Prag

Lichterglanz in der Goldenen Stadt. Mit Bahn und Boot durch den Advent: Die Goldene Stadt in Weiß und Grau

Prager Weihnacht: Die „Goldene“ Stadt hat nicht nur im Herbst oder Sommer einen ganz eigenen Reiz. Im Winter glänzt sie mit einem der schönsten Weihnachtsmärkte Europas.

Ein blasser schwermütiger Himmel wölbt sich über Prag. Im Altstädter Brückenturm mühen sich Frühaufsteher 138 Stufen der schmalen Wendeltreppe auf die Aussichtsetage hinauf. Handys klicken, Kameras surren, um die morgendliche Melancholie unten auf der Karlsbrücke festzuhalten. Vor 400 Jahren wurden hier nach einem Aufstand gegen die Habsburger die Köpfe von 27 Rebellen zur Abschreckung aufgehängt. Das Turmmuseum erinnert an das grauenhafte Exempel – was die Weihnachtsstimmung im milchigen Morgengrau so gar nicht hebt. Es riecht nach Schnee“, meint der Turmwärter. Na also.

Prag Advent und Weihnachten

Weitblick auf die Stadt vom Hradschin

Zeit, wieder hinabzusteigen ans Ufer der Moldau. Beschaulich fließt der Fluss inmitten einer scheinbar heilen Welt dahin. Im kleinen Smetana-Museum am Fuß der Brücke ist die „Moldau“ sogar zu hören. 15 Gehminuten weiter vor der Juristischen Fakultät heißt es „einsteigen“ zu einer nostalgischen Kreuzfahrt auf Schienen. Die festlich geschmückte historische Ringlinie 42 verbindet touristische Sehenswürdigkeiten und kutschiert Gäste mit einem Tagesticket zu insgesamt 20 Haltepunkten diesseits und jenseits des großen Stroms. Sollten sämtliche Holzsitze in den Wagen aus der Monarchie und den 1950er Jahren besetzt sein – egal. 20 Minuten später poltert schon der nächste rote Oldtimer heran.

Prag Advent und Weihnachten

In der Adventszeit fährt die historische Ringlinie 42 als Weihnachts-Tram zu den schönsten Plätzen in Prag

Garantiert leer wird es dann an der Station „Prazsky hrad“. Weihnachten ist ganz Prag im Ausnahmezustand und der Hradschin täglich Sehnsuchtsort für zigtausende Besucher aus aller Welt. Wer eben noch in der Besichtigungsschlange auf der Burg vor dem Veitsdom geduldig ausharrte oder im Strom der Menschen das größte geschlossene Burgareal der Welt erkundet hat, folgt jetzt einem ansteigenden Gässchen. Plötzlich, ganz unverhofft, öffnet sich ein Mini-Weihnachtsmarkt mit Weitblick. Der traditionelle tschechische Honigwein „Medowina“ versüßt die stimmungsvolle Aussicht vom Burgberg. Es schneit. Schneeflocken malen weiße Tupfer auf die Dächer und Mauern der Goldenen Stadt.

Langsam verabschiedet die Dämmerung den Tag, zarte Schatten legen sich über Prag. Um diese Zeit zündet ein Lampenwärter auf der Karlsbrücke die Laternen an, die blass durch den sinkenden Tag schimmern. Überall gehen jetzt Lichter an. Prag lässt das graue Gewand fallen und lockt im glitzernden Festtagskleid. Hinab vom Hradschin zum weihnachtlichen Hotspot der Prager Zauberwelt auf dem Altstädter Ring führt der schönste Weg über Treppen durch das Gassengewirr der Kleinseite.

In einem der vielen plüschigen Mini-Cafés hat beseelt von verdienten Literaten wie Rilke, Kisch und Kafka ein junger Mann Platz genommen. Auf dem Tisch liegen Ansichtskarten, Kuverts und Briefpapier. „Wussten Sie, dass Prag eine Briefstadt war? Im vergangenen Jahrhundert wurden hier die wundervollsten Liebesbriefe geschrieben“, verrät der Student mit charmant tschechischem Akzent.

An der anderen Uferseite auf dem größten Weihnachtsmarkt der Hauptstadt wird garantiert jedem warm ums Herz. Zwischen dem Rathaus mit astronomischer Uhr und der zweitürmigen Teynkirche erhebt sich vor der Kulisse aus Renaissance-, Barock- und Rokokohäusern der hoch aufragende Christbaum in den Himmel. Jedes Jahr wird die ansehnlichste und stärkste Tanne aus der Nordböhmischen Region Liberec (Reichenberg) geliefert und für die Adventszeit feierlich illuminiert. Kinder machen große Augen, Erwachsene bringen ihre Handys in Stellung oder durchstöbern Stände nach böhmischen Raritäten.

Prag Advent und Weihnachten

Rund 500 Turmspitzen ragen in Prag in den Himmel. Eine Übersicht gestattet der Altstädter Brückenturm am Kreuzherrenplatz bei der Moldau

Weil es im Getümmel der engen Gassen rund um den zentralen „Staromestské námesti“ zuletzt kaum noch ein Vor und Zurück gab, teilen die Stadtväter aus Sicherheitsgründen keine Uhrzeit mehr für die Premiere der Christbaumbeleuchtung mit. Stattdessen findet jeden Abend ein kurzes Leuchtspektakel statt.  Keine Eile, aber viel Gelassenheit sollte im Dezember also unbedingt im Reisekoffer sein, damit im Schieben und Drängeln der dichten Menschenmassen die Festtagsstimmung nicht auf der Strecke bleibt. Der Duft von Punsch, Backwaren und Gebratenem umschmeichelt die kalten Nasen. Und überall liegt Musik in der Luft.

