Kronach

Seit mehr als 25 Jahren tanzt und singt der Musical-Star Uli Scherbel über die bekanntesten Bühnen des Landes. In seiner Heimatstadt Kronach wechselt der „ewige Sunnyboy“ ins Charakterfach und übernimmt die Rolle des „Jedermann“ bei den Rosenberg Festspie

Kronach: Der Mann ist nicht satt und saturiert - er ist hungrig. Auch das macht den erzwungenen Abgang so schwer. Er genießt seinen Reichtum und er kostet sie vollends aus, die Macht, die ihm sein Geld verleiht. Häuser, Parties, Freunde, das pralle Leben kann er sich kaufen. Er bestimmt über Schicksale, er manipuliert und er genießt sich selbst in seiner ganzen Strahlkraft. So war es immer und so sollte es auch immer bleiben. Eigentlich. Doch dann ereilt ihn das, was unausweichlich das Schicksal jedes lebenden Wesens ist: Der Tod tritt in sein Leben. Ausgerechnet zum schlechtesten Zeitpunkt. Und dann beginnt die eigentliche Reise des „Jedermann“.
Die künstlerische Leiterin der Kronacher Rosenberg Festspiele, Anja Dechant-Sundby, bringt in diesem Jahr erstmals den Klassiker „Jedermann“ auf die Freilichtbühne der malerischen Festung Rosenberg - und sie holt das Stück mit einer zeitgenössischen Inszenierung ins Jetzt. Für die Titelrolle hat sie den Schauspieler, Sänger und Tänzer Uli Scherbel gewonnen. Diese ist dem 50-Jährigen geradezu auf den Leib geschneidert. Und das, obwohl Scherbel seit mehr als 25 Jahren vor allem in der Rolle des charmanten Sunnyboys in namhaften Musicalproduktionen auf den großen Bühnen des Landes reüssiert.
„In der Rolle des ‚Jedermann’ macht man sich seelisch völlig nackt“. Deshalb habe ich mir die Entscheidung, diese Rolle anzunehmen, reiflich überlegt. Bei so einer Rolle ist die Beziehung zum Regisseur ausschlaggebend. Er bzw. sie muss den Schauspieler nicht nur sicher führen, sondern auch auffangen können.

Bereits im Vorgespräch mit Anja Dechant-Sundby war klar: Ich kann ihr absolut vertrauen. Das ist die Voraussetzung für alles. Nur so kann man sich als Schauspieler voll und ganz hingeben“, so Uli Scherbel. „Klar, den charmanten ‚Everybodys Darling‘ zu geben, macht einfach Spaß. Da fliegen einem die Herzen zu. Und das Fröhliche, Optimistische liegt auch eher in meiner persönlichen Grundnatur. Aber jetzt, mit 50, spüre ich auch das Verlangen, tiefer zu gehen und andere Aspekte der menschlichen Seele zu erforschen.“

Uli Scherbel steht nicht zum ersten Mal in Kronach auf der Bühne. Bereits 2015 hat er sich hier mit Tod und Teufel auseinandergesetzt und den Mephisto in Goethes „Faust“ gemimt. Dafür hat er großen Applaus geerntet.
Auf die Rolle des „Jedermann“ hat sich Scherbel gründlich vorbereitet. „Wir kennen alle diese ‚Jedermänner‘ aus der Politik oder der Hochfinanz. Diese mehr oder weniger prominenten Figuren hatte ich vor Augen, als ich die Rolle für mich angelegt habe. Aber ehrlich: Ein bisschen davon steckt doch in jedem von uns.“

Gut 80 Prozent des Textes in Hugo von Hofmannsthals Klassiker hat der „Jedermann“ zu sprechen. Das hieß für Uli Scherbel: 50 Seiten in Prosa gehaltenen Text auswendig zu lernen. „Zuerst hieß es Text pauken. Ich liebe diese schöne Sprache und als sich die Worte dann mit Emotionen füllten, fiel es mir immer leichter.“

