Gernot Riedel | Ein Tourismusland ohne Gäste ist wie ein Fluss ohne Wasser |
Was vor weniger als einem Jahr wohl kaum jemand für möglich gehalten hat, ist längst bittere Realität
Nach Jahren eines boomenden Tourismus in Österreich ist diese Quelle binnen weniger Monate teilweise völlig versiegt. Voller Stolz eilte unser Land von einem Nächtigungsrekord zum nächsten, je mehr Gäste kamen umso mehr häuften sich auch Diskussionen über Overtourism & Co.
Teilweise waren diese Diskussionen durchaus berechtigt, auch aus meiner Sicht war und ist ein permanentes „Schneller-höher-weiter“ schlichtweg für unseren Planeten und die Lebewesen, welche darauf leben, schlichtweg nicht machbar.
Manche einstige Tourismuskritiker sind aber längst verstummt, angesichts der massiven, nicht nur wirtschaftlichen, Auswirkungen eines kleinen und unsichtbaren Feindes, der unser aller Leben so sehr verändert hat. Nunmehr versucht man zwar, gleich auch dem anscheinend teilweise verhassten Skitourismus den „Garaus“ zu machen, indem etliche Medien und Endzeitverfechter sich konsequent und durchaus gehässig auf die Profitgier und Unverbesserlichkeit „der Touristiker“ einschießen…
Wie ein ausgetrocknetes Flussbett
Aber: Mussten wir nicht alle inzwischen schmerzvoll zur Kenntnis nehmen, dass ein Land ohne Veranstaltungen, ohne Gastronomie, ohne Geselligkeit und letztlich ohne gelebte ( geöffnete ) Gastfreundschaft immer mehr einen ausgetrockneten Flussbett gleicht?
Wo noch vor wenigen Monaten Lebensfreude herrschte, Gäste wie Einheimische sich manchmal wie ein reißender Strom, vielfach aber mit sanften Wellenbewegungen durchs Land verteilen und so für ein in jeglicher Hinsicht lebendiges Treiben und Image sorgten, herrscht nunmehr vielfach Tristesse, teilweise Perspektivlosigkeit und jedenfalls das große Warten darauf, dass der Gästestrom wieder einsetzen DARF.
Eines kann man wohl jetzt schon mit Gewissheit sagen: Covid wird wieder in den Hintergrund treten, Menschen werden wieder reisen, und gerade in der „Restartphase“ werden wir mit unseren so nahegelegenen Kernmärkten beim Aufschwung ganz vorne mit dabei sein können, wohl spätestens ab dem kommenden Frühjahr. Internationaler Fernreisetourismus wird da wohl noch etwas länger brauchen, detto Städte-, Geschäfts- und Gruppenreisen.
Die Chance zur (raschen) Wiederauferstehung lebt
Vielleicht bleibt apres Corona ( AC) damit auch das Bewusstsein, dass vom Tourismus nicht nur „die Touristiker“ leben, sondern dass es sich dabei um eine nicht wegzudenkende „Querschnittsmaterie“ handelt, welche über Jahrzehnte bewusst und unbewusst viele Bereiche unseres Lebens durchzogen hat und so für Wohlstand in allen Landesteilen sorgt.
Und dass, neben manchem Nachteil eines intensiven Tourismus auch gelebte Vielfalt, Herzlichkeit, Lebensfreude, Kultur und Kulinarik unser Land zu dem machen, was es seit vielen Jahren ist – ein Schmelztiegel des charmant-schrullig-älplerischen Österreichers mit Gästen aus aller Welt!
Holen wir uns also dieses positive Lebensgefühl wieder zurück!
Lassen wir manch entbehrliche massentouristische Ausprägung in der before corona (BC) Ära liegen und eröffnen so vielleicht eine neuerliche Erfolgsgeschichte im „Land des Lächelns“ zwischen Bodensee und Neusiedlersee
Nach all den entbehrungsreichen Monaten haben wir uns das verdient, was meinen Sie?
Ein Kommentar von Gernot Riedel. APA.
Gernot Riedel wurde am 22.9.1969 geboren und lebt im Salzburger Land. Nach seiner Ausbildung zum Tourismusfachmann mit abschließender Diplomprüfung war er zunächst als Gäste- und Reisebürobetreuer für die Tourismusgemeinschaft Koralpe tätig. Von Juli 2005 bis Mai 2012 managte Gernot Riedel die Wörthersee Tourismus GmbH, war auch Vorsitzender des Kärntner Tourismusforums und Sprecher der Tourismusregionen. Dann übersiedelte er aus privaten Gründen wieder nach Westösterreich und übernahm als Geschäftsführer den TVB Kitzbüheler Alpen St.Johann in Tirol, den er seit Mai 2012 leitet.
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