Rom

Von „Ben Hur“ bis „La Dolce Vita“: Es braucht schon eine Menge Fantasie, um sich auch nur annähernd vorstellen zu können, wo Charlton Heston 1959 als Ben Hur sein Lipizzaner-Gespann durch die Jerusalemer Arena lenkte.

Traumfabrik: Geht man davon aus, dass die riesige Kolossalstatue, die damals den Wendeplatz der Rennbahn markierte, heute noch am selben Ort steht wie damals, was wegen der Dimensionen der zerbrechlich wirkenden Figur durchaus anzunehmen ist, dann muss das Wagenrennen – ohne Gewähr - auf der gegenüberliegenden Seite des Besuchereingangs an der Via Raimondo Scintu stattgefunden haben.

Zustand der Figur und die Erdaufschüttungen in unmittelbarer Nähe deuten jedenfalls stark darauf hin. Fragt man einen der Tour-Guides, die Besucher durchs Gelände führen, bekommt man zur Antwort: „Das war vor 60 Jahren.“ Seither sei viel Wasser den Tiber hinuntergeflossen. „Eine Produktion ging, eine andere kam.“ Die Kulissen wurden weggerissen und durch neue ersetzt.

Wo sich Peter Ustinov als Kaiser Nero huldigen oder wo sich Elisabeth Taylor als Cleopatra durch mächtige Triumphbögen ziehen ließ, das wissen heute nur noch die römischen Götter.

Traumfabik Filmstudio „Cinecittà“ Rom

Filmstudio „Cinecittà“ Rom by ReiseTravel.eu

Mal Hand aufs Herz. Uns ist die Filmrequisite, ein knieender Krieger mit Schild, dem später aus Werbezwecken eine Fackel in die Hand gedrückt wurde, hinter hohen Laubbäumen, ja auch nur aufgefallen, weil wir dummerweise dienstags mit der Metro (Linie A, Richtung Anagnina, Fahrzeit knapp 20 Minuten) zum Ticketpreis von 1,50 Euro von Roma Termini ins neun Kilometer entfernte Filmstudio Cinecittà gefahren sind, das sich im Südosten der Ewigen Stadt befindet. Der Eingang liegt günstig und befindet sich unmittelbar neben dem Metro-Ausgang.

Geschlossen also. Was aber tut man mit solch einem angebrochenen Tag? Man läuft anfangs enttäuscht um drei Kilometer lange Mauer herum, guckt über den Zaun und entdeckt wahre Schätze, die man bei einer bezahlten Tour gar nicht zu sehen bekommt. Linkerhand vom Kassenhäuschen entlang der gelben Mauer vorbei, die bald durch weiße Betonplatten ersetzt wird, lugt bei der zweiten Rechtsabbiegung, der riesige Kämpfer aus “Ben Hur” aus Laubbäumen hervor.

Das Wiesengrundstück vor der Mauer muss wohl 1959 Teil der Wagenrennbahn gewesen sein.

Der Betonzaun dürfte den Teil des Studiogeländes markieren, der nach der großen Zeit des italienischen Kinos verkauft wurde. Insgesamt trennte sich das Studio, das 1937 von Benito Mussoloni zu Propagandazwecken eröffnet wurde, von einem Drittel seiner einstigen Fläche.

Der Rennbahn-Koloss als erste Fotostation. Dann geht’s weiter. Es folgt eine Böschung – wohl das ehemalige Stadion? Dann erkennt man von der anderen Straßenseite aus deutlich die Vorderfront der Peterskirche, hochgezogen an einem Stahlgerüst. „Habemus Papam“ entstand hier 2011. Die Geschichte von einem neugewählten Papst, der Angst vor seinem Amt hat und das Weite sucht. Gleich dahinter: Überbleibsel aus Martin Scorseses „Gangs of New York“ mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle. Viel davon gibt es nicht mehr zu sehen. Rechts davon: Eine grün bemalte Riesenbetonwand.

