Poznan

Impressionen aus der geschichtsträchtigen Stadt Poznan

Es gibt in Polen nur sehr wenige Orte, die sich als Kaiser- und Königs-Stadt betiteln und dazu jeweils sehr ehrwürdige Prachtbauten aufweisen können. Die Stadt Poznan, auf halber Strecke zwischen Berlin und Warschau gelegen, gehört dazu. Vor mehr als 1.000 Jahren war sie die erste Hauptstadt Polens, mehr als hundert Jahre gehörte die Stadt unter dem Namen Posen zu Preußen und seit dem Jahr 1918 bis in die heutige Zeit ist sie ein attraktiver Platz für Wirtschaft, Handel und Tourismus im polnischen Staat. In ihren Stadtmauern finden sich das kaiserliche Residenzschloss des preußischen Posen und das Schloss und frühere Residenz polnischer Könige. Mit einer Vielzahl von faszinierender wie spannender Geschichte und Geschichten, angereichert durch verschiedenen Architekturstile, nimmt Poznan einen Spitzenplatz im Stadttourismus des Landes ein.

Poznan Polen

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Die polnischen Bamberger

Ein Stadtrundgang in Poznan kann nur auf dem Alten Markt beginnen. Hier liegt wie in den anderen ehrwürdigen alten polnischen Handelsstädten Krakow oder Wrozlaw auch in Poznan der wichtigste Punkt der Stadt. Mit einer Fläche von zwei Hektar ist er sogar verdächtig, den Europarekord der Marktplatzgröße zu halten. In seiner Mitte präsentieren sich neben dem imposanten Rathaus einige bunte Bürgerhäuser und rundherum eine Fülle von Restaurants, Bars und Klubs. Inmitten des Marktes neben dem Rathaus ist das mannshohe Denkmal für die Posener Bamberger errichtet, das eine Bamberger Wasserträgerin in ihrer Tracht darstellt. Anfang des 18. Jahrhunderts wurden nach Verwüstungen im Nordischen Krieg und starker Dezimierung der Bevölkerung durch König August II. etwa 100 Familien aus dem fränkischen Raum um die Stadt Bamberg in Dörfern um Posen angesiedelt. Heute ein Beleg für geglückte Integration und enge Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Polen. Hauptgründe dafür waren, wie historische Quellen berichten, dass die Bamberger die polnische Sprache erlernten und beherrschten und sich mehr als polnische und weniger als deutsche Posener fühlten. Übrigens hat das Denkmal der Bauersfrau, die zwei Wassereimer trägt, alle wechselnden politischen Ordnungen überlebt. Polnische Nationalisten, deutsche Besatzer und kommunistische Funktionäre haben es nicht angerührt. Heute bestünde höchstens die Gefahr, dass eine NGO verbieten will, die Schwerstarbeit von Frauen und fehlende Gleichberechtigung (wo ist der Wassereimer tragende Mann) zu huldigen. Versöhnlicher Schlusspunkt des Denkmals: Es steht am Eingang der rustikalen Gaststätte „Restauracja Bamberka“, in der auch Polen und Deutsche hervorragende Gerichte serviert bekommen.

Die Show am Rathausturm

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Pünktlich um 12 Uhr mittags finde ich mich vor dem Renaissance Rathaus ein. Hier haben sich bereits etwa 500 Menschen versammelt. Sie schauen alle auf ein Türchen im Rathausturm oberhalb der großen repräsentativen Rathaus-Uhr. Hier erscheinen jeden Tag um diese Zeit zwei Ziegenböcke, die zwölf Mal ihre Hörner aneinanderschlagen. Dazu bläst ein Trompeter ein Signal. Nach der Legende sollten im Mittelalter zwei Ziegenböcke am Bratrost schmoren und flohen auf das Dach des Rathauses. Der Woiwode nahm dies zum Anlass, den Tieren im Kirchturm des Rathauses ein Denkmal zu setzen. Eine amüsante Show für Touristen wie Einheimische. Aus Berlin kennt man derzeit nur Ansammlungen von Menschen vor dem Rathaus, wenn hunderte Feuerwehrmänner für bessere Arbeitsbedingungen und tausende Berliner Spaziergänger gegen die überzogene Corona-Politik demonstrieren. Zumindest tragen hier in Poznan wie in Berlin einige Zuschauer eine Gesichtsmaske.

Alles begann auf der Dom-Insel

Nicht weit entfernt vom Alten Markt befindet sich die Dom-Insel, die viele Polen kennen. Denn hier liegen die Keimzellen nicht nur der Stadt Posen, sondern darüber hinaus auch die Anfänge des polnischen Staates. Zunächst dominiert die Posener Kathedrale die Insel und ist schon von Weitem aus allen Richtungen zu erblicken. Die Kathedrale des heiligen Peter und Paul ist ein Spiegelbild der über tausendjährigen Geschichte der Stadt Posen und des polnischen Staates. Sie wurde geschrieben von Königen, Posener Domherren und Bischöfen. Besonders sehenswert ist die in byzantinischem Prunk schimmernde Goldene Kapelle. Sie entstand im 19. Jahrhundert und sollte in der Zeit der polnischen Teilungen an die ruhmreiche Vergangenheit Polens erinnern. Hier befinden sich auch die alten Gräber der ersten polnischen Herrscher, der Piasten-Herrscher Mieszko I. und Boleslaw I.

