Volker Tschapke | Gründung der Deutschen Reiches |
Jahrestag der Gründung der Deutschen Reiches
Sehr geehrte ReiseTravel User, verehrte Freunde der Preußischen Gesellschaft Berlin-Brandenburg: Vor 140 Jahren, am 18. Januar 1871, fand im Spiegelsaal des Schlosses Versailles in der Nähe von Paris nach dem dritten der Einigungskriege, diesmal gegen Frankreich, die sogenannte Kaiserproklamation statt.
Wilhelm I., König von Preußen, war von nun an – sogar ein wenig gegen seinen eigenen Willen - Deutscher Kaiser. Dieser Akt, vom Maler Anton von Werner für die Nachwelt festgehalten, war die Geburtsstunde des zweiten deutschen Reiches. So ungewöhnlich die Umstände, so ungewöhnlich der Weg bis zu diesem Ereignis. Der Architekt dieser Reicheinigung unter Preußens Führung, Reichskanzler Graf von Bismarck, später Fürst von Bismarck, hatte es bis dahin nicht immer leicht mit seinem König. Der am Ende stehende Erfolg gab seinen Anstrengungen und auch der Wahl der Mittel bis dahin die geschichtliche Bestätigung.
Doch thematisieren wir die Reichsgründung nicht umsonst oder zufällig im März. Denn gehen wir ein wenig in der Zeit zurück, ins Jahr 1849, so treffen wir am 28. März in der Frankfurter Paulkirche eine Nationalversammlung an, die just an diesem Tag, ein Jahr und zehn Tage nach den Aufständen in Berlin, eine Verfassung verabschieden will, einen Reichstag einberufen möchte und den Preußischen König bitten will, die Kaiserwürde anzunehmen. Eine schwache Mehrheit stimmt für den Vorschlag. Und so trifft nach umständlichen Reisewegen am 3. April 1849 eine Abordnung der Paulskirchenparlamentarier in Berlin ein. Die Stimmung im Berliner Schloss ist eisig. Selbst die bescheidene Bitte nach einem Glas Wasser nach der langen Reise wird rundweg abgeschlagen. Endlich steht die Abordnung dem König gegenüber und Delegationsleiter Simson bittet König Friedrich Wilhelm IV., die auf ihn gefallene Wahl zum deutschen Kaiser anzunehmen.
Dieser entgegnet jedoch diplomatisch, ohne die Legitimation der Nationalversammlung direkt infrage zu stellen, er wolle durch die Annahme der Wahl keine „heiligen Rechte“ verletzen. Denn er könne ja ohne das „freie Einverständnis“ der Fürsten keine zustimmende Entscheidung fällen. Die jeweiligen Regierungen müssten vorerst prüfen, ob sie der beschlossen Verfassung überhaupt zustimmen könnten.
Insgeheim lehnt er die ihm angebotene Krone ab, da sie mit dem „Ludergeruch der Revolution von 1848, der albernsten, dümmsten, schlechtesten -, wenn auch gottlob nicht bösesten dieses Jahrhunderts“ behaftet sei. Das war also eine klare Absage an das Bürgertum und die konstitutionelle parlamentarische Monarchie.
Die Abordnung der Früh-Parlamentarier erkannte, dass ihre Kraft nicht ausreichen würde, die junge Verfassung gegen die souveränen Fürsten durchzusetzen. Preußen schickte an die deutschen Fürstenhöfe eine Note, in der es seine Bereitschaft erklärte, an die Spitze eines deutschen Staatenverbandes zu treten, wenn die Fürsten dazu ihr Einverständnis erklären würden. Diese jedoch zögerten.
