Wilhelm Böing

Von der 707 zum Boing Dreamliner 787

Wie der größte Flugzeughersteller der Welt begann: Er hatte keinen Dollar in der Tasche, als er im Jahr 1868 in Detroit ankam: der 20-jährige Wilhelm Böing aus dem westfälischen Hagen-Hohenlimburg. Dem tatkräftigen Kaufmann war es in seiner Heimat zu eng, er wollte sich entfalten und suchte sein Glück im viel gelobten Amerika. Dass sein Name in amerikanischer Schreibweise ohne Umlaut, also mit oe statt ö, später einmal für den größten Flugzeughersteller der Welt stehen würde, wäre dem Auswanderer aus Westfalen wohl auch in seinen kühnsten Träumen nicht in den Sinn gekommen. Aber es kam so.

Nur Fliegen ist schöner: William Boeing.  Wie die viel zitierte Erfolgsstory „Vom Tellerwäscher zum Millionär“, so fing auch sie an, die Geschichte von Wilhelm Boeing - wie er sich inzwischen nannte. Das erste Geld verdiente sich der junge Mann als Hilfsarbeiter auf einer Farm, dann jobbte er für neun Dollar in der Woche als Bretterstapler in einem Bauholzgeschäft. Bergauf ging es, als er eine Anstellung in einer Eisenwarenhandlung erhielt. Dort wurde er von dem Holzhändler Charles L. Ortmann entdeckt, der ihn von der Stelle weg als Buchhalter in seinem Unternehmen engagierte. Damit veränderte sich Boeings Lebensweg entscheidend. Schnell erwarb sich der clevere Westfale Kenntnisse im Holzhandel und schon fünf Jahre später wechselte er mit seinen eigenen Ersparnissen und dem Erbteil seiner inzwischen verstorbenen Mutter selbst in den Handel mit Holz und Holzländereien. Sein kaufmännisches Talent war unübersehbar, Wilhelm Boeing erwarb große Ländereien. In Amerika war es beim Holzkauf üblich, dass man das Land, auf dem die Bäume wuchsen, auch erwarb. Boeings Aufstieg war kometenhaft. Er wurde Präsident eines Eisenwerkes, Bankdirektor und Aktionär einer Lebensversicherungsgesellschaft. Als der erfolgreiche Unternehmer 1890 im Alter von nur 42 Jahren an Influenza starb, hinterließ er seiner Frau Marie, geborene Ortmann und seinem Sohn und den beiden Töchtern ein Vermögen, das auf eineinhalb Millionen Dollar geschätzt wurde.

Seinem Sohn William Edward, Bill genannt, blieb es vorbehalten, den Familiennamen dem Flugzeug-Hersteller Boeing zu verleihen. Schon als junger Bursche ging Bill seine eigenen Wege. Dazu mag auch die Abneigung zu seinem Stiefvater beigetragen haben – die Mutter hatte nach dem Tod des Vaters wieder geheiratet. Er besuchte ein Internat in der Schweiz und studierte an der Sheffield School of Science in Yale. Die noch in den Kinderschuhen steckende Fliegerei faszinierte ihn so sehr, dass es für ihn eine Selbstverständlichkeit war, die erste Luftfahrtschau auf amerikanischem Boden 1910 in Los Angeles zu besuchen. Dennoch kam es für den groß gewachsenen Mann mit markanter Nickelbrille nicht zu dem Erlebnis, auf das er so sehr gehofft hatte: einen Mitflug beim dem erfolgreichen französischen Piloten Louis Paulhan.

Doch der Traum vom Fliegen ließ Boeing nicht los. 1915 machte er selbst den Pilotenschein und lernte den ebenfalls flugbegeisterten amerikanischen Offizier und Ingenieur George Conrad Westervelt kennen. Nachdem die beiden in Seattle ein Curtiss-Wasserflugzeug gesehen hatten, meinte Boeing zu seinem Freund: „Ich denke, wir können ein besseres bauen.“ 

Und sie taten es. Boeing hatte das Geld dazu und Westervelt versuchte sich als Konstrukteur. Es kam nicht unbedingt zum „großen Wurf“. Das erste Flugzeug von Boeing, nach den Initialen der beiden Erbauer B&W genannt, ähnelte sehr den schon fliegenden Vorbildern, nur der Motor war stärker. Und der ungeduldige William Boeing traute sich auch den Erstflug zu bestreiten, weil der ursprünglich vorgesehene Testpilot nicht rechtzeitig am Lake Union eintraf.

Große Begeisterung löste das Flugzeugmodell bei der Kundschaft allerdings nicht aus. Gerade mal zwei Exemplare wurden gebaut und schließlich als Schulflugzeuge nach Neuseeland verkauft. Aber der Anfang war gemacht. Am 15. Juli 1916 ließ sich William Boeing offiziell als Flugzeughersteller eintragen, Pacific Aero Products Company hieß die Firma zunächst, ehe sie ein Jahr später in Boeing Airplane Company umbenannt wurde.

Die Geschäfte liefen mehr oder weniger gut, was aber weniger an den Konstruktionen der Flugzeuge lag. Maschinen für den Transport von Post standen in jenen Jahren im Fokus. Boeing und seine Leute mischten dabei ordentlich mit. So erhielt die Firma den staatlichen Zuschlag für die Postbeförderung zwischen San Francisco und Chicago und gründete dafür eigens die Boeing Air Transport (BAT), die später in die United Airlines aufging.

Mit dem Flugzeughersteller Boeing ging es erst mit dem Bau der ersten Passagierflugzeuge aufwärts. Das Model 80 ging als erstes von Boeing gebautes Verkehrsflugzeug in die Geschichte ein. Es war ein Doppeldecker mit einem Stahlrohrrumpf und Stoffbespannung. Immerhin konnten 18 Passagiere mitfliegen.

In der Luxusversion hatten zwölf Fluggäste auf Ledersesseln Platz, es gab Hutablagen, Leselampen, ein Belüftungssystem und fließend warmes und kaltes Wasser an Bord. „Pullmann der Lüfte“ wurde das Flugzeug genannt; in Anlehnung an die komfortablen Eisenbahnwaggon seinerzeit. Und ein weiteres Novum: Die Piloten saßen erstmals in einem geschlossenen Cockpit. 

William Edward Boeing hatte sich inzwischen aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen und die Leitung der Firma zunächst seinem Cousin Edgar Gott und später Philip Johnson übergeben. Er selbst übernahm den Vorsitz des Verwaltungsrats. Ende der zwanziger Jahre nahmen William Boeings Unternehmen schon eine bedeutende Rolle in der amerikanischen Luftfahrtindustrie ein. Nach der staatlich verfügten Aufspaltung der United Aircraft and Transport Corporation trat William Boeing von seinen Ämtern zurück und verkaufte alle Firmenanteile. Der Name Boeing ist wie kaum ein anderer mit der Luftfahrt verbunden. Am 28. September 1956 starb William Edward Boeing, der Sohn des deutschen Einwanderers Wilhelm Böing aus Westfalen, nur drei Tage vor seinem 75. Geburtstag nach einer Herzattacke an Bord seiner klassischen, fast 40 Meter langen Motoryacht „Taconite“. www.lufthansa.de

Ein Beitrag für ReiseTravel von Wolfgang Weber.

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