Wie wichtig historische Themen für das Land Polen bis in die Gegenwart sind, zeigt die auf der Dom-Insel errichtete Porta Posnania. Hinter diesem Namen verbirgt sich ein modernes Besucherzentrum. Hier wird sehr aufwendig mit moderner Technik die Stadtgeschichte erzählt, die zugleich immer auch die Landesgeschichte Polens darstellt. Der im Jahr 2014 errichtete Betonbau an der Warthe, der angeblich etwa 100 Millionen Euro gekostet haben soll, führt den Besucher in vier großen Sälen durch die vielen große Schlachten in der Geschichte Polens.

Kaiserschloss wird zum Kulturzentrum

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Westlich von der Altstadt im preußisch geprägten Teil von Poznan liegt das Kaiserlichen Residenzschloss. Es wurde in den Jahren 1904 bis 1910 erbaut und als Posener Residenz des letzten deutschen Kaisers und König von Preußen Wilhelm II. errichtet.

Das riesige Bauwerk erhielt ein neoromantisches Kostüm, eine weitere Seite der illustren Architekturstile der Stadt. Hier hatte der Kaiser viel Platz zum Wohnen zur Verfügung, wovon er, so registrierten die Historiker, nur noch zwei Mal Gebrauch machen konnte. Umso mehr Platz wurde für den Funktionsapparat der kaiserlichen Beamten mit endlosen Gängen und Büroräumen eingeräumt. Alles im und rund um das Schloss sollte als Symbol der deutschen Anwesenheit in Polen, als eine Vision des Deutschtums wahrgenommen werden. Es kam bekanntermaßen anders. Aber weder der Architekt des Bauwerkes Franz Heinrich Schwechten, noch die Heerscharen deutscher Beamten, die hier zwei Mal für kurze Perioden in Kaiser- und in Besatzer-Zeiten in Büros saßen, hätten sich je die Funktion der Residenz in der heutigen Gegenwart vorstellen können. Schon vor 60 Jahren wurde das Gebäude der Sitz des neu entstandenen Kulturpalastes und im Jahr 1996 der gesamte Bau zum Kulturzentrun ZAMEK umgewidmet.

An allen Ecken und Enden des in ein Kulturzentrum verwandelten Kaiserlichen Residenzschlosses springt dem Besucher geradezu heftig eine Fülle von Symbolhaftem der wechselvollen Geschichte der Stadt Posen und des Landes Polen ins Auge. So steht in der Durchgangshalle etwas verlassen der Thron von Wilhelm II. Das Möbel stand ursprünglich in dem bereits nicht mehr vorhandenen Thronsaal im 1. Geschoss des Schlosses. Seine Form des Sitzes knüpft an die mittelalterlichen Bischofsthrone an. Ganz in Marmor wiegt diese abgelegte Insignie der Macht beinahe vier Tonnen.

Und dann das Kulturzentrum ZAMEK. Es stellt die größte Kultureinrichtung der Region dar mit Kino, Theater und Konzertsälen, Bibliotheken, Werkstätten und Cafes.

Ständig betonen die Veranstalter an vielen Stellen: Wir sind kein Museum. Aber natürlich erzählt das ZAMEK in so vielfältiger Art und Weise die Geschichte des Schlosses, der Stadt und ganz Polen. Ab 3. März dieses Jahres können sich alle Besucher auf eine repräsentative Ausstellung zu den Arbeiten von Antoni Gaudi freuen. Eine ganze Reihe von Räumen sind dafür vorbereitet worden, darunter auch einige, in denen früher kaiserliche und Nazibeamte an Ihren Schreibtischen saßen.

Neben dem Schloss ein kleiner Park mit einem unscheinbaren Denkmal, an dem Blumen niedergelegt sind. Hier wird den im Jahr 1940 ermordeten polnischen Offizieren von Katyn gedacht. Und auf der gegenüber liegender Straße steht ein großes Denkmal für die Kämpfer des Aufstandes im Jahr 1956 gegen die kommunistische Regierung in Warschau. Die Geschichte lässt den Besucher in Posen nicht los.

Erlebnis Poznan

Die Stadt Poznan, am Zusammenfluss der Warthe - polnisch Warta - und der Cybina mit mehr als einer halben Million Einwohnern, davon nahezu 100.000 Studenten, ist jung. Sie kann im Zentrum auch als Bummel- und Partymeile fungieren, Großstadt-Trubel inklusive. In der Gegenwart hat sich die Stadt zu einer wichtigen Wirtschaftsmetropole entwickelt, Volkswagen produziert hier in großem Stil. Poznan profilierte sich seit vielen Jahren auch als internationales Messezentrum und Einkaufs-Paradies.

Nicht sehr weit vom Alten Markt entfernt befindet sich die Alte Brauerei im modernen Gewande. Kein Vergleich zur Kulturbrauerei in Berlin. Das Brauereigelände in Poznan ist mit etwa 120.000 Quadratmetern Fläche um ein Vielfaches größer. Hier entstand zudem ein riesiges modernes Einkaufszentrum zuzüglich eines Kunsthofes und einer großen Zahl von Kunstwerken. Das Markenzeichen ist eine überdimensionale Bronzeskulptur eines Bierkrugs in der Mitte des Innenhofes.

Bei schönem Wetter zieht es die Einheimischen wie die Besucher von Poznan weiter zu dem in den 50er Jahren künstlich angelegten sechs Kilometer langen Maltasee, auch ein Austragungsort für verschiedene Wassersport Weltmeisterschaften. Bei einer Wanderung auf den Uferwegen kann hier der Besucher eine entspannte Pause von den vielen historischen Spaziergängen durch die Stadt Posen einlegen.

Ein Beitrag für ReiseTravel von Ronald Keusch.

Ronald KeuschUnser Autor ist freier Journalist mit dem Schwerpunkt Tourismus, er lebt und arbeitet in Berlin. 
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