München

Lachend den Berg hoch radeln. Bergetappen sind kein Problem mehr. E-Bike in den Bergen ist eine neue Dimension des Radelns: E-Bike Fahrer lieben den Genuss und Service!

Lifestyle E-Bike: Bei einer steilen Bergetappe kräftig in die Pedale treten und dabei nicht ins Schwitzen geraten, das ist ein Wunder? Nein, das ist mit einem E-Bike möglich. Aus Sonntagsradlern werden Supersportler. Mehr als drei Millionen solcher motorisierter Fahrräder sollen in Deutschland bereits unterwegs sein – und es werden immer mehr. Eine Entwicklung, die nicht nur die Industrie erfreut. Aber auch eine Entwicklung, die viele mit Sorge sehen. Vor allem in den Bergen ist der Boom der E-Bikes nicht ganz problemlos. Menschen, die sich früher nie mit dem Rad in die Berge getraut haben, steigen jetzt einfach aufs E-Mountainbike und kommen damit den Berg hoch. Wie sie wieder runterkommen, daran denken die wenigsten. Dabei ist das Abwärtsfahren in den Bergen auch eine Herausforderung, den das Rad mit Motor und Batterie ist schwer. Der Alpenverein betrachtet die Entwicklung mit gemischten Gefühlen. Denn die Elektro-Unterstützung beim Bergradeln passt so gar nicht zu dem, was der DAV propagiert: Die Lust, aus eigener Kraft auf den Berg zu kommen. Die Bergregionen freilich sehen das anders. Für sie sind die E-Bikes eine willkommene Möglichkeit, noch mehr Gäste anzulocken. Manche Regionen schmücken sich gerne mit dem Attribut der E-Mobilität, andere veranstalten eigene Festivals, um ihre Kompetenz auf dem Gebiet zu unterstreichen..

E-Bike als bio-elektronisches Hybrid

Claus Fleischer von der Firma Bosch eBike Systems erklärt, dass die Elektrifizierung in vielen Lebensbereichen Erleichterungen gebracht habe. Das E-Bike sieht er als „bio-elektronisches Hybrid“: Man muss in die Pedale treten, ehe der Motor die Bewegung verstärkt. „Uns als Industrie ist es auch wichtig zu gestalten,“ betont Fleischer. Er sieht das E-Mountainbike als Lifestyle-Objekt ähnlich dem SUV – allerdings im Gegensatz zu diesem mit positiven Auswirkungen auf Gesundheit, Umwelt und Gesellschaft. Auf die Berge komme man allerdings auch mit den E-Mountainbikes nicht ohne Anstrengung, erklärt der Fachmann. Denn die Motorleistung sei auf 250 Watt beschränkt und die Unterstützung ende bei 25 Stundenkilometer. Sportliche Hochleistungen wie im Werbefilm „Uphill Flow“ seien denn auch nur Könnern vorbehalten. Allerdings habe er festgestellt, dass selbst der normale E-Biker lächelt, wenn er bergauf fährt.

„Die meisten E-Biker sind Genussradler“

Prof. Dr. Monika Echtermeyer von movelo Allgäu-Schwaben, früher movelo Allgäu/Schwaben, erinnert daran, dass es vor neun Jahren im Allgäu noch gar keine E-Bikes gab. Movelo habe dann ein Netzwerk von Verleih- und Akku-Wechselstationen aufgebaut. Diese  bräuchte man heute wegen der starken Akkus schon nicht mehr. „Keiner schafft es, unsere Bikes an einem normalen Tourentag  leer zu fahren,“ ist Monika Echtermeyer überzeugt. Die meisten E-Biker seien Genussradler und die blieben auf den Wegen. 300 bis 400 E-Bikes stehen im Allgäu im Verleih für Touristen und Einheimisch zur Verfügung – ohne den Bodensee-Raum, darunter auch Räder für Menschen mit Behinderung. „Unsere Räder fahren im Jahr 2500 Kilometer“, hat sie erfahren, das wären bei den 50 Rädern allein in Oberstdorf 125 000 Kilometer. „Ich weiß nicht, wie viele Autofahrten wir mit diesen Rädern ersetzen,“ sagt sie.

Fernradweg als neue Reiseform

Einen gewissen Kanalisierungsdruck nicht nur für E-Mountainbiker sieht Dr. Andreas Wüstefeld vom Tölzer Land Tourismus und dem Facharbeitskreis Radtourismus des Tourismus Oberbayern München e. V. Gerade das Tölzer Land vor den Toren Münchens verspüre einen „immensen Erholungsdruck“. Mit Moika Echtermeyer stimmt Wüstefeld überein, dass es sich bei den E-Bikern meist um „Genuss orientierte Menschen“ handelt. „Der sportliche Trailfahrer ist nicht der Stammgast.“ Eine Zunahme der E-Bikes sieht der Touristiker auf dem Fernradweg München-Venedig. Durch die Motorverstärkung werde das Radeln zu einer Reiseform, an die viele vorher gar nicht gedacht hätten.

