Gescher | Das Leben einer Glocke erforschen |
Reise nach Gescher zum Lifestyle Erlebnis: Glocken
„Glocken werden geboren, arbeiten und genießen ihren Ruhestand“ lautet das Motto in Gescher, ein kleiner Ort im Münsterland, an der Hamalandroute. Das Glockenmuseum Gescher lädt Besucher zu einer klingenden Entdeckungsreise durch die Geschichte der Glocken und des Glockengusses ein.
„Festgemauert in der Erden, steht die Form aus Lehm gebrannt, heute muss die Glocke werden….“. Friedrich Schiller hätte in Gescher seine Freude gehabt.
Rainer Schütte ist Führer durch das Museum: „In der Stadt Gescher werden seit 300 Jahren Glocken gegossen. Wie das geht, erfahren die Besucher im Glockenmuseum und das ist jeweils eine klangvolle Zeitreise durch die Geschichte des Glockengusses“.
Bronzeglocken aus zehn Jahrhunderten werden „angeschlagen“ und zum Klingen gebracht. In der Glockengrube können die Besucher die Herstellung von Glocken von den ersten Rippenzeichnungen bis zum Guss ausführlich verfolgen.
Auch eine Führung durch die Glockengießerei Petit & Edelbrock ist äußerst interessant. Hier bekommt man einen Eindruck über das 300 Jahre alte Handwerk des Glocken- und Kunstgusses. Schritt für Schritt lässt sich nachvollziehen, wie eine Glocke aus der Erde „geboren“ und zu einem tonnenschweren Kunstwerk wird.
Wie die Glocke dann in den Kirchturm kommt, erfährt man bei der Besteigung mit Führung des 76 Meter hohen Kirchturms der Pfarrkirche St. Pankratius. Ein beeindruckender Blick auf das Hauptschiff der Kirche und die weite Umgebung, auch auf die Hamaland-Route, machen einfach Spaß.
Das Glockenmuseum vermittelt eine spannende Zeitreise durch die Geschichte der Glocken. Diese Geschichte war nicht immer gut. Kriege bestimmten die Zeit.
So begann im Winter 1941/42 der Abbau und der Transport der zur Verhüttung vorgesehenen Glocken zu den damaligen Sammelplätzen. Diese befanden sich in Tirol, in der Eifel, Lünen, Ilsenburg im Harz und auch in Oranienburg bei Berlin. Ab 1942 kamen dann alle Glocken nur noch in die Norddeutsche Affinerie nach Wilhelmsburg bei Hamburg. Aufgrund der sich abzeichnenden Rohstoffknappheit wurden alle Glocken als Metallreserve für die deutsche Rüstungsindustrie erfasst. Von dieser Maßnahme waren nicht nur die Glocken im damaligen Reichsgebiet, sondern auch in den besetzten Gebieten betroffen.
Die Richtlinien für die künstlerische und geschichtliche Bewertung der Glocken wurden vom „Konservator der Kunstdenkmale im Reichsministerium“ Berlin getroffen. Durch diese Vernichtung von Kunst gingen 50.000 Glocken aus Deutschland und weitere 33.00 Glocken aus den besetzten Gebieten verloren. Als Grundlage diente die „Anordnung zur Durchführung des Vierteljahresplans über die Erfassung von Nichteisenmetallen“ vom 15. März 1940. Diese Order wurde direkt von Generalfeldmarschall Hermann Göring verfasst. Als Kriegsverbrecher wurde er später in Nürnberg zum Tode verurteilt.
Nach dem Ende des II. Weltkrieges lagerten Tausenden von Glocken bei den Sammelstellen und Hüttenwerken. Sie wurden von den Alliierten zunächst gesichert und, sofern es sich um Glocken aus den ehemals von deutschen Truppen besetzten Ländern handelte, zurückgegeben. Die Rückführung der deutschen Glocken übernahm der 1947 gegründete „Ausschuss für die Rückführung der Glocken“.
Der Besuch des Glockenmuseums in Gescher ist somit zugleich ein Exkurs in die Vergangenheit, in die Zeit des Nationalsozialismus und des II. Weltkrieges.
In Gescher lauert noch viel mehr Wissenswertes: Ein Museum beleuchtet beispielsweise alle Facetten der Imkerei, ein Museumshof führt in den Alltag westmünsterländischer Bauern um 1900. Und im Torfmuseum dreht sich alles um Torf und um seine Verwendung in Vergangenheit und Gegenwart. Abgerundet wird das Gescheraner Innenstadtbild durch gepflegte Bürgerhäuser, die großzügigen Villen der Textilfabrikanten und die Kirche St. Pankratius. Zahlreiche Pättkes laden dazu ein, die großzügige Parklandschaft des Radelparks Münsterland per Rad zu erkunden.
Westfälisches Glockenmuseum – Lindenstraße 4, D-48712 Gescher. Fon 02542-7144 und 02542-98011. www.gescher.de
Geöffnet Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr. Führungen nach Vereinbarungen.
Grenzüberschreitendes Büro für Tourismus EUREGIO / Stichting ECC, Enschederstraße 362, D-48599 Gronau, www.hamalandroute.de – www.grenzerlebnisse.de
ReiseTravel Fact: Forschen, entdecken, ausprobieren: Das Glockenmuseum informiert. Ein paar Stunden Zeit sollten eingeplant werden. Gut geeignet für Familien und vor allem Kinder.
Anreise: Mit der Bahn bis Bad Bentheim, Hengelo oder Enschede. Von hier weiter mit dem Bus. Mehrere Hotels bieten Transfer ab Bahnhof nach vorheriger Anmeldung. Mit dem Auto ist die Anreise unkompliziert. Das Rad bringt man einfach mit oder es kann vor Ort ausgeliehen werden.
Von Gerald H. Ueberscher.
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