Straßburg

Städtetrip nach Frankreich? Oui! Aber es muss ja nicht immer Paris sein. Auch im stillen Elsass punktet eine romantische Hauptstadt mit Charme, Nostalgie und viel Savoir-vivre

Fundgrube für Gourmets und Städtetouristen: Straßburg, Flammkuchen und Sauerkraut gehören zusammen, wie Dortmund und sein Bier oder Ostfriesland und der Tee. Jedoch - niemand käme auf die Idee, wegen eines Biers ins Ruhrgebiet zu reisen oder für eine Tasse Tee an die Nordsee zu fahren. Ganz anders ist die Reisemotivation für Straßburg. Hier mischt sich der Gaumen in Erwartung auf ein lukullisches Menü oder einen deftigen Schmaus in die Ausflugsplanung für das östliche Frankreich ein.

Strassburg Elsass Frankreich

Flusskreuzfahrt durch die Fachwerkwelt im alten Straßburg

Viele Wege führen in Straßburg zur Kunst, aber genauso viele Gäste folgen den kulinarischen Straßen. Dabei hat es die nordelsässische Hauptstadt mit ihrem farbenfrohen Gewirr von Straßen, Gassen und Wasserwegen nicht verdient, auf eine Speisekarte reduziert zu werden, die zugegeben, mit ihrer Küche Feinschmeckereien und opulentes Tafeln verspricht und auch hält.

Vor oder nach jedem Hauptgang sollte ein Stadtrundgang stehen. Aber nicht planlos in die alten Stadtteile stürzen! Wie bei einer Speisekarte empfiehlt es sich auch auf der Stadtkarte mit Bedacht auszuwählen. Selbst wer nur kurze Zeit in Straßburg ist, kann auf der richtigen Route in die verschiedenen Gesichter der Stadt blicken. Zum Beispiel vom Wasser aus: Vor dem Rohan-Palast starten Panoramaschiffe und schippern für 15 Euro, Touristen 75 Minuten lang auf der Ill durch die Altstadt.

Wie ein Kranz liegt der Fluss um das denkmalgeschützte Altstadtzentrum, dessen geschichtsträchtiges Uferpanorama die Bootspartie wie ein Film in Cinemascope begleitet. Das Wasser wird zum Spiegelbild vergangener Jahrhunderte. Erste „Tauchstation“ für das schwimmende „Cabrio“ ist die Rabenbrücke. Im Mittelalter wurden von der Ponte du Corbeau Kriminelle und „ehebrecherische Weiber“ in einem Käfig so lange ins Wasser getaucht, bis das Todesurteil vollstreckt war. Heute fallen nur noch Wassersportler in die Ill – beim sommerlichen Fischerstechen vor dem Chateau des Rohan. Mit Lanzen bewaffnete Burschen steuern mit Booten aufeinander zu und versuchen, sich ins Wasser zu stoßen.

Unmittelbar hinter der Brücke taucht am Ufer aus dem 17. Jahrhundert mit dem Elsässischen Museum auf. Das Haus für Volkskunde vermittelt folkloristische Eindrücke des elsässischen Lebens im 18. und 19. Jahrhundert. Der Rundgang durch drei Häuser mit alten Möbeln, Winzerstube und Alchemistenküche führt über hölzerne Galerien und knarrende Treppen. Man meint, die Bewohner müssten jeden Moment über die Schwellen treten.

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Vom Quai zum Münster über den Place du Marché aux Cochons de Lait

Am anziehendsten für Besucher ist außer dem Straßburger Münster der Stadtteil „Petite France“ mit aneinandergeschmiegten Häusern aus drei Jahrhunderten. Gemächlich gleitet das Boot über die Wasserstraßen von „Kleinfrankreich“ und passiert das dekorative frühere Gerberviertel. Was das Idyll des mittelalterlichen Quartiers etwas trübt, war im 20. Jahrhundert seine Rettung: Der Touristenstrom. Unter schattenspendenden Platanen vor den Lokalen am Platz Benjamin Zix lässt sich bei einem Croissant und Café au Lait die Aussicht auf die pittoreske Fachwerkwelt am besten genießen. Überall schiefe, schwarze und weiße Häuser mit roten Geranien.

Sie wollen jetzt einem Restauranttipp folgen? Vergessen Sie ihn schnell. In fast jeder Gasse wehen Gourmets und Schlemmern verführerische Düfte um die Nase. Aber Vorsicht, manch bürgerliche Speisekarte kündet von fürstlichen Preisen. Für den etwas kleineren Geldbeutel sind Flammkuchen, Gänseleberpastete, Zweibeltorte und die variantenreichen Sauerkrautgerichte mit zumeist großzügigen Fleischportionen bezahlbare Spezialitäten.

Bevor das Ausflugsschiff die drei markanten Türme der Befestigungsanlage bei den Gedeckten Brücken erreicht und für Amateurfilmer und -fotografen im Fluss-Becken einen Panoramabogen fährt, wetteifern an den Kais kleine Lokale vor uralten Bäumen um die Gunst der Passagiere für einen lauschigen Restaurantabend unter Frankreichs Himmel.

