Köln

Wie wirkt sich das Auseinanderdriften der individuellen Risikowahrnehmung und der tatsächlichen Eintrittswahrscheinlichkeit von Alltagsrisiken auf unser Verständnis von Versicherungen aus?

Unterschätzt oder überschätzt: Wahrnehmung und Fehlwahrnehmung von Alltagsrisiken. „Et hätt noch immer jot jejange“, sagt der Rheinländer. In einer aktuellen Studie hat das Goslar Institut untersuchen lassen, warum wir Alltagsrisiken wie die Autofahrt zum Arbeitsplatz als weniger gravierend wahrnehmen als etwa die Flugreise in den Auslandsurlaub.

"Risiko unterschätzt oder überschätzt"

Prof. Dr. Horst Müller-Peters, Kerstin Kornettka, Prof. Dr. Volker Wolff, Dr. Jörg Rheinländer, Axel Kleinlein (V.l.n.r. Foto Goslar)

Prof. Dr. Horst Müller-Peters, Kerstin Kornettka Moderatorin, Medienexperte Prof. Dr. Volker Wolff, Dr. Jörg Rheinländer, Generalbevollmächtigter der HUK-COBURG Versicherungsgruppe, Axel Kleinlein Vorstandssprecher Bund der Versicherten (V.l.n.r. Foto Goslar)

"Viel zu häufig werden relativ nebensächliche private Risiken abgesichert, während echte Risiken mit erheblich höherer Eintrittswahrscheinlichkeit und größerem Gefährdungspotenzial versicherungsseitig vernachlässigt werden", lautete der Grundtenor beim Goslar Diskurs in Köln.  

Die Risikowahrnehmung von Bürgern und Verbrauchern richtet sich nicht nur nach den wahren Eintrittswahrscheinlichkeiten von kritischen Ereignissen, sondern weicht in vielen Fällen deutlich und in systematischer Weise von der Realität ab. Dies führt nicht nur zu unnötigen Sorgen und Ängsten, sondern auch zu irrationalen Entscheidungen. Während gegenüber manchen Risiken unnötig vorgesorgt wird, entstehen an anderer Stelle Defizite in der Vorsorge und Absicherung gegenüber wesentlichen Gefahren des Alltags.

Zur Studie: Ziel der Studie ist es, Abweichungen in der Wahrnehmung von alltäglichen Risiken in der deutschen Bevölkerung aufzuzeigen. Im Wege einer repräsentativen Befragung wurde gemessen, wie unterschiedliche Risiken aus den drei Lebensbereichen „Auto & Mobilität“, „Eigentum, Beruf & Familie“ sowie „Gesundheit & Leben“ wahrgenommen werden. Dem gegenübergestellt werden die entsprechenden objektiven Eintrittswahrscheinlichkeiten dieser Risiken auf Basis verfügbarer statistischer Quellen.

Die Ergebnisse sollen zur Aufklärung der Verbraucher zu überschätzen Gefahren und zu vernachlässigten Risiken beitragen, und geben damit Hinweise zur Verbesserung individueller Entscheidungen im Bereich von Vorsorge und Absicherung.

Viele Menschen sind unsinnig versichert. Und zwar nicht unbedingt in dem Sinn, dass sie über zu viele oder zu wenige Policen verfügen, sondern weil sie sich gegen die falschen Risiken abgesichert haben: Elementare wurden vernachlässigt, weniger entscheidende dagegen – möglicherweise sogar mehrfach – abgedeckt. Die individuellen Lebensrisiken des Versicherten spiegeln sich dann nicht in seinen Versicherungen wider. Das kann im schlimmsten Fall existenzbedrohende Auswirkungen nach sich ziehen. Versicherungsberater stellen solche Problemfälle immer wieder fest, wenn sie eine Bestandsaufnahme bei (Neu-)Kunden vornehmen.

Die Ursachen des Phänomens „falsch versichert“ sind häufig fehlerhafte Risikowahrnehmung, -abschätzung und -bewertung seitens des Versicherten.

Wie Prof. Müller-Peters beim Goslar Diskurs erläuterte, spielen uns unsere kognitiven Fähigkeiten, mit denen wir Sinnesreize (Vorgänge) wahrnehmen und verarbeiten, dabei oft schlicht einen Streich. Dazu kommt es insbesondere, wenn komplexe Sachverhalte zu entscheiden sind. Denn unsere Fähigkeiten, also Wahrnehmung, Erinnern, Denken und auch der Gebrauch der Sprache, sind nicht so sehr auf langsames, analytisches Denken ausgelegt, sondern eher auf intuitives, schnelles Denken oder Entscheiden. „Das ist im Prinzip auch gut so, denn sonst wären wir nicht in der Lage, unseren Alltag mit seinen vielfältigen kleinen Entscheidungssituationen zu meistern“, stellte Prof. Müller-Peters in Köln fest.

Auf den Versicherungsalltag übertragen bedeuten diese Erkenntnisse über unsere „Aussetzer“: Viel zu häufig werden relativ nebensächliche private Risiken abgesichert, während echte Risiken mit erheblich höherer Eintrittswahrscheinlichkeit und größerem Gefährdungspotenzial versicherungsseitig vernachlässigt werden. Zu den vielfach überschätzten Risiken zählen laut der Studie des Goslar Instituts unter anderem Terroranschläge, Gewaltverbrechen, Computerkriminalität oder eben tödliche Verkehrsunfälle. Unterschätzt wird dagegen zum Beispiel das Risiko von Sachschäden mit einem großen Folgepotenzial, wie ein Brand- oder Leitungswasserschaden, die Häufigkeit von Rechtsfällen, sowohl bei zivilen Rechtsstreitigkeiten wie auch die Möglichkeit, unter einen Straftatverdacht zu geraten, sowie das persönliche Risiko, ernsthaft zu erkranken, berufsunfähig bzw. ein Pflegefall zu werden.

ReiseTravel Fact: Die Studie, die beim aktuellen Goslar Diskurs des Goslar Instituts in Köln erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, macht deutlich, warum uns alltägliche Risiken wie etwa die Fahrt zum Arbeitsplatz weniger Sorgen bereiten als eine Flugreise in den Auslandsurlaub. Dabei ist die statistische Wahrscheinlichkeit, zu Schaden zu kommen, in der ersten Situation, die wir jeden Tag aufs Neue durchleben, sehr viel höher als in der zweiten.

Die Studie wurde gefördert vom GOSLAR INSTITUT Studiengesellschaft für verbrauchergerechtes Versichern e. V. - Eine Initiative der HUK-COBURG. Breite Straße 13, D-38640 Goslar, Tel.: 05321 33 99 61, info@goslar-institut.de

Ein Beitrag für ReiseTravel von Gerald H. Ueberscher.

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