Wendgräben

Einblicke in die DDR Kulturgeschichte und wie Künstler damals ihre Nische fanden

Seminar der Konrad Adenauer Stiftung: Das Ziel der DDR Kulturpolitik war es, die Menschen im Sinne des Sozialismus kulturell zu bilden. Kultur wurde als „sozialistische Kultur“ bezeichnet und in der DDR spielten Kunst und Kultur stets eine bedeutende Rolle. „Literatur und bildende Künste sind der Politik untergeordnet, aber es ist klar, dass sie einen starken Einfluss auf die Politik ausüben. Die Idee der Kunst muss der Marschrichtung des politischen Kampfes folgen“, wurde bereits 1951 zur Hauptaufgabe der SED erklärt: „Die Partei hat immer recht“.   

Die Konrad Adenauer Stiftung KAS ist eine politische Stiftung, die bundesweit und auch im Ausland agiert. Seit 1964 trägt sie den Namen des ersten Bundeskanzlers: Konrad Adenauer und dessen Grundsätze sind Leitlinien, Auftrag und Verpflichtung der Stiftung.

Das Bildungszentrum Schloss Wendgräben der KAS liegt östlich von Magdeburg im Jerichower Land. Für Fachtagungen, Seminare, Workshops, Trainings und Foren zur politischen Bildung sowie Ausstellungen, Lesungen und Konzerte stehen Hörsäle und Seminarräume zur Verfügung. Vierzig Gästezimmer und eine solide Gastronomie bieten einen angenehmen Aufenthalt.

„Kunst und Kultur in der DDR steht im Mittelpunkt unseres aktuellen Seminars“

Dr. Andreas Schulze

Dr. Andreas Schulze, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Politische Bildung im Bildungszentrum Wendgräben, vor dem Gebäude und mit Konrad Adenauer.

In diesem Seminar standen die kulturellen Aktivitäten der ehemaligen DDR im Vordergrund und diese lagen stets im Spannungsfeld zwischen offizieller Kulturpolitik im Sinne der SED einerseits sowie den Versuchen von Künstlern, mit ihrem Wirken die engen kulturpolitischen Grenzen schöpferisch zu überwinden. Eine Freiheit der Kunst war in der Praxis des SED Staates nicht gegeben, es herrschte Zensur. Nicht selten führte das Streben nach Verwirklichung der eigenen künstlerischen Freiheit zu Überwachung durch die Staatssicherheit, schließlich zum Berufsverbot, gar zu Haft oder Ausbürgerung.

Aufmerksam und interessiert folgten die Seminarbesucher den Ausführungen der Referenten. „Viele Kulturinstitutionen unterstanden dem Staatsapparat direkt, andere waren über ihre jeweiligen Vorstände an die SED angebunden und erhielten von dort „Empfehlungen“, die eher als Anordnungen zu verstehen waren“, führte Thomas Bürkholz aus. Der war bei der Rock Formation „Renft“, gründete nach deren Verbot seine „Formation Bürkholz“ erhielt später „Berufsverbot“ und fand danach seine „Nische“ als Komponist. Eindruckvoll schilderte er diese damalige Zeit, ganz persönlich und zeigte dies auch in Form bewegter Bilder.

Um die Interessen des Staates durchzusetzen und jegliche Ansätze von „bürgerlicher“ oder „imperialistischer“ Kultur zu unterbinden, unterlagen sämtliche Kulturbereiche der Kontrolle staatlicher Instanzen. So wurde eine Kulturpolitik „von oben nach unten“ praktiziert, die der SED großen Einfluss auf sämtliche Leitungsebenen im Kulturbereich sicherte. Eigene Erfahrungen dieser Art machte Frank Schult, Maler und Grafiker.

Frank Schult Maler

Frank Schult, 1948 in Ilmenau geboren war von 1980 bis 1985 Meisterschüler bei Willi Sitte und auf dem Weg zum persönlichen Erfolg. Dennoch stellte er 1985 einen „Ausreiseantrag“ und 1988 erfolgte seine Ausbürgerung aus der DDR. Zuerst in Celle und heute mit Gastprofessur an der Fachhochschule Hamburg hat er seinen erfolgreichen künstlerischen Weg zurückgelegt. www.frank-schult.de

Klaus Friedrich Messerschmidt studierte nach einer Lehre zum Möbeltischler an der Burg Giebichenstein in Halle unter anderem bei Hans Brockhage. In der Stadt Stollberg steht sein bekanntestes Werk: Zum 500. Geburtstag Thomas Müntzers 1989 wurde das Denkmal eingeweiht. Dessen vier Ecksäulen sind Abgüsse der Säulen mit geschnitzten Heiligenfiguren, die den Brand in Müntzers Geburtshaus 1851 überstanden haben. Die vordere Figur zeigt Müntzer selbst mit entblößtem Rücken, der symbolisch seine Verwundbarkeit darstellt. Mit der vermummten Gestalt wollte der Künstler Teile der alten Gesellschaft darstellen, die sich vor Müntzers Ideen verschließen. Nicht nur über dieses Kunstwerk sprach Klaus Friedrich Messerschmidt. Zahlreiche Facetten seiner Entstehung – von der ersten Idee bis zur Einweihung – hörte der Zuhörer. Diese damals teilweise negativen Diskussionen setzten sich auch nach der Wende 1990 fort.

Das Seminar „Kunst und Kultur in der DDR“ gab Einblicke in die „Kultur“ der ehemaligen DDR und zeigte auch auf, wie Künstler in dem engen vom Staat geschaffenen System ihre Nischen fanden. Doch diese damalige Kultur war auch Unterhaltung für die Menschen, leider fand diese Facette – mit seiner Massenwirkung im TV, Radio oder den zahlreichen Bühnen der Unterhaltungskunst der DDR – keine Berücksichtigung. Viel zu stark stand die „Westmusik im Osten“ auf dem Programm. Der Auftritt von US-Entertainer Bruce Springsteen am 19. Juli 1988 auf der Radrennbahn Berlin Weißensee stand im Vordergrund, auch dessen nachfolge Auftritte im heutigen Berlin der deutschen Hauptstadt. Ja, auch diese Zeiten waren schlimm, aber alles nur auf die „Stasi“ schieben, erscheint auch nicht der zukunftweisende Weg zu sein.  

ReiseTravel Fact: Das Seminar Kunst und Kultur in der DDR gab Einblicke in die DDR Kulturgeschichte und wie diese Künstler ihre Nischen fanden. Offizielle Aufgabe der Kultur in der DDR war die Förderung des Sozialismus und das künstlerische Schaffen beruhte auf einer engen Verbindung der Kulturschaffenden mit dem Leben des Volkes. Welche Kunst diesem Anspruch genügte, hing allein von der Entscheidung des Regimes ab. Dr. Andreas Schulze und sein Team hatten das richtige Gespür: Die Besucher des Seminars lobten, sparten aber auch nicht mit Kritik in Form von facettenreichen Anregungen.

Schloss Wendgräben: Das in einem weitläufigen Park gelegene Haus versteht sich für seine nationalen und internationalen Gäste als Ort für den offenen Diskurs und als Begegnungsstätte mit Vertretern aus Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur. Touristen bezahlen für das Doppelzimmer mit Frühstück 80 Euro.  

KAS Konrad Adenauer Stiftung, Wengräbener Chaussee 1, D-39279 Wendgräben, Fon 039245-952351, www.kas-wendgraeben.de

Ein Beitrag für ReiseTravel von Gerald H. Ueberscher.

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