Sylt

Klar zum Entern

Anarchie auf den Meeren um Sylt: Zweimal pro Woche wird die „Gret Palucca“ in der Hauptsaison zum waschechten Piratenschiff. Dann sticht der ehemalige Fischkutter im Auftrag der Reederei „Adler-Schiffe“ mit einer ganz besonderen Crew in See: Angeführt vom Oberpiraten Roberto „Robby“ Rossini übernehmen dann die Kinder das Kommando. „Verwachsene“ und „Verzieher“ dagegen haben nichts mehr zu melden.

Es ist ein herrlicher Sommertag, und der Lister Hafen zeigt sich von seiner besten Seite: bunte Sonnenschirme, Krabben auf den Tellern, daneben halb volle Weingläser. Doch ein seltsames Knattern stört die Idylle im Sylter Norden: Der Pirat von heute – er kommt mit einem roten Kleinbus. Im Admiralitätsrock und grobledriger Hose schwingt sich Roberto Rossini aus seinem Vehikel und betrachtet die Crew des heutigen Tages. 50 Gäste passen auf die „Gret Palucca“ – die Nachwuchspiraten werden selbstverständlich von ihren Eltern begleitet.

Etwas klein geraten scheinen die Süßwassermatrosen ja dann doch; das Alter liegt zwischen vier und acht Jahren. Aber ein richtiges Piratenleben kann man bekanntlich nicht früh genug beginnen. „Na, seid ihr heute meine Mannschaft? Und die Verwachsenen da? Gehören die zu euch? Sollen wir die auch mitnehmen?“ Ein leises Gekicher zeigt an, dass sich der Piraten-Nachwuchs zunächst noch an die umgekehrten Machtverhältnisse gewöhnen muss: Hier haben die Kinder das Sagen – Erwachsene sind bestenfalls dazu geeignet, das Deck zu schrubben.

Streifenhemd, Augenklappe, Plastikschwert. Wer ein echter Pirat sein will, sollte auch optisch einiges hermachen. Also: Kleidung für die Kleinen! Und eines ist sicher - mit Rotkäppchen haben die roten Kopftücher dieser Freibeuter ganz sicher nichts zu tun. Die Eltern dagegen werden – kaum an Bord - kurzerhand überfallen und gefesselt. „An Händen und Füßen“, befiehlt Roberto, „und das Bitte und Danke, das lassen wir mal schön bleiben“. Roberto mit seinem hageren und zerfurchten Gesicht sieht wirklich zum Fürchten aus, und dennoch gewinnt er schnell das Vertrauen der Kinder. „Eigentlich wollte ich ein ganz anständiger Mensch werden bei der Reederei“, erzählt er in einer ruhigen Minute. „Aber die haben gesagt: Du siehst aus wie ein Freibeuter – mach doch mal eine Piratenfahrt.“

Gesagt, getan: Roberto stets zur Seite steht Matrose Peter. Schließlich hat jeder große Mann seinen ergebenen Gehilfen. Bislang, so scheint es, läuft alles perfekt. Es sei denn… Wo ist eigentlich die Piratenflagge? „Das ist die helle da oben am Mast“, behauptet Peter. Es folgt das erste Seemannsgarn des heutigen Tages: Unter der heißen Sonne Afrikas sei die Piratenflagge ausgeblichen, behauptet der Leichtmatrose. Und zieht damit den Groll seines Chefs auf sich: „Glaubt ihr eigentlich, was der da erzählt? Der lügt doch schneller, als ein Seehund schwimmen kann.“ Roberto grinst verschlagen. „Ich glaube, wir müssen den Peter mal durchkitzeln, damit er die richtige Piratenflagge rausrückt.“ Gegen 20 Aushilfspiraten hat der Mann keine Chance: Also hisst Peter die richtige Totenkopf-Flagge, und die „Gret Palucca“ sticht als waschechte Piratenschaluppe endlich in See. Zur Begrüßung gibt’s den „Auslaufschluck“ – angeblich Rum, das Getränk aller Piraten, doch Alkohol sucht man hier vergebens. „Oans, zwoa, gsuffa“, ruft ein Vater seinem Sprössling noch zu. Doch der ist schon mit den übrigen Piraten in Richtung Bug geflitzt.

