Dessau

Extras zur 775 Jahrfeier

Dessau beging 1988 sein 775jähriges Bestehen: Vom 28. Mai bis 5. Juni 1988 fand eine Festwoche, mit über 150 unterschiedlichsten Veranstaltungen und facettenreichen Programmen, statt. Geselligkeit und Wohlbefinden standen im Mittelpunkt:  

Extras zur 775 Jahrfeier

Das Programm mit der Nummer 108 war ein ganz besonderes und sehr groß angelegtes Spektakel: „Achtung! Achtung!“ Aufgepasst: Bevor es zu spät ist!

Am 3. Juni 1988 zwischen 17.00 bis 18.30 Uhr stand Dessau Kopf und der gesamte Verkehr in der Innenstadt war (planmäßig) lahm gelegt. Der Inhalt: „Demonstration der Einsatzfähigkeit und der Leistungsstärke, ein exaktes Zusammenwirken von Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten, Ärzten und zahlreichen anderen Gruppen zum Thema Sicherheit. Ein koordiniertes Zusammenwirken aller Potenzen und Möglichkeiten der Stadt Dessau. Vorgeführt am Beispiel eines Unfalles mit allen daraus entstehenden Konsequenzen.“ Solch ein Programm hatte es damals noch nicht gegeben.

Die Ankündigung in der Werbung besagte: Eine Feuerwehrübung: Unfall – Löschen Bergen. Moderation Lutz Hoff, bekannt aus der TV-Sendung: Schätzen Sie mal?

Tausende von Zuschauern säumten ab 16.30 Uhr die Straßen am Veranstaltungsort, alle standen hinter den Absperrungen und warteten voller Spannung auf den Ablauf:

Der Ablauf begann völlig harmlos mit Information über den normalen Verkehr, ein paar Autos fuhren. Plötzlich, eine mit Personen besetzte Straßenbahn näherte sich von Dessau Süd kommend den Fußgängerüberweg an der Scheibe Nord. Ein Radfahrer überholt rücksichtslos die Tram, fährt vor der Bahn links über den Schutzweg und stürzt dabei. Ein Pkw kommt vollkommen unerwartet mit überhöhter Geschwindigkeit, der will den Radfahrer ausweichen und rammt dabei die Tram. Die Bahn entgleist. Zahlreiche Verletzte. Viel Lärm und anderes Trara. Hilfeschreie. Nun begann der dazu notwendige Ablauf. Meldung bei der Polizei. Versorgung der Verletzten, deren Abtransport und alle weiteren Details. Fortlaufend von Verantwortlichen kommentiert: Warum geschieht jetzt welche Aktion und mit welchen Folgen.

Es geht jedoch weiter: Plötzlich fängt der Pkw Feuer, explodiert. Die Feuerwehr rückt an. Löscht. Weitere Explosionen folgen, lenken das Feuer auf ein Hochhaus. Das Haus brennt. Personen müssen gerettet werden. Eine Feuerwehr Drehleiter rückt an. Am „Tatort“ treffen Verantwortlichen ein: Polizei, Kriminalpolizei, Staatsanwalt, Feuerwehr, SMH, DRK, NVA mit schwerer Technik, Verkehrsbetriebe mit Rettungskräften. Viel Blaulicht, Nervenkitzel, Spannung für alle Zuschauer.

Das war eine Übung: Ein Höllenspektakel, verbunden mit Feuer, Rauch und Explosionen.

Für die, die dabei waren, das bleibt in Erinnerung. Bei schönstem Wetter erhielten alle Akteure einen tosenden Beifall. Das hatte Dessau noch nie gesehen.

Da so ein Spektakel – die Fachleute sagen „Große Übung“ - nicht alle Tage und überall  im Land stattfindet, waren auch zahlreiche „Beobachter“ – als Fachleute, aus allen Teilen der DDR zum Veranstaltungsort angereist. Diese wollten sich informieren um für ihren jeweiligen Fachbereich im Heimatort Anregungen zu erhalten. Sie nahmen eine interne Bewertung vor, zu Fragen des zeitlichen Ablaufes und der sich aus dem Geschehen notwendigen Konsequenten. Deren interne Bewertung war als Auswertung für andere Eventualitäten in Orten gedacht. Per Interview erhielten nun alle „Mitwirkenden“ auch von diesen Experten ein Lob: Genau zum richtigen Zeitpunkt alles richtig gemacht. Ein Dank den Einsatzkräften. Am Ende rückte die städtische Stadtreinigung an, um Spuren später zu entsorgen.

