Kempten | In Kempten leuchtet das Mittelalter |
Das düstere Mittelalter hat seine leuchtende Seite. Ausstellung im Alpin-Museum in Kempten
Leuchtendes Mittelalter: Die ausgestellten Altäre, Skulpturen und Gemälde aus dem Spätmittelalter sind einzigartige Kunstwerke. Aber sie wurden im Mittelalter nicht als Kunst, sondern als Handwerk verstanden.
Die spätmittelalterlichen Altäre, Heiligenfiguren und Tafelgemälde bringt das Gold zum Leuchten und lässt die Farben neu erstrahlen.
In der Ausstellung im Alpin-Museum in Kempten geht es nicht um das finstere, sondern um das leuchtende Mittelalter. Das Mittelalter war die Blütezeit der Handwerkskunst im Allgäu.
Vergolden
Wenn man eine Arbeit rotvergoldet, dann steckt unermesslich viel Arbeit dahinter. In der Ausstellung „Leuchtendes Mittelalter“ im Alpin-Museum in Kempten werden die sieben Schritte des Vergoldens anschaulich dargestellt. Zuerst wird das Holz mit Kreide und Leinöl gestrichen, anschließend fünf Mal mit Kalk bedeckt und schließlich mit Bimsstein geschliffen. Danach wird ein roter Unterton aus feiner roter Erde mit Eiklar aufgetragen. Endlich wird das Blattgold stückweise aufgelegt und vorsichtig aufgetupft. Das Blattgold ist viel dünner als Alufolie. Der siebte und letzte Gang ist dann das Polieren des Goldes, damit es glänzt und funkelt.
Die Farben
Im Mittelalter konnte man keine fertigen Farben im Geschäft kaufen. Die Maler haben die Farben in kleinen Mengen zumeist in einer Flussmuschel hergestellt. Sie verwendeten fein gemahlene Mineralien, Eigelb als Bindemittel und Leinöl. So blieben die Farben bis heute farbkräftig und leuchtend erhalten. Die Farben waren damals zum Teil giftig, etwa Grünspann, Zinnober, Bleiweiß. Aber besonders giftig war Auripigment für gelb, wegen des hohen Arsenanteils. Als Pinsel wurde der Stiel einer Feder verwendet, an deren Ende Borsten vom Schwein, Hund oder anderen Tieren eingesteckt wurden. Um die Farbe feucht zu halten, haben die Maler das Pinselende mit den Borsten häufig durch den Mund gezogen, was oft zu gravierenden Krankheiten führen konnte.
Bildhauerbank
In der Ausstellung ist eine halb fertige Holzskulptur in einer Bildhauerbank eingespannt. Mit der konnte der Bildhauer die Figur beim Schnitzen drehen und mit voller Kraft arbeiten. Die Rückseite der Skulpturen wurden ausgehöhlt, damit es keine Spannungen gab und das Holz keine Risse bekam.
Der Holzwurm
Der Holzwurm ist gar kein Wurm, sondern die Larve eines Käfers. Er legt seine Eier in totes Holz, daraus schlüpft eine Larve, die sich durch das Holz frisst. Die Löcher im Holz sind die Ausflugslöcher des geschlüpften Käfers. Wenn der Holzwurm nicht bekämpft wird, kann er große Holzfiguren komplett zerstören.
Das leuchtende Mittelalter
Eine Ausleuchtung der spätmittelalterlichen Altäre, Heiligenfiguren und Tafelgemälde im Museum bringt das Gold zum Leuchten und lässt die Farben neu erstrahlen. Da im Mittelalter ein Großteil der Bevölkerung weder lesen noch schreiben konnte, wurde viel Wert auf die Erklärung der biblischen Geschichte in Form von bildhaften Darstellungen gelegt. Das spiegelte sich in den Altären, Skulpturen und Gemälden wider. In der Ausstellung werden rund 125 Bildwerke, Gemälde und Altäre des 14. bis 16. Jahrhunderts aus Schwaben und dem Alpenland, präsentiert. Darunter ist auch ein Palmesel mit Jesus, 1510, der bei Palmsonntagsprozessionen mitgeführt wurde und den Einzug Jesus in Jerusalem darstellt. An der Decke hängt ein Lüsterweibchen von 1480, das ist ein Kronleuchter aus einem Hirschgeweih, auf dem eine Frau sitzt. Früher wurden auf die Geweihspitzen Kerzen zum Beleuchten gesteckt.
