Hagen | Tempolimit in Deutschland |
Die Argumente wiegen schwer, doch es tut sich nichts. Die unendliche Geschichte des Tempolimits mit 130 km/h auf Autobahnen nimmt kein Ende.
DVR - Deutscher Verkehrssicherheitsrates in Hagen: Hier wurde dieses wichtige Thema ausgiebig diskutiert. Und Dr. Bernhard Schlag erwies sich da als profunder Kenner der Szenerie, warb mit deutlichen Worten für die Einführung.
Berechnungen hätten ergeben, dass bei einem Tempolimit jährlich zwischen 80 und 140 Getötete weniger zu verzeichnen wären, Schlag nannte dafür zahlreiche Beispiele auf besonders gefährdeten Strecken der insgesamt 25.767 Kilometer Autobahn in einer Fahrtrichtung. Auf der Hälfte aller dieser Schnellstraßen sei die Durchschnittsgeschwindigkeit mehr als 130 km/h, bei Tempolimit 120 km/h fahren 38 Prozent mehr als vorgeschrieben und mehr als 130 km/h. „Wir können mit der Geschwindigkeitsbegrenzung die Zahl der Verkehrstoten auf jeden Fall senken“, ist sich der Professor von der Technischen Universität Dresden sicher.
„Denn hohe Geschwindigkeiten lassen wenig Zeit zu einer Fehlerkorrektur“, ließ er wissen. Bei seinem Vortrag unter dem Motto „Freie Fahrt für rasende Bürger?“ rief er nochmals in Erinnerung, dass Deutschland das einzige Land in der EU sei, in dem keine allgemeine, auf dem gesamten Autobahnnetz geltende Geschwindigkeitsbegrenzung existiert. „Die Republik ist diesbezüglich ein weißer Fleck auf der europäischen Landkarte“. Das sei nicht zu verstehen, so der Europäische Verkehrssicherheitsrat.
Beispiel: Auf der BAB 4 wurde im September 2017 auf einem Abschnitt zwischen Merzenich und Elsdorf nach einer Reihe von Unfällen mit insgesamt neun Toten danach eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h eingeführt mit dem Ergebnis, bisher kein Unfall mit Todesfolge.
Schlag machte noch geltend: Eine Mehrheit der Bevölkerung befürwortet ein allgemeines Tempolimit. Dazu passt auch die Einschätzung aus dem Bekanntenkreis des Autors, wo die überwiegende Zahl der Befragten meinte, „130 reicht, das hat nur Vorteile, darüber sollte es keine Diskussionen geben“. Und der Professor auf die Frage, ob er eine Chance sehe, dass in Deutschland mal das von ihm gewünschte Tempolimit kommt und wann, zeigte er sich ein wenig von der Vergangenheit enttäuscht. „Ich habe 2010 gesagt, 2020 werden wir das haben, aber ich war zu optimistisch. Bin mir aber sicher, die Begrenzung wird kommen“.
Professor Dr. Bernhard Schlag
Bliebe noch die provozierende Feststellung, ob der Bundestag und die Verkehrsminister der letzten Jahre zig Verkehrstote auf dem Gewissen haben. Damit werden sie leben müssen.
Mit einer ganz anderen Kategorie befasste sich Dr. Simone Klipp von der Bundesanstalt für Straßenwesen. „Zugedröhnt am Steuer ?“ wählte sie aus und sagte, Alkohol sei immer noch ein größeres Problem als Drogen. Letztere nähmen aber zu, hätten sich seit 1980 verfünffacht. Deutschland verfüge zwar über ein umfassendes Maßnahmensystem zur Prävention von Fahrten unter Alkohol und Drogeneinfluss, es würde jedoch noch nicht ganz den erwünschten Effekt zeigen. „Jeder 14. Getötete im Straßenverkehr ist immer noch Opfer eines Alkoholunfalls“. Als bewährte Maßnahme sieht sie die medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU), um Wiederholungstäter einzugrenzen. Ziel sei dabei die stabile Verhaltungsänderung der auffälligen Personen. Wie man sehe, sei das angebracht, „denn jede 3. MPU endet mit einem negativen Ergebnis“. Im Zusammenhang mit Drogen gelte es, sich auch bei Medikamenten zu überzeugen, was das Verkehrsverhalten beeinträchtigt. „Prüfen Sie, ob aus dem Beipackzettel für Sie Grün, Gelb oder Rot gilt“, riet Klipp den Betroffenen.