Da wir mit Videotechnik arbeiteten wurde alles aufgezeichnet und der Film an die Stadt übergeben.

Anmerkung: Da so ein Auto-Crash und die sich daraus entwickelten Eventualitäten nicht immer genau kalkulierbar sind, geschweige geprobt werden konnten, (auch stand nur ein gebrauchter alter Pkw zur Verfügung) erfolgten nur persönliche direkte Absprachen. Die Frage Sicherheit stand im Vordergrund. Besonders die eingesetzten Stuntleute mussten jedes Detail Bedenken, damit es nicht zu einem wirklichen Crash kommt. Große „Angst“ hatte nur der Fahrer der Straßenbahn, obwohl der sicher in seinen Führerhaus saß: Er vergaß das Bremsen. Diese unbeabsichtigte Leistung erhöhte die Rasanz und Spannung. 

Pünktlich 18.30 Uhr war das „Programm 108“ „Achtung! Achtung!“ Aufgepasst: Bevor es zu spät ist! - Mit riesigem Erfolg beendet.

Besonders eine exakte Einhaltung der Zeiten ist bei solcher Art von Veranstaltung enorm wichtig: „Es kann ja wirklich etwas Geschehen!“

Dessau war eine Stadt mit Unmengen Radfahrern und die kamen auch per Rad zu den verschiedensten Veranstaltungen. Dieser Fakt fand in allen Planungen Beachtung.

Wir hatten tausende von Besuchern, Kinder, Erwachsene, Familien, Schaulustige – am „Unfallort“ begeistert und alle sollten nun den Ort wieder verlassen. Dieses Problem hatten wir im Vorfeld abgeklärt: Lutz Hoff unser Conferencier wurde mit einer Drehleiter der Feuerwehr und für alle optisch sichtbar in die Höhe gefahren, hier spielte er den „Ansager“, informierte über den weiteren organisatorischen Ablauf und besonders den Abmarsch in zwei Richtungen:

+Zum Programm 109 „Lampionumzug“. Alle Kinder und deren Familien formierten sich zu einem gemütlichen Umzug durch die Stadt. An der Spitze fuhren als Begleitung zwei Polizei Funkwagen mit Blaulicht. Diese Fahrzeuge gaben die Richtung für die Kinder vor. Es lief planmäßig.  

+Zum Programm 110 „Formierung aller Radfahrer zum Radkorso“ in Richtung Paul Greifzu Stadion, denn hier startete genau 19.00 Uhr das Programm 111 „Dessauer-Sport-Spektakel“ mit populären Spitzensportlern und Pop-Stars.

An der Spitze fuhren zwei Blaulicht-Funkwagen der Polizei und dann folgten hunderte von Radfahrern, sehr diszipliniert. Zum Anreiz des zügigen Abfahrens hatten wir zwei Sport-Asse auf Räder gesetzt und an die Spitze gestellt: Waldemar Czierpinski, 2facher Olympiasieger Marathon sowie Wolfgang Behrendt, Erster Olympiasieger im Boxen. Dies wurde zum Ansporn, wollten doch damals viele „ihre Kinder Waldemar nennen“. Diese Tour zum Stadion war nicht nur aus „Sicherheitsaspekten“ erfolgreich, alle trafen zeitgenau im Stadion ein. Hier konnten alle Zuschauer im weiteren Verlauf ein „Fußballspiel mit Prominenten“ und diversen weiteren Überraschungen, erleben.

 

 

Dessau

Waldemar Czierpinski, 2facher Olympiasieger im Marathon, Lothar Thoms Olympiasieger Gold Radsport (Foto Wolfgang Behrendt) 

Erfolg ist planbar und das Timing wurde genau eingehalten

Herbert Köfer Schauspieler TV Star, Hans-Ulrich Grapenthin DDR Fußball-Nationaltorwart, Gerd Christian „Sag ihr auch“, Wolfgang Hanff Sportreporter Radio DDR, IMMO Magier und Zauberer (v.l.n.r.) (Foto Wolfgang Behrendt)  