Die Belastung der Wege nimmt zu

In den Bergen nimmt die Belastung der Wege durch E-Mountainbikes noch zu. DAV-Vizepräsident Roland Stierle macht deutlich, dass der Alpenverein E-Bikes im Gegensatz zu Pedelecs –  die mit einem verstärkten Motor unterwegs sind, im alpinen Bereich  ablehne. Kernsportart im Alpenverein sei MTB allein, wenn ausschließlich mit Körperkraft gefahren wird. Allerdings sorgt er sich, dass man „künftig rein optisch keine Chance hat, die Bikes zu unterscheiden“. Der DAV befürchte zunehmende Kollisionen mit Wanderern. Stierle befürwortet deshalb, dass die E-Biker (mit Pedelecs) nur auf geeigneten Wegen – dies könnten auch auf Alpenvereinswege sein  – unterwegs sein sollten, wobei er zu bedenken gibt, dass die Belastung und der damit verbundene Wartungsaufwand der Wege zunehmen werde. Der Wanderer genieße dabei immer „Vorfahrt“.  Wichtig und nötige sei eine entsprechende Information schon beim Kauf oder Verleih der Pedelecs wie auch an den Ausgangspunkten. Eine Kartierung könnte ähnlich wie beim Vorgehen „Skibergsteigen umweltfreundlich“ erfolgen. Auf Downhill-Trails im Gelände von Ski-Pisten habe man keinen Einfluss. Trotzdem werde der Alpenverein als anerkannter Naturschutzverein eine – differenzierte – Stellungnahme bei Bedarf  erarbeiten. Das gelte auch für die Ladestationen an den Hütten. Grundsätzlich könne jeder DAV-Hüttenwirt selbst entscheiden, ob er eine Ladestation anbieten wolle. Stierle: „Viele Mitglieder wollen das nicht und viele Wirte ebenso wenig.“ Und: Der Alpenverein könne sich nur dort Ladestationen vorstellen, wo genügend Energie vor Ort durch Wind, Wasser und Fotovoltaik zur Verfügung stehe.

„Die Alpen sind nicht Dubrovnik“

DAV-Lehrteamsmitglied Norman Bielig ist überzeugt davon, dass sich E-Biker und Mountainbiker „sehr gut selbst einschätzen können“. Die Motor-Verstärkung beim Bike sorge für einen niederschwelligen Einstieg in den Sport, der laut WHO gut für die Gesundheit ist. Die Gefahr eines Overtourism durch E-Bikes in den Bergen sieht Bielig nicht. „Die Alpen sind nicht Dubrovnik.“ Allerdings erkennt er im stadtnahen Bereich durchaus Handlungsbedarf. Wichtig sei auch das Potenzial für die Umweltbildung der E-Biker wie aller Naturnutzer, da sei der DAV gefragt. Auch die Destinationen seien mit ihren Leistungsträgern gefordert, wenn es darum gehe, die E-Biker vor der Tour zu informieren – so vermeide man Konflikte und könne Gäste zielgerichtet und erlebnisreich lenken. Grundsätzlich verweist er aber auf die Eigenverantwortung jedes einzelnen.

Rad-Trails  nach Schwierigkeitsgraden

In Kärnten brummt der E-Bike-Tourismus. Georg Overs, Geschäftsführer der Region Villach Faaker See Ossiacher See, outet sich als Fan der E-Bikes. „Unsere Gäste lieben diese Räder.“ Die Region werbe deshalb immer mehr mit „Radlust“. Radbusse sorgen dafür, dass der Genuss erhalten bleibt. Man kann das Rad an einem Ort ausleihen und an einem anderen Ort wieder abgeben. Das Angebot komme gut an, resümiert Overs: „Insgesamt brummt das“ – auch dank der Radbusse ins benachbarte Italien und Slowenien. Paco Wrolich, Radkoordinator der Kärnten Werbung und mehrfacher Tour-de-France-Teilnehmer, ist sogar ein „leidenschaftlicher E-Biker“. Durch die Möglichkeit der Motor-Verstärkung bestehe jetzt mit seiner Frau „Waffengleichheit“. Wrolich plädiert für legale E-Mountainbike-Wege, die auch attraktiv sind. Die zu finden, sei eine Heidenarbeit, aber der österreichische Alpenverein helfe damit. Die Trails in den Bergen würden mit Schwierigkeitsgraden ausgezeichnet wie die Pisten fürs Skifahren: Schwarz für sehr schwer, rot für mittelschwer, blau für leicht. Leogang, Saalbach und Sölden etwa hätten viel in den Trailbau investiert und brächten die Biker auf die frequentierten Strecken.