Knurrt jetzt der Magen? An einem Stand rollt die Verkäuferin einen weichen Hefeteig, röstet ihn über offenem Feuer und bestäubt das beliebte slowakische Gebäck mit Zucker, Zimt und Nussraspeln. „Sehrr, sehrr süß, hat aber Loch in Mitte, macht nicht so dick“, scherzt sie und reicht die trichterförmige „Trdelnik“ über die Theke. Derweil wechseln sich auf einer Bühne stimmgewaltige Chöre aus ganz Europa ab, während in der prachtvollen Teynkirche Besucher einem Konzert des Prager Philharmonie Chamber Orchestra lauschen.

Wenige Straßen entfernt auf dem Wenzelsplatz geht der Zauber böhmischer Weihnacht in die Verlängerung. Mit Lampenketten dekorierte Bäume tauchen den 760 Meter langen Boulevard in ein schillerndes Meer aus Lichtern. Zeitgenossen, die Ruhe und Beschaulichkeit bevorzugen, fahren am Ende des Platzes hinter dem Nationalmuseum mit der Straßenbahn nach Vinohrady und schlendern durch die Budenstadt auf dem Námestí Míru. Den Weihnachtsmarkt auf dem Friedensplatz vor der mächtigen Sankt-Ludmilla-Kirche schätzen Einheimische für sein traditionelles heimisches Kunsthandwerk, seine handgefertigten Kinderspielsachen sowie für die deftigen und leichten Raffinessen vom böhmischen Herd. Als die Kirchenglocken läuten murmelt eine Bablicka (Großmutter): „Wie tröstlich dieser Wohlklang in rauer Zeit ist.“

Leinen los, der Abend kommt. „Verlasst Prag nie, ohne eine romantische Bootspartie auf der Moldau“, hatte eine freundliche Stadtführerin empfohlen. Am Altstädter Ufer neben der Karlsbrücke weisen heilige Figuren aus Stroh den Weg zur Anlegestelle. Personal in Matrosenanzügen serviert am Ticketschalter im Brückenmuseum Heißgetränke. Unter dem letzten erhaltenen Bogen der alten Judithbrücke - die Vorgängerin der Karlsbrücke - tuckern Ausflugsschiffe zur einstündigen Tour auf die Moldau. Passagiere versorgen sich noch schnell mit Bier und Glühwein. Einen klaren Kopf braucht ja nur der Skipper, der das Boot aus dem Brückengewölbe auf die Wasserstraße steuert.

Wenzelspöatz Prag

Buden, Märkte und Tausende Lichter prägen Weihnachten das Bild auf dem Wenzelsplatz

Auf dem breiten Fluss zieht die funkelnde Metropole mit der leuchtenden Prager Burg wie ein Breitbandfilm vorbei. Nur zwei junge Passagiere schenken dem Panorama kaum einen Blick. Für das eng umschlungene Pärchen hat das „Fest der Liebe“ an diesem kalten Winterabend seine ganz eigene Bedeutung. Später werden Beide den Touristen-Karawanen aus dem Weg gehen und auf einer Bank in der lärmenden traditionsreichen Schenke „Zum goldenen Tiger“ Platz nehmen: Gleich um die Ecke in der Husova 17. Da wo Weihnachten vor der Tür bleibt. Wo Künstler, Müllkutscher und Touristen gemeinsam an langen Biertischen zechen. Wo Bill Clinton Saxophon spielte, Václav Havel schäumiges Pilsner stemmte und der mittellose Dichter Bohumil Hrabal vorlas und sich so seinen Weihnachtsbraten verdiente.  

ReiseTravel Service 

Informationen: www.prague.com/de Prags Weihnachtsmärkte öffnen in der Regel jeweils Ende November und schließen am 06. 01.

Einen Prague Visitor Pass gibt es für 24, 72  (120 Euro) und 120 Stunden. Der Ausweis beinhaltet u. a. Flughafentransfer, Teilnahme an Stadtführungen, Eintritte, Bootsfahrt auf der Moldau und Tickets für den ÖPNV. Erhältlich z.B am Flughafen und im Tourist-Office im Rathaus am Altstädter Ring.

Panoramafahrten auf der Moldau kosten ohne Pass ab 18 Euro.

Für Senioren ab 65 Jahre sind Tram, Bus und Metro kostenlos. Ein Tagesticket für die historische Weihnachtslinie 42 kostet 15 Euro.

Zentral wohnen können Besucher z. B. im Boutique Hotel Falkensteiner, Opletalova 21, DZ ab 189 Euro. www.falkensteiner.com sowie im Hotel Belvedere, Milady Horákovc 19, DZ ab 80 Euro. www.hotelbelvedereprague.cz. Beide Hotels nahe Hbf. und Wenzelsplatz.

Probieren: Pecena (gebratene Ente) anschließend ein Stück Medovnik (Honigkuchen).

Literatur: „Weihnachten in Prag“ von Jaroslav Rudis, Luchterhand Verlag, 16 Euro.   Ausführlich, kompakt mit vielen Tipps: Reiseführer „City/Trip Prag“, Reise Know How, 15,95 Euro.      

Ein Beitrag mit Fotos für ReiseTravel von Manfred Lädtke

Manfred LädtkeUnser Autor lebt und arbeitet in Karlsruhe.

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