In der Konzeption „775 Jahre Dessau“ war das inhaltlich so festgehalten: „Bei solch enorm hoher Anzahl von unterschiedlichen Programmen sowie der Vielzahl an Auftrittsorten, ist eine aktuelle Übersicht Grundvoraussetzung. Denn in der späteren Phase der Realisierung reisen unzählige Mitwirkende an. Im Vorfeld erfolgen Absprachen, Verträge müssen geschlossen werden und an den einzelnen Auftrittsorten sind „Bühnenverantwortliche“ einzusetzen. Zur Einhaltung eines exakten zeitlichen Ablaufes wird jedes einzelne Programm, egal wie klein oder groß, auf welcher Bühne, Saal oder Ort, mit einer Produktionsnummer bereits im Vorfeld gekennzeichnet. Dies ist zugleich eine Grundvoraussetzung um Pannen zu Vermeiden. In jedem Vertrag stehen diese Nummern, alle Organisatoren haben diese und können bei eventuellen Problemen zügig und vor allem richtige Entscheidungen treffen.“

Eine perfekte Organisation war die Grundvoraussetzung um Pannen zu Vermeiden.

Ein weiterer Aspekt der unbedingte Beachtung findet sollte: Wenn zu einem Spektakel etwa 5.000 Zuschauer erwartet werden – die Anreise erfolgt fast immer problemlos – sollte auch die Frage geklärt sein: Wie kommen diese vielen Menschen wieder weg. Der Redakteur und Regisseur muss auch diese Frage – sehr eng – betrachten. Organisation spielt da schon eine gewichtige Rolle.

Nachtbar D.

Dieser „Vorspann“ war der tägliche Start um 23.00 Uhr. 

Nachtbar D. zählte zu den Extras 775 Jahre Dessau und dieser „Vorspann“ leitete die mitternächtliche Show ein. Täglich wurde von „TV-Dessau“ Rückschau auf den jeweiligen Tag, unter dem Motto „Dessauer Notizen“, gehalten und täglich zwischen 23.00 bis früh um 2.00 Uhr wurde die „Nachtbar D.“ in Szene gesetzt. Idee Redaktion Regie Gerald H. Ueberscher.

Die Notenbude mit Wolfgang Martin live aus Dessau übertragen:

Die Notenbude mit Wolfgang Martin by ReiseTravel.eu

Zu den Extras zählte auch der technische Einsatz der damaligen aktuellen Möglichkeiten im Bereich Fernsehen und Computer: „Im Zeitalter neuer Medien, wird auch in unseren Veranstaltungen diese Technik voll integriert. Video-Technik zum Anfassen und selbst ausprobieren bis hin zu eigen Aufnahmen. Computer-Technik zum Spielen und Lernen, oder zum gegenseitigen Kennenlernen. Beides in Verbindung mit Wissenschaftlern und Fachexperten dieses Gebietes. Übertragen wird die Radio Sendung „Musikalische Luftfracht“ mit Peter Niedziella und weitere Live Übertragungen des Berliner Rundfunks, ebenso „Pop-mobil“ von Stimme der DDR. In der Zeit zwischen 23.00 bis früh um 2.00 Uhr wird die „Nachtbar D.“ inszeniert. „Täglich wird im Stil der Aktuellen Kamera, von TV-Dessau, Rückschau auf den jeweiligen Tag unter dem Motto „Dessauer Notizen“ gehalten.“ Auch das stieß auf Resonanz und bildete täglich einen optimistischen Ausklang des Festtages. Installiert waren 50 Farbfernsehgeräte und ein große Video Leinwand. Am Tag drehten wir und am Abend konnte sich so mancher wieder erkennen. Deren oft gestellte Frage: Kann ich eine Kassette mit der Aufzeichnung erhalten, konnten wir allerdings damals nicht erfüllen.

Fazit: Vom Autoskooter mit seiner Rollschuhdiskothek bis hin zum „Kinderparadies“ für die Jüngsten, eine breite  Palette von Angeboten. Wer wird Schützenkönig der Stadt Dessau 1988 lautete die Frage zur  „Schützenmeisterschaft“. Jeder war aufgerufen und konnte sich beteiligen. Das „Friseur-Museum“ Berlin unter Jürgen Platow, präsentierte eine Auswahl von Instrumentarien der Haar- und Bartpflege, wie sie unsere Vorfahren benutzten. Alle Angebote wurden von den Besuchern der Festwoche gut angenommen. Die Gesamtkonzeption „Extras“ stand unter Leitung von Gerald H. Ueberscher 

Hier geht es zum Text - 775 Jahre und der „Alte Dessauer“ – hier Klicken   

Ein Beitrag für ReiseTravel von Su Kramer mit freundlicher Unterstützung von Gerald H. Ueberscher

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