Volker Tschapke Präsident Preußische Gesellschaft Berlin-Brandenburg
So kam es, dass erst mit Übernahme der Regentschaft und späteren Krönung von Wilhelm I. zum Preußischen König und dem Beginn der politischen Führung durch Otto von Bismarck wieder am „Projekt Reichseinigung“ gearbeitet wurde. Überzeugungsarbeit wurde mittels Stärke und technologischer Überlegenheit sowohl im Konflikt mit Dänemark 1864 als auch mit Österreich 1866 geleistet. Das Zündnadelgewehr, die Schnelligkeit der Truppen dank Eisenbahn, Telegraphische Kommunikation und solide Militärführung unter von Moltke ermöglichten klare Siege. Damit war die Überlegenheit Preußens im deutschen Hause bewiesen und Bismarck klug genug, den Verlierer von Königgrätz nicht mit einem Einmarsch preußischer Truppen in Wien zu demütigen, wissend, dass man Österreich vielleicht als (Junior-)Partner in Zukunft noch brauchen würde. Weniger zimperlich ging man z. B. mit dem Königreich Hannover um, das sich im Krieg 1866 auf die Seite Österreichs gestellt hatte. Das Königreich wurde kassiert, die Vermögenswerte eingezogen. Das Gold der Welfen ging in den so genannten „Reptilienfonds“ Bismarcks über, der daraus die Gelder zog, die man brauchte, um z. B. Ludwig II. von Bayern die Zustimmung zur Krönung des Preußischen Königs zum Deutschen Kaiser 1871 „abzukaufen“. Somit ist die Fananzierung einer der größten bayrischen Touristenattraktionen, Schloss Neuschwanstein, auch ein Verdienst Preußens. Genützt hat es Ludwig II. zu Lebzeiten allerdings wenig. Dafür profitiert der Freistaat Bayern bis heute.
Wilhelm I., der als „Kartätschenprinz“ geschmähte und auf Grund seines radikalen Vorgehens als Armeeführer gegen die Revolutionäre von 1848 zeitweise ins Exil gehen musste, stellte einige Jahres weiser fest: „Bajonette sind nur gut gegen die Bündnisse der Zeit, aber nicht gegen die Wahrheit, die in der Zeit liegt.“
Bismarck also ist der Mann der Stunde, der den König einerseits vor seiner eigenen Abdankung 1862 bewahrt und mit Geschick, Diplomatie und rücksichtsloser Zielstrebigkeit andererseits selbigen dazu bringt, die ungeliebte Kaiserkrone 1871 anzunehmen (aus einer Position der Stärke als siegreicher Feldherr heraus und nicht als Gedemütigter einer Revolution, wie es sein Bruder 1849 gewesen wäre). Die deutschen Fürsten tragen dem Preußischen König nun die Kaiserwürde an. Ganz besonders gerne tun es gerade die süddeutschen „Noch-Souveräne“, die 1866 zu Österreich gestanden hatten und nach dessen Niederlage aus Sorge vor dem erwachten Eroberungsappetit Frankreichs (angesichts des Kräftezehrenden deutsch-deutschen „Bruderkrieges“) schnell und heimlich Schutzbündnisse mit dem starken Preußen abschlossen. Es lag in ihrem vitalen Interesse, unter das Dach eines Reiches unter Preußens Führung schlüpfen zu dürfen. Und so war es Ludwig der Bayer, der zwar nicht wirklich glücklich über die Situation aber verabredungsgemäß als erster den neuen Deutschen Kaiser hochleben ließ. Vor eben 140 Jahren.
Als Zitat am Ende sei Friedrich der Große angeführt, der einst an Lordmarshall Keith schrieb: „Die Menschen betrachten uns Könige in derselben Weise, wie sie die kleinen Kinder betrachten, die schon mit ihrem Lallen Bewunderung ernten, als sei das schon viel für ihr Alter: ganz so erstaunt sind sie, wenn unsereiner weder stumpfsinnig noch närrisch ist, so dass man schon mit unseren bescheidensten vernünftigen Handlungen zufrieden ist.“
Sehr geehrte ReiseTravel User, vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Den Geburtstagskindern preußisches Fortune und alles Gute im neuen Lebensjahr, den Erkrankten baldige Genesung
Pro Gloria et Patria
Gott befohlen
Volker Tschapke
Präsident Preußische Gesellschaft Berlin-Brandenburg
Preußische Gesellschaft Berlin-Brandenburg e.V. c/o Hilton Berlin
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