Den Konflikt zwischen Umweltschutz und Verkehrssicherheit beleuchtete Professor Dr. Ing. Christian Lippold zum Thema „Mein Freund der Baum?. Der Referent von der Universität Dresden vertrat die Meinung, dass an neuen schnell befahrenen Landstraßen ein solcher keine Berechtigung hat. Die landschaftsgerechte Einbindung gelänge auch über eine Begrünung mit Sträuchern. Das gebe es quasi zum Nulltarif. Probleme bereiten die Alleen, die noch aus einer Zeit stammen, wo das Gefahrenpotenzial gering gewesen sei. Jetzt gelte es, die Zahl der 599 jährlich an Bäumen Getöteten, 85 Prozent davon auf Landstraßen, zu minimieren. „Denn nicht jeder, der auf ein solches Hindernis aufprallt, ist ein Verkehrsrowdy“. Geeignete Maßnahmen seien in Alleen maximal Tempo 80 und dort keine Nachpflanzung oder Neupflanzung von Bäumen.
Diplomingenieur Christian Kräutler
Interessante Einblicke ins Motorrad fahren gab Diplom-Ingenieur Christian Kräutler. Er fokussierte „Den Reiz mit hohen Risiko“, sorgt sich als Sprachrohr des Kuratoriums für Verkehrssicherheit Wien um die schnellen Driver. In Österreich seien 2018 genau 102 Motorradfahrer zu beklagen gewesen, das Risiko zu verunglücken sei 30 Mal höher als mit dem Auto. Aber auch die Pkw-Lenker trügen daran Schuld, weil sie häufig den Vorrang des Schwächeren nicht beachten und Abbiegeunfälle provozieren.
Kräutler mit Tipps für die auf dem Krad: Stets die richtige und feste Bekleidung tragen, was vor schweren Verletzungen schützt. Sich sichtbar machen und beim zu erwartenden Grün nicht vorher anfahren. Mehr Bewusstseinsbildung ist zudem wichtig. Der Verkehrsexperte: „Motorradfahrer, speziell die Älteren, kaufen sich eine Maschine über 10.000 Euro und sparen dann am Fahrtechniktraining wegen 200 Euro. Das ist am falschen Ort gespart“.
Mit dem Motorrad fahren boome, weil es Lust und Freude verspreche. Und den Kick der Geschwindigkeit. „Letzterer als Freiheit auszuleben ist jedoch nichts für die Straße, sondern eher für eine Rennstrecke geeignet. Wenn man auf einer öffentlichen Straße unterwegs ist, dann muss die Vernunft im Vordergrund stehen“. Eindrucksvolle Bilder über Fahrfehler rundeten den Vortrag ab.
Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf, Universität Würzburg, sah in seinen Ausführungen, zu automatisierten Fahrzeugen, eine Herausforderung für die Rechtssprechung. Die Quintessenz: Es sei noch vieles in der strafrechtlichen Haftung ungeklärt und offen, tödliche Unfälle aus der Praxis mit einem Tesla im Autopilotmodus zeigen die Unwägbarkeiten auf. Die Lösung zwischen den technischen Möglichkeiten und den rechtlichen Vorgaben sind eines der juristischen Kernprobleme des automatisierten Fahrens.
Die Vortragsreihe komplettierte Kay Schulte vom DVR über „Möglichkeiten zur Verringerung von Ablenkungsgefahren“ und Professor Dr. Ing. Jürgen Follmann von der Hochschule Darmstadt zum „Schutz für die Ungeschützten“. Ersterer wies auf die vielfältige Ablenkung von Radfahrern und Fußgängern hin durch digitale Kommunikation und Lauschen von Musik mit Kopfhörern. Eine wirksame Prävention sieht er in Aufklärungskampagnen. „Es müssen Wege gefunden werden, die es ermöglichen, die notwendige Sensibilität aufzubauen, um eine persönliche Risikooptimierung zu erreichen“. Und Follmann will mehr Sicherheit im Fuß-und Radverkehr. „Die Infrastruktur wurde hier in der Vergangenheit vielerorts vernachlässigt. Sicherheitsdefizite wie durch falsch geparkte Fahrzeuge, hohe Wartezeiten an Lichtsignalanlagen, unübersichtliche Querungen oder nicht angepasste Geschwindigkeiten standen im Abwägungsprozess mit dem Kfz-Verkehr immer wieder hintenan“. Da würden erhebliche Potenziale zur Verringerung der Unfälle mit Personenschaden liegen.
Zum Presseseminar, unter dem Motto „Richtung Vision Zero - Was den Straßenverkehr sicherer macht“, zog Pressesprecherin Julia Fohmann vom DVR Berlin Fazit: „Unser Ziel ist, besonders über die Verkehrssicherheit aufzuklären, Hintergrundinformationen zu vermitteln und die Leute für die Themen zu begeistern. Und das in die Öffentlichkeit zu bringen“. Aktuelle Schwerpunkte seien die Fußgänger und Radfahrer sowie eine sichere Infrastruktur in der BRD.
Ein Beitrag mit Foto für ReiseTravel von Horst Wunner.
Unser Autor arbeitet als Journalist und lebt in Altenplos in Bayern.
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