Dort lehnt Roberto lässig an der Kanone und leitet den ersten Überfall ein. Auf das Schwesterschiff „Rosa Palucca“, das rein zufällig den Weg der Piraten kreuzt. Der dortige Kapitän wird aufgefordert, sofort alle Schätze „rüberwachsen“ zu lassen, doch er weigert sich standhaft. Was Folgen hat: „Klar zum Gefecht! Alle roten Kappen runter!“, brüllt Roberto – und seine Mannschaft geht schneller in Deckung als ein Wattwurm bei Ebbe. Der nachfolgende Donnerschuss aus der Kanone überzeugt den fremden Kapitän sofort: Eine Ladung Münzen fliegt an Bord. Außen Gold; innen Schokolade. Genug für alle kleinen Piraten, auch wenn Roberto allenthalben versucht, möglichst viele Münzen selbst einzustecken.

Bei dem Überfall ist den Freibeutern zudem eine Schatzkarte in die Hände gefallen. Doch die ist so rätselhaft, wie eine echte Schatzkarte nun mal sein muss: „Acht tote Matrosen, vier tote Piraten“ – was das wohl zu bedeuten hat? In einer geheimen Piratensitzung wird das Rätsel entschlüsselt. Nur gut, dass der Oberpirat den Durchblick hat: „Wisst ihr was? Ich glaube, das sind Längen- und Breitengrade. Der Schatz liegt in der verbotenen Zone. Jetzt müssen wir nur noch Käpt’n Bangbüx überzeugen, dass er uns dahin fährt.“ Da ist wohl ein Besuch im Steuerhaus angesagt. Doch Bangbüx macht seinem Namen alle Ehre: „Verbotene Zone? Auf gar keinen Fall!“, wimmert er – und hätte es besser wissen müssen. „Kitzelfolter“ macht auch ihn gefügig und die „Gret Palucca“ nimmt Kurs auf das gewünschte Ziel.

Das liegt irgendwo in der Nähe des Sylter Ellenbogens. Und tatsächlich: Der Schatz kann gehoben werden. Rein zufällig hängt eine Kiste an einem Tau hinter dem Schiff. Oder ist es doch nur die Kiste mit seiner schmutzigen Wäsche, wie Matrose Peter standhaft behauptet? Wem kann man hier noch glauben? Peter auf keinen Fall, davon ist die fünfjährige Svea überzeugt - und davon lässt sich das Mädel auch nicht abbringen. Matrose Peter kommt kaum noch zu Wort. „Nein, Du lügst! Gib den Schatz her!“ – „Wollen wir uns nicht zuerst die Schatzkiste angucken?“ – „Nein, den Schatz!“ – „Oder ein paar Seesterne?“ – „Nein, gib den Schatz her!“

Die Profi-Piraten haben nicht nur ein großes Herz für Kinder, sie müssen auch improvisieren können. „Gegen die Kleine komme ich nicht an“, grinst Peter und öffnet ergeben die Truhe. Darin: schmutzige Wäsche. „Habe ich doch gesagt.“ Doch Svea lässt nicht locker. Es wird weiter gesucht und gekramt. Und endlich tauchen sie auf: leckere Golddublonen. „Wir machen halbe halbe“, schlägt Oberpirat Robby vor. „Ich die eine Hälfte und ihr die andere Hälfte“. Doch wenn es um Schokolade geht, beißt der Mann bei den Kurzen auf Granit. Es wird gerecht geteilt.

Nach knapp zwei Stunden wird es Zeit zurückzukehren. Käpt‘n Bangbüx hat bereits Kurs auf den Lister Hafen gesetzt. Als Heuer für die großartige Unterstützung an Bord überreicht Roberto jedem Kind schließlich noch ein Piratenpatent. Doch wird es den „Verwachsenen“ gelingen, am Festland wieder das Kommando über die Piratenmeute zu übernehmen? Bevor er Streifenhemden, Augenklappen und Kopftücher wieder einsammelt, gibt Roberto den Großen noch einen Auftrag mit auf den Weg. „So ein Piratenleben ist anstrengend. Die Kleinen werden heute früh schlafen. Aber ihr müsst ihnen vorher noch eine Gute-Nacht-Geschichte erzählen.“ Die Kleinen - da, mein Guter, ist man sicher - werden diese Geschichte mit Sicherheit einfordern. Nach so einem Törn.
Auf Piratenfahrt mit der „Gret Palucca“: Die Piratenfahrten finden bis Ende Oktober mehrmals wöchentlich statt. Die zweistündigen Fahrten ab Hafen List starten jeweils um 16.45 Uhr. Erwachsene zahlen 20,50 Euro, Kinder (4 bis 14 Jahre) 15, 50 Euro. Kinder dürfen nur in Begleitung eines Erwachsenen an der Piratenfahrt teilnehmen. Anmeldung unter 0 18 05 / 12 33 44, www.adler-schiffe.de

Sylt Marketing GmbH - Stephanstraße 6, D-25980 Westerland, www.sylt.de
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