Die psychische und physische Auseinandersetzung mit dem Tod erlebt Uli Scherbel im realen Leben oft - und insbesondere in Zeiten der Pandemie fast täglich. Denn privat engagiert sich der vielschichtige Schauspieler aktiv in der Hospizbewegung. „Im Tod fallen alle Masken und der Mensch wird auf seinen eigentlichen Wesenskern zurückgeworfen. Da zählt kein Geld und keine Macht. Da zählt das, was Du im Leben getan und gefühlt hast.“
Und das bringt Uli Scherbel mit der ganzen Wucht der Emotionen auf die Bühne. Schön, verführerisch, jugendlich und smart, im schicken Anzug und umschwärmt von falschen Freunden gibt er den lebenshungrigen Narzissten. Als er unerwartet dem Tod ins Gesicht sieht, nimmt man ihm ab, dass er verzweifelt an seinem Leben hängt. Der ‚Jedermann’ stemmt sich mit letzter Kraft gegen das Schicksal. Und Uli Scherbel tut peu á peu das, was er im Gespräch als „sich nackt Machen“ bezeichnet. Die seelischen Hüllen fallen und der „Jedermann“ durchleidet alle Phasen des Sterbens vom Nicht-Wahrhaben-Wollen über Zorn, Verhandeln und Depression bis zu dem Punkt des Annehmens. Der „Jedermann“ windet sich in blanker Angst, er schreit, er weint, er vergeht vor Pein. In der Welt zwischen Leben und Tod, der „Stunde seines Todes“ - ob sie nur einen Wimpernschlag lang oder eine halbe Ewigkeit dauert - zurückgeworfen auf Glaube und Werke, durchlebt er einen Wandlungsprozess und beginnt zu erkennen. Schließlich bereut er seine Schandtaten und sein oberflächliches Leben.
Uli Scherbel ist kein verlebter, polternder oder gar grantelnder „Jedermann“. Er verkörpert die Rolle des selbstverliebten Egomanen und seinen Weg der Läuterung feinsinnig und sensibel. Sein „Jedermann“ ist nicht nur Eitel und hartherzig. Wie alle Menschen hat auch er ein Gewissen, das, zunächst unter Verleugnung und Lasterhaftigkeit verschüttet, nach und nach ans Licht tritt. Intensiv ist dabei die Auseinandersetzung mit der Mutter (Sabine Rossbach); der Buhlschaft (Anne Scherliess) und dem guten Gesell (Harald Pilar von Pilchau). Scherbel arbeitet den Prozess der Wandlung mit viel Gespür und Tiefgang heraus. Er spielt nicht das Sterben. Er stirbt.
Wie kommt man als Schauspieler mit dieser psychischen Katharsis klar?

„Das Schöne an dem Stück ist ja, dass es an keiner Stelle hoffnungslos ist. Der ‚Jedermann’ - und auch das Publikum - spüren von Beginn an, dass noch alles gut werden kann. Natürlich hat mich die Auseinandersetzung mit dieser Rolle zum Nachdenken gebracht. Wie würde ich damit umgehen, wenn mich jetzt der Tod treffen würde?

Aber noch wichtiger: Wie lebe ich? Das ist es doch, was der ‚Jedermann’ uns nahebringen will: Denkt über Euer Leben nach! Was ist wirklich wichtig? Der Tod ist in unserer Kultur so sehr verdrängt wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte. Aber um ein bewusstes Leben zu führen, ist es doch notwendig, einen reflektierten Umgang mit dem Tod zu finden. Das gehört grundsätzlich zum Leben dazu. Auch mit mir persönlich hat der Jedermann etwas gemacht. Ich bin gerade dankbarer und nehme vieles noch bewusster wahr. Und wenn ich nach Hause komme, zu meiner Familie nach Rothenkirchen, und meine Mutter, trotz ihres hohen Alters noch für mich kocht, dann ist das einfach nur die pure Freude am Leben.“

Uli Scherbel: Der gebürtige Kronacher lebt in Stuttgart. Er hat an der Universität der Künste in Berlin Schauspiel, Gesang und Tanz studiert. 1995, noch während des Studiums, belegte er den Ersten Platz beim Bundeswettbewerb Gesang. Nach dem Studium folgten neben zahlreichen Konzertauftritten Hauptrollen und Engagements sowohl im Musical- und Operettenfach als auch im Schauspiel. So spielte er z. B. den „Joseph“ im gleichnamigen Musical  (Colosseum Theater Essen); gab den „Claude“ in „Hair“ (Opernhaus Leipzig), den „Fred“ in „Ich war noch niemals in New York“ (u. a. Apollo Theater Stuttgart, Theater an der Elbe Hamburg). Er spielte den „Christiano Hatschek“ in „Roxy und ihr Wunderteam“ (Theater Augsburg), dem „Robert“ in „Babytalk“ (Neuköllner Oper Berlin), den „Christian“ in „Cyrano de Bergerac“ (Konzerthaus Klagenfurt) oder auch den „D’Artagnan“ in „Die drei Musketiere“ (Burgfestspiele Bad Vilbel). Zuletzt trat Uli Scherbel über mehrere Spielzeiten hinweg am Schleswig Holsteinischen Landestheater Flensburg auf, u. a. als „Bobby Child“ in „Crazy for you“, als „Don Lockwood“ in „Singing in the rain“ und als „Sky Masterson“ in „Guys and Dolls“.  Bei den diesjährigen Rosenberg Festspielen gibt Uli Scherbel den „Jedermann“ und übernimmt vor dem Hintergrund zahlreicher Projekte auf diesem Gebiet die Choreografie in „Ladys Night“.
Rosenberg Festspiele: Daneben stehen in diesem Jahr die Komödie „Ladys Night“ (Regie: Stephan Beer) sowie das Familienstück „Das Sams - Eine Woche voller Samstage“ (Regie: Stephanie Kuhlmann) auf dem Programm. www.rosenbergfestspiele.de
Achtung: Aufgrund von Corona können sich einzelne Termine verschieben. Beachten Sie bitte die aktuellen Hinweise auf www.rosenbergfestspiele.de

Ein Beitrag für ReiseTravel von Sabine Raithel. Redaktionsbüro. D-96364 Marktrodach.

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