Radfahren hat touristisch hohen Stellenwert

Überall habe man erkannt, dass Radfahren touristisch einen „irrsinnig hohen Stellenwert“ habe. Um Konflikte zu vermeiden, sollten die Radwege breiter sein. Denn mehr Frequenz bedeute auch mehr Unfälle. Wrolich, der davon ausgeht, dass acht bis zehn Prozent der Menschen sich nichts sagen lassen, plädiert für eine Aufklärung beim Ausleihen. Auch beim Event „E-Motions – Genuss erfahren am Millstätter See“ würde Know How weitergeben. Das betont auch Maria Wilhelm vom Millstätter See Tourismus. Gemeinsam mit dem Delius-Klasing-Verlag veranstaltet die Destination das E-Bike-Event. In den letzten zwei Jahren, berichtet Wilhelm, sei das E-Biking explodiert. Aus einem Lifestyle-Attribut sei ein Healthstyle-Attribut geworden, das der Gesundheit diene. Für die Region sei das E-Bike auf jeden Fall „ein touristisches Must-have“, es gebe einen positiven Schwung, wobei der Millstätter See „keine Destination für Adrenalin-Junkies ist“, sondern eine Region, die zum Genussradeln einlade – und dazu, dass das Auto stehen bleibt.

Gefährliche Tendenz zum Sensationellen

Einig sind sich alle Referenten, dass mit dem E-Bike eine große Welle auf die Berge zurollt. Und da sollte man von Anfang an dabei sein. Monika Echtermeyer verlangt  von Tourismusorganisationen und Behörden neue Konzepte für Wegeführung, Beschilderung und Trails, bei denen auch die Haftungsfragen für Grundeigentümer und Älpler  berücksichtigt werden müssten. Hans Peter Mair, Geschäftsbereichsleiter Alpine Raumordnung, bestätigt die Problematik der Haftung. Er widerspricht aber auch, da für ihn die „Haftungsfrage fast als ein Totschlagsargument“ verwendet wird. Es gebe gute Lösungen. Und die gelte es gemeinsam zu finden. Der DAV sei „Wegehalter“ und übernehme auch die Verkehrssicherungspflicht für seine Wege. Aufgrund der Wegehalterfunktion sehe sich der Alpenverein in der Verantwortung zu handeln und für vernünftige Konzepte zu sorgen, wobei Mair den Uphill-Flow im Bosch-Werbefilm für kritisch hält. Da sei „aa bissal Zurückhaltung“ vonnöten. „Wir müssen an einem Strang ziehen,“ mahnt Mair, „um die einzigartige Natur und den Zugang zu ihr für alle zu erhalten“. Auch DAV-Vizepräsident Rudi Erlacher warnt vor Auswüchsen und einer Tendenz zum Sensationellen.

Biker-Ströme durch Angebote lenken

Auf den Hütten treffen sportliche Mountainbiker und E-Biker aufeinander. Bosch-eBike-Systems-Mann Fleischer weist darauf hin, dass die Werbung der Imagebildung diene und darauf abziele, Begeisterung zu wecken. Für die Uphill-Flow-Film bewege man sich in Regionen, die für Breitensportler nicht zugänglich sind. Es gäbe auch einen Film mit Fahrtechnik und Benimmregeln, „nicht zu extrem, keine spritzenden Steine“. Fleischer ermuntert die Verantwortlichen dazu, die erwarteten Biker-Ströme durch Angebote zu lenken und nicht durch Verbote. Monika Echtermeyer fordert zur Klärung möglicher Konflikte einen runden Tisch, der auch die Rechtefrage klären müsse. Man könne sich dabei beispielsweise an Tirol oder Kärnten orientieren, wo das Land wegen seines Interesses am Tourismus eine Haftungsübernahme garantiere . Sonst könnte es zum großen Knall kommen, fürchtet sie, „oder alle Beteiligten blockieren sich gegenseitig – zum Nachteil aller“. Auch DAV-Mann Bieling möchte Konfliktherde möglichst schnell identifizieren und evaluieren, um so an differenzierten Lösungen arbeiten zu können. DAV-Vize Erlacher erwartet, dass die Skigebiete im Sommer zu Sportplätzen der E-Mountainbiker werden, und Roland Stierle befürchtet, dass der E-Bike-Boom auch mehr Menschen in die bisher unberührten Spitzenlagen bringt: „Deshalb sind wir da eher auf der Bremse“.

Kontakt E-Motions: Das E-Bike-Festival E-Motions am Millstätter See www.millstaettersee.com/deurlaubsthemen/emotion.html - www.delius-klasing.de/presse/neues-e-bike-event-am-millstaetter-see-mit-vielen

movelo Allgäu-Schwaben: www.movelo.com/de - E-Bikes Kärnten: www.e-bike-urlaub.info/regionen/oesterreich/kaernten.html Alpenverein www.alpenverein.de - Bosch-e-Systems-Film uphill-flow: https://www.youtube.com/watch?v=DCPj06UbCT0www.youtube.com/watch?v=DCPj06UbCT0

Ein Beitrag für ReiseTravel von Gabi Dräger.

Gabi Draeger by ReiseTravel.euUnsere Autorin Gabi Dräger zeichnet bei ReiseTravel verantwortlich für die Redaktion Reise. Ihr Thema sind die Berge. Sie lebt und arbeitet in München. gabi@reisetravel.eu

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