Nach fast 20 Brücken nimmt das Bateux Kurs auf das Europaviertel. Welch ein Kontrast. Nur wenige alte Herrschaftshäuser am Wasserentree zum Europapalast und zum Gerichtshof der Menschenrechte haben sich mit der neuen Architektur arrangiert. Trotzig beharren sie inmitten nüchterner Appartementhäuser auf ihren Platz. Die Angestellten- und Politikerunterkünfte sind die Vorhut für die mattsilber schimmernden kühlen Glaskonstruktionen des neuen Europas: Ein hypermodernes Kontrastprogramm, bei dem Schiffslängen genügen vom Gestern ins Heute zu gleiten.

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Im Sommer stellen Wirte ihre Tische auf die Terrasse am Quai de la Bruche direkt an der Ill

Bordkopfhörer machen in 12 Sprachen auf den Orangerie-Park hinter dem Zyklopenhaft anmutenden Baukörper des Europaparlaments aufmerksam. Mittelpunkt ist ein Pavillon, der 1840 für Kaiserin Josephine gebaut wurde. Der größte und älteste Park der Stadt bietet aber auch Nichtadligen Anziehungspunkte: Einen See für Bootsfahrten, einen Zoo sowie eine Oldtimer-Bahn als Attraktion für Kinder. Treffpunkt für finanzstarke Feinschmecker ist das 140 Jahre alten „Le Buerehiesel“.

Spätestens wenn die klassizistische Fassade des Rohan-Schlosses vor dem Schiffsbug wieder auftaucht, kehrt Straßburgs vertraute Beschaulichkeit zurück. Nach der Wasserpartie bieten sich mindestens drei von vielen Entdeckungsmöglichkeiten an. Ein Spaziergang entlang am Wasserboulevard, ein Besuch im Kunstgewerbemuseum im Rohan-Palast, oder der Weg schnurstracks über den stimmungsvollen Place de Chateau zur Kathedrale. Beim Anblick der riesigen Fensterrose und der mit biblischen Figuren reich verzierten Westfassade soll der Schriftsteller Victor Hugo notiert haben „Ein Wunder – so unermesslich, und zierlich doch zugleich.“ Unermesslich ist auch die künstlerische Detailfülle im Inneren der Kirche, die bis ins 19. Jahrhundert mit seinen 142 Metern das höchste Gebäude Europas war. Dämmriges Licht und verwaschenes Purpur erfüllt das riesige erhabene Schiff. Selbst Mitglieder des seit dem Mittelalter bestehenden Oeuvre Notre-Dame, das den Kathedralbau pflegt und restauriert, räumen ein, immer wieder Neues am Münster zu entdecken. Prunkstücke sind die Astronomische Uhr, der gegenüber stehende Gerichtspfeiler sowie die spätgotische, figurengeschmückte Kanzel aus dem 13. Jahrhundert.

Der Aufstieg auf die 66 Meter hohe Aussichtsplattform des Münsters ist jedoch nur an 330 Stufen gemessen ein „Höhepunkt“. Wo heute Touristenscharen mit pfeifendem Atem tapfer enge Windungen Stufe um Stufe erklimmen, bleibt die Turmbesteigung mit beschaulichem Verweilen wie sie einst Goethe erlebte Illusion. Zumal die schweißtreibende Kletterpartie über die steile Wendeltreppe mit wenig reizvollen Ausblicken belohnt wird.

Gelegenheit für eine Erfrischung bietet sich den Klettermaxen erst wieder nach dem Abstieg auf den Caféhaus- und Restaurantterrassen. Vielleicht umschmeichelt dann die sinkende Sommersonne das Gotteshaus mit ihren letzten Strahlen, oder der Gipfel der Straßburger Kunst ist in der nahenden Dämmerung schon beleuchtet.                            

ReiseTravel Service

Anreise: Mit der Bahn bis Straßburg ab 29,90 Euro.

Auskünfte und Hotels: www.visitstrasbourg.fr (Tourismusoffice 17 place de la cathédrale) In Straßburg leben auf einer Fläche von 78,3 Quadratkilometer 280 000 Einwohner.

Unterkünfte: Sehr zentral: Hotel Kleber, DZ ab 72 Euro. www.hotel-kleber.com. Stilvoll, rustikal: Hotel des Rohan, DZ ab 165 Euro. www.Hotel-rohan.com

Bootsfahrt: Anlegestelle Place du marche aux poissons beim Palais Rohan. Die überdachten und offenen Wasserbusse fahren zirka alle 15 Minuten. Rund 75 Minuten kosten je nach Altersklasse zwischen acht und 14,50 Euro. Rollstuhlfahrer fahren nach Anmeldung mit (Telefon +33 3 69 744404). Tickets gibt es an Automaten am Pier sowie im Internet www.Batorama.com/.de

Stadtrundfahrten werden auch mit Le Train angeboten. Das „Bähnle“ startet an der Nordseite des Münsters. 50 Minuten kosten 5,20 – 2,70 Euro.

Ermäßigungen für Rundfahrten, Eintritte Vorführungen und andere Unternehmungen bietet die sieben Tage gültige Citycard für 6,50 Euro.

ÖPNV Straßburg: Ein Drei-Tage-Ticket kostet 9,30 Euro.

Literatur: Übersichtlich und handlich: Straßburg, Polyglott ontour, 160 Seiten, 12,99 Euro.                                                                                                                         

Ein Beitrag mit Fotos für ReiseTravel von Manfred Lädtke.

Manfred LaedtkeUnser Autor lebt und arbeitet in Karlsruhe.

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