Karneval auf den Kanaren: „Boden, fester Boden – Land“. Keiner kann uns sagen, wo genau der ZDF-Vierteiler im Jahr 1964 Robinson Crusoe ans Ufer gespült hat. Oder hinter welcher Düne der Schiffbrüchige seinen späteren Gefährten Freitag aus den Klauen der Kannibalen befreite. „Die seltsamen und einzigartigen Abenteuer des Robinson Crusoe aus York, berichtet von ihm selbst“ sind auf Gran Canaria fast gänzlich unbekannt und vergessen.

Gut, es ist 53 Jahre her, das sind fast drei Generationen, dass Walter Ulbrich auf der Insel den Weihnachtsvierteiler mit Robert Hoffmann in der Hauptrolle produzierte. Noch in Schwarz-weiß übrigens. Wir fragen am Maspalomas Strand nach, wir erkundigen uns im Informationszentrum am Fuße des RIU-Maspalomas Hotels. Niemand weiß Bescheid. Die Leute, die hier Fragen stellen, interessieren sich nicht für olle TV-Kamellen. Die wollen nur eines wissen: Wo gibt’s Spaß, gutes Essen und Musik?

Uns bleibt nur ein mächtiger Bildband über den Ort, den uns eine junge Dame im Info-Center zum Durchblättern überlässt. Auf drei Seiten werden zwar auch Filme vorgestellt, die rund um Maspalomas gedreht wurden: Einige Außenaufnahmen für den Hollywood-Klassier „Moby Dick“ mit Gregory Peck in der Rolle des Kapitän Ahab. 1956 war das. Ja, wer hätte das gedacht? Auch ein Dinosaurier-Film, der sich aber wohl eher an sexy Urzeit-Mädels orientierte, entstand in dieser prachtvollen Dünenlandschaft. Von Robinson kein Wort im Buch und in den Dünen keine Spur von ihm. Wie vom Winde verweht. 

Die Dünenlandschaft zwischen Playa del Ingles und Maspalomas eignete sich als Drehort für die Robinson-Insel!

Auftakt der berühmten ZDF-Weihnachtsvierteiler

Dabei war das 360 Minuten lange Meisterwerk der Auftakt einer erfolgreichen ZDF-Serie, die in den Folgejahren Vierteiler hervorbrachte, wie „Die Schatzinsel“, „Tom Sawyers und Huckleberry Finns Abenteuer“ oder „Der Seewolf“. Bei einem Spaziergang durch die Dünen zwischen Playa del Ingles zum Leuchtturm von Maspalomas kann man sich zwar schon einen gewissen Überblick und vor allem einen Eindruck dessen verschaffen, wie es damals ausgesehen haben muss, als das Fernsehteam hier vor Ort war.

Natürlich muss man sich die unzähligen Touristen wegdenken. Denn 1964 gab es hier fast nichts. Die Gegend war naturbelassen. Die Fernsehleute mussten sich zwei Monate lang von Spiegeleiern ernähren, wie es in einer Chronik heißt. Und einen der Kannibalen, die Robinsons Kameraden Freitag in den Kochtopf stecken wollten, war Direktor eines von den damals noch wenigen Hotels in der Region.   

Auf DVD kann man nacherleben, wie Robinson hier am Strand sein Messer verlor und erkennen musste, dass er auf eine Insel verbannt war. Hier kämpfte er gegen Eingeborene und wurde von Beduinen als Sklave verschleppt – 1964 als Maspalomas für kurze Zeit die ZDF-Sahara war.

Karneval auf Gran Canaria gehört zu den eindrucksvollsten Erlebnissen

Was Genaues weiß man nicht

Wir versuchen es in der Gegend um Tejeda, im Landesinneren. Der schmucke Ort liegt am Fuße des berühmten Roque Nublo. Hier sollen die Aufnahmen im Inneren von Robinsons Insel entstanden sein. Gleich am Ortseingang ein Informationsschalter. Die Dame hat noch nie etwas von Robinson auf Gran Canaria gehört, verweist uns aber an den Tankwart gleich nebenan. Einen Mann knapp über 60.

„Ja, ich kann mich erinnern“, sagt der. „Ist lange her. Ich war damals ein Kind, weiß aber, dass die Leute hinter dem Roque Bentayga ihr Lager aufgeschlagen hatten.“ Der Bentayga ist ein riesiger Felsen, der rund fünf Kilometer südwestlich oberhalb von Tejeda, die Landschaft bestimmt. Also irgendwo dahinter befanden sich die brasilianischen Besitzgüter Robinsons. In Teil 2 des Vierteilers kann man durch die offenen Fenster seiner Hazienda aus deutlich die Felsplattform mit dem Roque Nublo erkennen. Wo genau das Gebäude stand, lässt sich auch hier nicht mehr feststellen.

Entdecker war hier

Wir fahren hinauf nach Las Palmas. Dort können wir uns einigermaßen sicher sein, dass sich hier ein berühmter Besucher einquartiert hatte, bevor er im August 1492 über La Gomera Kurs auf Amerika nahm.  Kein Film- oder Romanheld, sondern eine historische Persönlichkeit: Christoph Kolumbus. Der große Entdecker gastierte in Las Palmas im Gouverneurs-Palast. Verbürgt sind die drei Räume Linkerhand gleich hinter dem Kassenbereich. Der Rest des Ensembles ist neueren Datums. Heute sind hier Modelle der drei Kolumbus-Schiffe, seine nachgebaute Kapitänskabine auf der „Santa Maria“ sowie Faksimile des Logbuchs ausgestellt. 

Karneval auf den Kanaren

Wir fahren zurück nach Playa del Ingles, wo knapp zwei Wochen nach Deutschland Karneval gefeiert wird. Und wie der gefeiert wird. Ein unvergessliches Erlebnis. Mehr als sechs Stunden lang ziehen 120 Fahrzeuge flankiert von maskierten Menschenmassen von 17 Uhr bis gegen Mitternacht direkt an unserer Unterkunft, dem RIU-Papaya, vorbei. Jede Menge nackte Haut. Eine singende und tanzende Menge, die nichts anderes im Sinn hat, als einfach nur fröhlich zu sein. Einen Tag später wird unten am Strand die Faschings-Sardine verbrannt. Ein Riesenspektakel mit einem gigantischen Feuerwerk über dem Meer beendet die Faschingssaison. In Playa del Ingles. Was nicht heißen soll, dass nicht in anderen Orten der Karneval weiterhin fröhlich Urständ feiert.

Ein Beitrag mit Foto für ReiseTravel von Helmut Kunz.

Unser Autor wohnt in Weiden.

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