Zwei Tage später, bei einer Backstage-Tour werden wir erfahren, dass Scorsese hier während der Dreharbeiten mithilfe der Greenscreen-Technik den New Yorker Hafen aus dem 19. Jahrhundert zuspielte. Links daneben: Römische Tempel. Die Südseite des Geländes weist wieder die gelbe Mauer auf. Ist also noch im Originalzustand.

Am folgenden Donnerstag stehen wir wieder am Kassenhäuschen an der Via Tuscolana. Für 16,50 Euro (Öffnungszeiten 9.30 Uhr bis 16.30 Uhr) dürfen wir eintreten in die Traumfabrik. Hinter der Kasse, zentral in der Wiese: Der Riesenkopf aus Frederico Fellinis „Casanova“. Dahinter drei Gebäude. Linkerhand das Palazzina Fellini, das die Geburtsstunde des Studios und einige Kostüme zeigt. Das Gebäude in der Mitte charakterisiert berühmte Filme, die hier entstanden: „Für eine Handvoll Dollar“, „Krieg und Frieden“, „La Dolce Vita“ oder „Ein Herz und eine Krone“. Außerdem steht hier ein U-Boot-Nachbau aus „U-571“. In Vitrinen: Ein Kostüm, das Elizabeth Taylor als Cleopatra trug. Und die Caesar-Uniform von Rex Harrison. Rechts das Restaurant mit angenehmen Preisen. Dazu eine Buchhandlung.

Traumfabik Filmstudio „Cinecittà“ Rom

Filmstudio „Cinecittà“ Rom by ReiseTravel.eu

Die Führungen beginnen alle halbe Stunde und dauern 60 Minuten. Es geht vorbei an den gewaltigen Studiobauten. Das berühmteste und größte ist Studio ist „Studio Nummer 5“. In dieser Halle hat Fellini all seine Klassiker gedreht. Derzeit ist eine Besichtigung nicht möglich, weil eine neue Produktion in der Halle Kulissen aufgebaut hat.  

Hinter den Studiogebäuden beginnt der Bereich für die Außendrehs. Die Vorderseite des Petersdoms, die wir von der Straße aus gesehen haben, ist von hier aus nicht erkennbar. Auch der Koloss aus „Ben Hur“ ist außer Sichtweite. Dafür stehen wir jetzt inmitten der Straßen aus „Gangs of New York“. Die haben schon bessere Zeiten erlebt. Würde unser Guide nicht ausdrücklich betonen, welcher Film hier gedreht wurde, man hätte keinen Bezug dazu.

Anders sieht es ein paar Meter weiter aus. Für das 2015 hier entstandene Filmdrama „Der junge Messias“ hatten Kulissenbauer den Tempel von Jerusalem errichtet, der im Film später nur zehn Minuten lang eine Rolle spielt. Einen Steinwurf weiter geht es über die nachgebaute Via Appia und Pompeji ins alte Rom. Die Kulissen zeigen die Stadt zur Zeit Gaius Julius Caesars. Sie wurden detailgetreu bis hin zu den lateinischen Sprüche an den Hauswänden errichtet für die Fernsehserie „Rom“ aus dem Jahr 2006. Noch heute werden die Gebäude genutzt für Dokumentationen, aber auch für Partys bezahlender Gäste. Die Gruppe „Coldplay“ nahm hier ein Video auf.

Wir verlassen das Außengelände und besuchen eine Halle, in der Requisiten aufbewahrt werden. Eine genaue Zuordnung ist nicht möglich. Römische Schilder, Lampen, Uniformen, ein Übungsgerät für Gladiatoren: Alles was das Herz eines Cineasten begehrt. Beim Verlassen des Studios, kurz vor dem Ausgang, entdecken wir auf einer Wiese am Wegrand ein Kapitell. Ein letztes Relikt aus dem Monumentalfilm „Cleopatra“.

Ein Beitrag mit Foto für ReiseTravel von Helmut Kunz.

Helmut Kunz ReiseTravel.euUnser Autor wohnt in Weiden.

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