Das älteste Exponat
Das älteste Exponat in der Ausstellung ist eine eher schlichte, aber anmutige Skulptur des Heiligen Petrus aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts von einem unbekannten Künstler. Es ist das einzige Objekt, das den Brand in der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Ellhofen überstanden hat.
Wandelaltar von Lux Maurus
Die vier Altarflügel des Wolkenberger Altars um 1520 sind von Lux Maurus. Er zeigt Szenen aus dem Leben Jesus: die Verkündigung, Christi Geburt, Anbetung und Beschneidung. Der eigenwillige Bildhauer aus dem Allgäu, Lux Maurus, wurde um 1470 in Kempten geboren und starb im 16. Jahrhundert. Er arbeitete im Auftrag von Maximilian I. Von 1515 bis 1527 lebte und arbeitete er in Kempten, dort war er als Zunftmeister eingetragen. Weitere Arbeiten von ihm sind im Bayerischen Nationalmuseum, in Wangen im Allgäu und in der Alpenländischen Galerie in Kempten zu sehen.
Glanzstück – Flügelaltar von Jakob Schick
Zu den Glanzstücken der Ausstellung zählen der Flügelaltar und der Nothelfer-Altar von Jakob Schick. Im Flügelaltar aus dem Jahre 1515 steht die Muttergottes und hält das Jesuskind im Arm. Unter ihren Füßen sieht man ein halbes Mondgesicht. Die Mondsichel ist ein Symbol der unbefleckten Empfängnis. Im Nothelfer-Altar aus dem Jahre 1515 von Jakob Schick sind alle vierzehn Heiligen zu sehen. Jeder der Nothelfer hat seine eigene Zuständigkeit und wird von den Menschen um Hilfe in der Not gebeten. Jakob Schick wurde wahrscheinlich um 1460 geboren. Von ihm weiß man nur wenig. Eines seiner Hauptwerke ist der Altar in der Wallfahrtskirche Maria Rain im Oberallgäu.
Die heiligen Jungfrauen
Das Gemälde mit auffällig viel Blattgold zeigt „Die Virgines capitale“. Die Farben und das Blattgold glänzen heute noch so, als ob es gerade erst gemalt wurde. Auf dem Gemälde sind die vier Heiligen Jungfrauen Katharina, Dorothea, Barbara und Margaretha dargestellt. Sie stellen die Unbeirrbarkeit im Glauben dar. Besonders verehrt werden die sogenannten drei heiligen Mädchen, die zu den Nothelfern gehören. Ein Volksspruch sagt: „Margaretha mit dem Wurm, Barbara mit dem Turm, Katharina mit dem Rädle, das sind die drei heiligen Mädle.“
Gemälde der Passionsgeschichte
„Die Beweinung Christi“, 1520, ist von Bernhard Strigel aus Memmingen. Nachdem Jesus am Kreuz gestorben war, trauerten seine Freunde und Familie um ihn. Bernhard Strigel wurde um 1460 in Memmingen geboren und starb dort 1528. Er entstammte einer alteingesessenen Maler- und Bildhauerfamilie, die eine große Werkstatt betrieb. Seine Werke sind in Schwaben und bis nach Graubünden verkauft worden. Heute werden sie unter anderem im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, der Staatsgalerie Stuttgart und der Gemäldegalerie Berlin gezeigt.
Rätsel für Kinder
Ein buntes Rahmenprogramm aus Führung, Projekten und Hörstationen macht die Ausstellung zu einem Erlebnis für die ganze Familie. Außerdem führt ein spannendes Rätsel für Kinder durch die Ausstellung.
Marstall (Alpinmuseum) www.museen-kempten.de - Kempten www.kempten.de
Ein Beitrag mit Fotos für ReiseTravel von Gabi Dräger.
Unsere Autorin Gabi Dräger zeichnet bei ReiseTravel verantwortlich für die Redaktion Reise. Ihr Thema sind die Berge. Sie lebt und arbeitet in München. gabi@reisetravel.eu
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