einst in Polen angerichtet haben? Wollen diese Trottel das braune Werk im Kleinen fortsetzen?
Im westlichen Europa haben wir in unserer Gesellschaft noch viel den Menschen beizubringen. So auch: „Lass die Homosexuellen in Ruhe! Sie lassen Dich ja auch in Ruhe.“
Ein Beitrag für ReiseTravel von Volker-T. Neef.
Unser Autor berichtet aus der Bundeshauptstadt und ist in Berlin wohnhaft.
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